Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Soldatenstand, alles rankte sich in ein buntes Geflecht zusammen, zuletzt trat die verstorbene Marquise zu ihm, sie hielt den Finger auf das geheimnißvolle Buch, die magischen Zeichen flossen alle in einander, dann traten wieder Buchstaben einzeln herauf, aber er konnte sie nicht festhalten, und vergaß einen über den andern, da wollte er fragend zu der Marquise hinsehn, die war nicht mehr da, das Buch aber, was er in der Hand hielt, war die Bibel.

Die Bibel! - sagte er träumend, als jetzt der Wagen hielt und der volle Tag das Kloster beschien, welches am Abhang eines ausnehmend frischen und blühenden Hügels vor ihm lag. Der Köhler öffnete den Schlag, der Marquis sah gerührt auf ihn hin, reichte ihm in schweigender Beschämung die Hand, und ging nun, von der treuen Seele geleitet, den Steg hinan.

Sie fanden die großen Flügelthüren achtlos angelehnt, das Gebäude wie ausgestorben, alle Zellen offen und leer! Dem Marquis klopfte das Herz in unaussprechlicher Angst, auch der Köhler ward unruhig, indeß fanden sie keine Spur irgend einer Gewaltthätigkeit. Freiwillige Auswanderung nur war denkbar, doch so plötzlich erschien auch diese unbegreiflich. Sie setzten daher ihre Nachforschungen mit möglichster Sorgfalt fort. Alle

Soldatenstand, alles rankte sich in ein buntes Geflecht zusammen, zuletzt trat die verstorbene Marquise zu ihm, sie hielt den Finger auf das geheimnißvolle Buch, die magischen Zeichen flossen alle in einander, dann traten wieder Buchstaben einzeln herauf, aber er konnte sie nicht festhalten, und vergaß einen über den andern, da wollte er fragend zu der Marquise hinsehn, die war nicht mehr da, das Buch aber, was er in der Hand hielt, war die Bibel.

Die Bibel! – sagte er träumend, als jetzt der Wagen hielt und der volle Tag das Kloster beschien, welches am Abhang eines ausnehmend frischen und blühenden Hügels vor ihm lag. Der Köhler öffnete den Schlag, der Marquis sah gerührt auf ihn hin, reichte ihm in schweigender Beschämung die Hand, und ging nun, von der treuen Seele geleitet, den Steg hinan.

Sie fanden die großen Flügelthüren achtlos angelehnt, das Gebäude wie ausgestorben, alle Zellen offen und leer! Dem Marquis klopfte das Herz in unaussprechlicher Angst, auch der Köhler ward unruhig, indeß fanden sie keine Spur irgend einer Gewaltthätigkeit. Freiwillige Auswanderung nur war denkbar, doch so plötzlich erschien auch diese unbegreiflich. Sie setzten daher ihre Nachforschungen mit möglichster Sorgfalt fort. Alle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0040" n="33"/>
Soldatenstand, alles rankte sich in ein buntes Geflecht zusammen, zuletzt trat die verstorbene Marquise zu ihm, sie hielt den Finger auf das geheimnißvolle Buch, die magischen Zeichen flossen alle in einander, dann traten wieder Buchstaben einzeln herauf, aber er konnte sie nicht festhalten, und vergaß einen über den andern, da wollte er fragend zu der Marquise hinsehn, die war nicht mehr da, das Buch aber, was er in der Hand hielt, war die Bibel.</p>
          <p>Die Bibel! &#x2013; sagte er träumend, als jetzt der Wagen hielt und der volle Tag das Kloster beschien, welches am Abhang eines ausnehmend frischen und blühenden Hügels vor ihm lag. Der Köhler öffnete den Schlag, der Marquis sah gerührt auf ihn hin, reichte ihm in schweigender Beschämung die Hand, und ging nun, von der treuen Seele geleitet, den Steg hinan.</p>
          <p>Sie fanden die großen Flügelthüren achtlos angelehnt, das Gebäude wie ausgestorben, alle Zellen offen und leer! Dem Marquis klopfte das Herz in unaussprechlicher Angst, auch der Köhler ward unruhig, indeß fanden sie keine Spur irgend einer Gewaltthätigkeit. Freiwillige Auswanderung nur war denkbar, doch so plötzlich erschien auch diese unbegreiflich. Sie setzten daher ihre Nachforschungen mit möglichster Sorgfalt fort. Alle
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0040] Soldatenstand, alles rankte sich in ein buntes Geflecht zusammen, zuletzt trat die verstorbene Marquise zu ihm, sie hielt den Finger auf das geheimnißvolle Buch, die magischen Zeichen flossen alle in einander, dann traten wieder Buchstaben einzeln herauf, aber er konnte sie nicht festhalten, und vergaß einen über den andern, da wollte er fragend zu der Marquise hinsehn, die war nicht mehr da, das Buch aber, was er in der Hand hielt, war die Bibel. Die Bibel! – sagte er träumend, als jetzt der Wagen hielt und der volle Tag das Kloster beschien, welches am Abhang eines ausnehmend frischen und blühenden Hügels vor ihm lag. Der Köhler öffnete den Schlag, der Marquis sah gerührt auf ihn hin, reichte ihm in schweigender Beschämung die Hand, und ging nun, von der treuen Seele geleitet, den Steg hinan. Sie fanden die großen Flügelthüren achtlos angelehnt, das Gebäude wie ausgestorben, alle Zellen offen und leer! Dem Marquis klopfte das Herz in unaussprechlicher Angst, auch der Köhler ward unruhig, indeß fanden sie keine Spur irgend einer Gewaltthätigkeit. Freiwillige Auswanderung nur war denkbar, doch so plötzlich erschien auch diese unbegreiflich. Sie setzten daher ihre Nachforschungen mit möglichster Sorgfalt fort. Alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T15:02:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T15:02:16Z)
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T15:02:16Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/40
Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/40>, abgerufen am 09.11.2024.