Herreden mit einander auf's Reine; die Haus- frau ging, um den jungen Leuten das Brautge- mach zu ordnen, und zwei geweihte Kerzen, die sie seit langer Zeit verwahrt hielt, für die Trau- ungsfeierlichkeit hervorzusuchen. Der Ritter ne- stelte indeß an seiner goldnen Kette, und wollte zwei Ringe losdrehen, um sie mit der Braut wechseln zu können. Diese aber fuhr, es bemer- kend, aus ihrem tiefen Sinnen auf, und sprach: nicht also! Ganz bettelarm haben mich meine Aeltern nicht in die Welt hinein geschickt; viel- mehr haben sie gewißlich schon frühe darauf ge- rechnet, daß ein solcher Abend aufgehn solle. -- Damit war sie schnell aus der Thür, und kam gleich darauf mit zwei kostbaren Ringen zurück, deren einen sie ihrem Bräutigam gab, und den andern für sich behielt. Der alte Fischer war ganz erstaunt darüber, und noch mehr die Haus- frau, die eben wieder hereintrat, daß Beide diese Kleinodien noch niemals bei dem Kinde gesehn hatten. -- Meine Aeltern, entgegnete Undine, ließen mir diese Dingerchen in das
Herreden mit einander auf’s Reine; die Haus- frau ging, um den jungen Leuten das Brautge- mach zu ordnen, und zwei geweihte Kerzen, die ſie ſeit langer Zeit verwahrt hielt, fuͤr die Trau- ungsfeierlichkeit hervorzuſuchen. Der Ritter ne- ſtelte indeß an ſeiner goldnen Kette, und wollte zwei Ringe losdrehen, um ſie mit der Braut wechſeln zu koͤnnen. Dieſe aber fuhr, es bemer- kend, aus ihrem tiefen Sinnen auf, und ſprach: nicht alſo! Ganz bettelarm haben mich meine Aeltern nicht in die Welt hinein geſchickt; viel- mehr haben ſie gewißlich ſchon fruͤhe darauf ge- rechnet, daß ein ſolcher Abend aufgehn ſolle. — Damit war ſie ſchnell aus der Thuͤr, und kam gleich darauf mit zwei koſtbaren Ringen zuruͤck, deren einen ſie ihrem Braͤutigam gab, und den andern fuͤr ſich behielt. Der alte Fiſcher war ganz erſtaunt daruͤber, und noch mehr die Haus- frau, die eben wieder hereintrat, daß Beide dieſe Kleinodien noch niemals bei dem Kinde geſehn hatten. — Meine Aeltern, entgegnete Undine, ließen mir dieſe Dingerchen in das
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Herreden mit einander auf’s Reine; die Haus-
frau ging, um den jungen Leuten das Brautge-
mach zu ordnen, und zwei geweihte Kerzen, die
ſie ſeit langer Zeit verwahrt hielt, fuͤr die Trau-
ungsfeierlichkeit hervorzuſuchen. Der Ritter ne-
ſtelte indeß an ſeiner goldnen Kette, und wollte
zwei Ringe losdrehen, um ſie mit der Braut
wechſeln zu koͤnnen. Dieſe aber fuhr, es bemer-
kend, aus ihrem tiefen Sinnen auf, und ſprach:
nicht alſo! Ganz bettelarm haben mich meine
Aeltern nicht in die Welt hinein geſchickt; viel-
mehr haben ſie gewißlich ſchon fruͤhe darauf ge-
rechnet, daß ein ſolcher Abend aufgehn ſolle. —
Damit war ſie ſchnell aus der Thuͤr, und kam
gleich darauf mit zwei koſtbaren Ringen zuruͤck,
deren einen ſie ihrem Braͤutigam gab, und den
andern fuͤr ſich behielt. Der alte Fiſcher war
ganz erſtaunt daruͤber, und noch mehr die Haus-
frau, die eben wieder hereintrat, daß Beide
dieſe Kleinodien noch niemals bei dem Kinde
geſehn hatten. — Meine Aeltern, entgegnete
Undine, ließen mir dieſe Dingerchen in das
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/82>, abgerufen am 16.02.2025.
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