Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.aber deutete es anders, und blickte ernst und nachdenklich vor sich hin, dann reichte sie dem Arzt unter flüchtigem Erröthen die Hand, und ging, da der Tag bereits angebrochen und Alexis fest eingeschlafen war, in ihr Zimmer zurück. Nichts glich der wehmüthigen Theilnahme, der innigen Zärtlichkeit, mit welcher die Baronin ihrem unglücklichen Kinde, wie sie Marien nannte, entgegen kam. Alles was sie selbst jemals erfahren und gelitten hatte, alle trübe Tage und Stunden, wanden sich wieder aus dem alten Abgrund der Zeit herauf. So vieles hatte sie eingebüßt, so vieles heldenmüthig entbehrt, nichts Großes mehr vom Schicksal verlangt, in das Unabwendbare hatte sie sich schnell gefunden, aber Familienfrieden, behagliches Theilen der letzten Lebensfreuden mit den theuern Verwandten, darauf hatte sie gerechnet, das, dachte sie, sei nicht zu viel gefodert, und nun war alles zerrissen, was sich so natürlich, so von selbst, zusammengefügt. Sie war von dem letztem Schlage wie zerschmettert. Doch konnte sie nicht lange in einem Zustande verharren der sie zu allem tauglichen unfähig, zu jeder wohlthätigen Erheiterung Anderer ungeschickt machte. Sie gewann Kraft, sich aus einer Kette abspannender Erinnerungen und trüber Weltansichten herauszureißen. Das alte Gleichgewicht aber deutete es anders, und blickte ernst und nachdenklich vor sich hin, dann reichte sie dem Arzt unter flüchtigem Erröthen die Hand, und ging, da der Tag bereits angebrochen und Alexis fest eingeschlafen war, in ihr Zimmer zurück. Nichts glich der wehmüthigen Theilnahme, der innigen Zärtlichkeit, mit welcher die Baronin ihrem unglücklichen Kinde, wie sie Marien nannte, entgegen kam. Alles was sie selbst jemals erfahren und gelitten hatte, alle trübe Tage und Stunden, wanden sich wieder aus dem alten Abgrund der Zeit herauf. So vieles hatte sie eingebüßt, so vieles heldenmüthig entbehrt, nichts Großes mehr vom Schicksal verlangt, in das Unabwendbare hatte sie sich schnell gefunden, aber Familienfrieden, behagliches Theilen der letzten Lebensfreuden mit den theuern Verwandten, darauf hatte sie gerechnet, das, dachte sie, sei nicht zu viel gefodert, und nun war alles zerrissen, was sich so natürlich, so von selbst, zusammengefügt. Sie war von dem letztem Schlage wie zerschmettert. Doch konnte sie nicht lange in einem Zustande verharren der sie zu allem tauglichen unfähig, zu jeder wohlthätigen Erheiterung Anderer ungeschickt machte. Sie gewann Kraft, sich aus einer Kette abspannender Erinnerungen und trüber Weltansichten herauszureißen. Das alte Gleichgewicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0210" n="203"/> aber deutete es anders, und blickte ernst und nachdenklich vor sich hin, dann reichte sie dem Arzt unter flüchtigem Erröthen die Hand, und ging, da der Tag bereits angebrochen und Alexis fest eingeschlafen war, in ihr Zimmer zurück.</p> <p>Nichts glich der wehmüthigen Theilnahme, der innigen Zärtlichkeit, mit welcher die Baronin ihrem unglücklichen Kinde, wie sie Marien nannte, entgegen kam. Alles was sie selbst jemals erfahren und gelitten hatte, alle trübe Tage und Stunden, wanden sich wieder aus dem alten Abgrund der Zeit herauf. So vieles hatte sie eingebüßt, so vieles heldenmüthig entbehrt, nichts Großes mehr vom Schicksal verlangt, in das Unabwendbare hatte sie sich schnell gefunden, aber Familienfrieden, behagliches Theilen der letzten Lebensfreuden mit den theuern Verwandten, darauf hatte sie gerechnet, das, dachte sie, sei nicht zu viel gefodert, und nun war alles zerrissen, was sich so natürlich, so von selbst, zusammengefügt. Sie war von dem letztem Schlage wie zerschmettert.</p> <p>Doch konnte sie nicht lange in einem Zustande verharren der sie zu allem tauglichen unfähig, zu jeder wohlthätigen Erheiterung Anderer ungeschickt machte. Sie gewann Kraft, sich aus einer Kette abspannender Erinnerungen und trüber Weltansichten herauszureißen. Das alte Gleichgewicht </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0210]
aber deutete es anders, und blickte ernst und nachdenklich vor sich hin, dann reichte sie dem Arzt unter flüchtigem Erröthen die Hand, und ging, da der Tag bereits angebrochen und Alexis fest eingeschlafen war, in ihr Zimmer zurück.
Nichts glich der wehmüthigen Theilnahme, der innigen Zärtlichkeit, mit welcher die Baronin ihrem unglücklichen Kinde, wie sie Marien nannte, entgegen kam. Alles was sie selbst jemals erfahren und gelitten hatte, alle trübe Tage und Stunden, wanden sich wieder aus dem alten Abgrund der Zeit herauf. So vieles hatte sie eingebüßt, so vieles heldenmüthig entbehrt, nichts Großes mehr vom Schicksal verlangt, in das Unabwendbare hatte sie sich schnell gefunden, aber Familienfrieden, behagliches Theilen der letzten Lebensfreuden mit den theuern Verwandten, darauf hatte sie gerechnet, das, dachte sie, sei nicht zu viel gefodert, und nun war alles zerrissen, was sich so natürlich, so von selbst, zusammengefügt. Sie war von dem letztem Schlage wie zerschmettert.
Doch konnte sie nicht lange in einem Zustande verharren der sie zu allem tauglichen unfähig, zu jeder wohlthätigen Erheiterung Anderer ungeschickt machte. Sie gewann Kraft, sich aus einer Kette abspannender Erinnerungen und trüber Weltansichten herauszureißen. Das alte Gleichgewicht
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