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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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und solches zu der Zeit auch noch um einer gar
hübschen Ursache willen, denn Gott hatte uns,
in unserm damals schon ziemlich hohen Alter
ein wunderschönes Kindlein bescheert. Es war
ein Mägdlein, und die Rede ging bereits unter
uns, ob wir nicht, dem neuen Ankömmlinge zu
Frommen, unsre schöne Landzunge verlassen woll-
ten, um die liebe Himmelsgabe künftig an be-
wohnbaren Orten besser aufzuziehen. Es ist frei-
lich bei armen Leuten nicht so damit, wie Ihr
es meinen mögt, Herr Ritter; aber, lieber Gott!
Jedermann muß doch einmal thun, was er ver-
mag. -- Nun, mir ging unterweges die Ge-
schichte ziemlich im Kopfe herum. Diese Land-
zunge war mir so im Herzen lieb, und ich fuhr
ordentlich zusammen, wenn ich unter dem Lärm
und Gezänke in der Stadt bei mir selbsten den-
ken mußte: in solcher Wirthschaft nimmst auch
du nun mit nächstem Deinen Wohnsitz, oder
doch in einer nicht viel stillern! -- Dabei aber
hab' ich nicht gegen unsern lieben Herrngott ge-
murret, vielmehr ihm im Stillen für das Neu-

und ſolches zu der Zeit auch noch um einer gar
huͤbſchen Urſache willen, denn Gott hatte uns,
in unſerm damals ſchon ziemlich hohen Alter
ein wunderſchoͤnes Kindlein beſcheert. Es war
ein Maͤgdlein, und die Rede ging bereits unter
uns, ob wir nicht, dem neuen Ankoͤmmlinge zu
Frommen, unſre ſchoͤne Landzunge verlaſſen woll-
ten, um die liebe Himmelsgabe kuͤnftig an be-
wohnbaren Orten beſſer aufzuziehen. Es iſt frei-
lich bei armen Leuten nicht ſo damit, wie Ihr
es meinen moͤgt, Herr Ritter; aber, lieber Gott!
Jedermann muß doch einmal thun, was er ver-
mag. — Nun, mir ging unterweges die Ge-
ſchichte ziemlich im Kopfe herum. Dieſe Land-
zunge war mir ſo im Herzen lieb, und ich fuhr
ordentlich zuſammen, wenn ich unter dem Laͤrm
und Gezaͤnke in der Stadt bei mir ſelbſten den-
ken mußte: in ſolcher Wirthſchaft nimmſt auch
du nun mit naͤchſtem Deinen Wohnſitz, oder
doch in einer nicht viel ſtillern! — Dabei aber
hab’ ich nicht gegen unſern lieben Herrngott ge-
murret, vielmehr ihm im Stillen fuͤr das Neu-

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[20/0034] und ſolches zu der Zeit auch noch um einer gar huͤbſchen Urſache willen, denn Gott hatte uns, in unſerm damals ſchon ziemlich hohen Alter ein wunderſchoͤnes Kindlein beſcheert. Es war ein Maͤgdlein, und die Rede ging bereits unter uns, ob wir nicht, dem neuen Ankoͤmmlinge zu Frommen, unſre ſchoͤne Landzunge verlaſſen woll- ten, um die liebe Himmelsgabe kuͤnftig an be- wohnbaren Orten beſſer aufzuziehen. Es iſt frei- lich bei armen Leuten nicht ſo damit, wie Ihr es meinen moͤgt, Herr Ritter; aber, lieber Gott! Jedermann muß doch einmal thun, was er ver- mag. — Nun, mir ging unterweges die Ge- ſchichte ziemlich im Kopfe herum. Dieſe Land- zunge war mir ſo im Herzen lieb, und ich fuhr ordentlich zuſammen, wenn ich unter dem Laͤrm und Gezaͤnke in der Stadt bei mir ſelbſten den- ken mußte: in ſolcher Wirthſchaft nimmſt auch du nun mit naͤchſtem Deinen Wohnſitz, oder doch in einer nicht viel ſtillern! — Dabei aber hab’ ich nicht gegen unſern lieben Herrngott ge- murret, vielmehr ihm im Stillen fuͤr das Neu-

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/34>, abgerufen am 21.11.2024.