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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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Kühleborn wieder gewaltig? -- Laß' ihn nur
kommen, entgegnete sie lachend; ich bin ja da-
bei, und vor mir wagt er sich mit keinem Un-
heil hervor. -- Damit war das letzte Hinder-
niß gehoben, man rüstete sich zur Fahrt, und
trat sie alsbald mit frischem Muth und den
heitersten Hoffnungen an.

Wundert Euch aber nur nicht, Ihr Men-
schen, wenn es dann immer ganz anders kommt,
als man gemeint hat. Die tückische Macht,
die lauert, uns zu verderben, singt ihr auser-
kornes Opfer gern mit süßen Liedern und gold-
nen Mährchen in den Schlaf. Dagegen pocht
der rettende Himmelsbote oftmals scharf und
erschreckend an unsre Thür.

Sie waren die ersten Tage ihrer Donau-
fahrt hindurch außerordentlich vergnügt gewe-
sen. Es ward auch Alles immer besser und
schöner, so wie sie den stolzer fluthenden Strom
weiter hinunterschifften. Aber in einer sonst
höchst anmuthigen Gegend, von deren erfreuli-
chem Anblick sie sich die beste Freude versprochen

Kuͤhleborn wieder gewaltig? — Laß’ ihn nur
kommen, entgegnete ſie lachend; ich bin ja da-
bei, und vor mir wagt er ſich mit keinem Un-
heil hervor. — Damit war das letzte Hinder-
niß gehoben, man ruͤſtete ſich zur Fahrt, und
trat ſie alsbald mit friſchem Muth und den
heiterſten Hoffnungen an.

Wundert Euch aber nur nicht, Ihr Men-
ſchen, wenn es dann immer ganz anders kommt,
als man gemeint hat. Die tuͤckiſche Macht,
die lauert, uns zu verderben, ſingt ihr auser-
kornes Opfer gern mit ſuͤßen Liedern und gold-
nen Maͤhrchen in den Schlaf. Dagegen pocht
der rettende Himmelsbote oftmals ſcharf und
erſchreckend an unſre Thuͤr.

Sie waren die erſten Tage ihrer Donau-
fahrt hindurch außerordentlich vergnuͤgt gewe-
ſen. Es ward auch Alles immer beſſer und
ſchoͤner, ſo wie ſie den ſtolzer fluthenden Strom
weiter hinunterſchifften. Aber in einer ſonſt
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chem Anblick ſie ſich die beſte Freude verſprochen

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[154/0168] Kuͤhleborn wieder gewaltig? — Laß’ ihn nur kommen, entgegnete ſie lachend; ich bin ja da- bei, und vor mir wagt er ſich mit keinem Un- heil hervor. — Damit war das letzte Hinder- niß gehoben, man ruͤſtete ſich zur Fahrt, und trat ſie alsbald mit friſchem Muth und den heiterſten Hoffnungen an. Wundert Euch aber nur nicht, Ihr Men- ſchen, wenn es dann immer ganz anders kommt, als man gemeint hat. Die tuͤckiſche Macht, die lauert, uns zu verderben, ſingt ihr auser- kornes Opfer gern mit ſuͤßen Liedern und gold- nen Maͤhrchen in den Schlaf. Dagegen pocht der rettende Himmelsbote oftmals ſcharf und erſchreckend an unſre Thuͤr. Sie waren die erſten Tage ihrer Donau- fahrt hindurch außerordentlich vergnuͤgt gewe- ſen. Es ward auch Alles immer beſſer und ſchoͤner, ſo wie ſie den ſtolzer fluthenden Strom weiter hinunterſchifften. Aber in einer ſonſt hoͤchſt anmuthigen Gegend, von deren erfreuli- chem Anblick ſie ſich die beſte Freude verſprochen

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/168>, abgerufen am 29.11.2024.