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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der ein und zwantzigste Discurs/
re hoc, quod de lucisero contigit, nec antea, nec postea contigisse.
Ein solcher Scribent/ wie Varro ist/ würde gewißlich diß
kein Wunderzeichen nennen/ wenn es nicht/ wider die Natur
zu seyn/ schiene. Denn wir Menschen sagen/ von allen Wun-
der-Begebnissen/ daß sie wider die Natur seyen; da sie es doch
nicht sind. Denn wie mag das wider die Natur seyn/ was
nach und durch GOttes Willen geschicht/ nachdemmal eines
solchen Schöpffers Will zweiffelsohn einer jeden Sache Na-
tur ist: Geschicht derhalben nichts Wunderbares und kein
Wunderzeichen wider die Natur; sondern/ wider die Kund-
schafft/ so man von der Natur hat etc. Was ist doch wol so
ordentlich/ von dem Stiffter der Natur Himmels und der
Erden/ als wie dertrefflichst- und richtigst-geordnete Lauff
der Gestirne? Was/ mit so gültigen und beständigen Satzun-
gen/ befestiget? Und dennoch/ weil es der so gewollt/ welcher
das/ was Er geschaffen/ mit völliger Herrschafft und Gewal-
regiert; hat dieser Stern/ dessen Grösse und Glantz/ vor an-
dren/ bekandt ist/ seine Farbe/ Grösse/ Gestalt/ und was noch
wunderlicher/ die Ordnung und Satzung seines Lauffs ge-
ändert. Damals hat Er gewißlich die Regeln der Stern-
kündiger/ so fern anders derselben schon etliche gewesen/ die
sie/ als wie durch unfehlbare Ausrechnung/ von dem vergan-
genem und zukünfftigem Lauffe deß Gestirns/ aufgezeichnet/
ihnen redlich verwirret: welchen Regeln sie nachgegangen/
als sie sich unterstanden zu sagen/ das/ was/ an dem Morgen-
stern/ geschehen/ wäre weder zuvor/ noch hernach/ gesche-

(a) S. Au-
gustinus l.
s. c.
hen. (a)

Aber/ wie dem allen; so lauffen manche Wunderzeichen doch auch/
nicht allein in Betrachtung Göttlichen Willens/ sondern auch der or-
dentlichen Natur-Krafft/ nicht wider die Natur. Und gleich wie Au-
gustinus daselbst die historische Erzehlung Varronis für gültig annimmt/
wenn er bemeldtes Phaenomenon ein Wunderzeichen/ nach der Mei-
nung Varronis/ und andrer heidnischen Römer/ nennet; damit er desto
füglicher den Heiden darthun möge/ weil die Natur/ durch solche unge-
meine Fälle/ ihren Gehorsam gegen dem Schöpffer zu erkennen gebe/ ha-
be man auch nicht zu zweifflen/ daß GOtt die Todten dermaleins aufer-
wecken werde: also würde gewißlich dieser sehr bescheidener und gelehrter
Bischoff keines weges die Meinung eines verständigen Mathematici ver-
worffen haben/ wenn derselbe ihm/ mit wahrscheinlichen Beweisthümern/

hätte

Der ein und zwantzigſte Discurs/
re hoc, quod de luciſero contigit, nec antea, nec poſtea contigiſſe.
Ein ſolcher Scribent/ wie Varro iſt/ wuͤrde gewißlich diß
kein Wunderzeichen nennen/ wenn es nicht/ wider die Natur
zu ſeyn/ ſchiene. Denn wir Menſchen ſagen/ von allen Wun-
der-Begebniſſen/ daß ſie wider die Natur ſeyen; da ſie es doch
nicht ſind. Denn wie mag das wider die Natur ſeyn/ was
nach und durch GOttes Willen geſchicht/ nachdemmal eines
ſolchen Schoͤpffers Will zweiffelsohn einer jeden Sache Na-
tur iſt: Geſchicht derhalben nichts Wunderbares und kein
Wunderzeichen wider die Natur; ſondern/ wider die Kund-
ſchafft/ ſo man von der Natur hat ꝛc. Was iſt doch wol ſo
ordentlich/ von dem Stiffter der Natur Himmels und der
Erden/ als wie dertrefflichſt- und richtigſt-geordnete Lauff
der Geſtirne? Was/ mit ſo guͤltigen und beſtaͤndigen Satzun-
gen/ befeſtiget? Und dennoch/ weil es der ſo gewollt/ welcher
das/ was Er geſchaffen/ mit voͤlliger Herꝛſchafft und Gewal-
regiert; hat dieſer Stern/ deſſen Groͤſſe und Glantz/ vor an-
dren/ bekandt iſt/ ſeine Farbe/ Groͤſſe/ Geſtalt/ und was noch
wunderlicher/ die Ordnung und Satzung ſeines Lauffs ge-
aͤndert. Damals hat Er gewißlich die Regeln der Stern-
kuͤndiger/ ſo fern anders derſelben ſchon etliche geweſen/ die
ſie/ als wie durch unfehlbare Ausrechnung/ von dem vergan-
genem und zukuͤnfftigem Lauffe deß Geſtirns/ aufgezeichnet/
ihnen redlich verwirret: welchen Regeln ſie nachgegangen/
als ſie ſich unterſtanden zu ſagen/ das/ was/ an dem Morgen-
ſtern/ geſchehen/ waͤre weder zuvor/ noch hernach/ geſche-

(a) S. Au-
guſtinus l.
ſ. c.
hen. (a)

Aber/ wie dem allen; ſo lauffen manche Wunderzeichen doch auch/
nicht allein in Betrachtung Goͤttlichen Willens/ ſondern auch der or-
dentlichen Natur-Krafft/ nicht wider die Natur. Und gleich wie Au-
guſtinus daſelbſt die hiſtoriſche Erzehlung Varronis fuͤr guͤltig annimmt/
wenn er bemeldtes Phænomenon ein Wunderzeichen/ nach der Mei-
nung Varronis/ und andrer heidniſchen Roͤmer/ nennet; damit er deſto
fuͤglicher den Heiden darthun moͤge/ weil die Natur/ durch ſolche unge-
meine Faͤlle/ ihren Gehorſam gegen dem Schoͤpffer zu erkennen gebe/ ha-
be man auch nicht zu zweifflen/ daß GOtt die Todten dermaleins aufer-
wecken werde: alſo wuͤrde gewißlich dieſer ſehr beſcheidener und gelehrter
Biſchoff keines weges die Meinung eines verſtaͤndigen Mathematici ver-
worffen haben/ wenn derſelbe ihm/ mit wahrſcheinlichen Beweisthuͤmern/

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[1150/1220] Der ein und zwantzigſte Discurs/ re hoc, quod de luciſero contigit, nec antea, nec poſtea contigiſſe. Ein ſolcher Scribent/ wie Varro iſt/ wuͤrde gewißlich diß kein Wunderzeichen nennen/ wenn es nicht/ wider die Natur zu ſeyn/ ſchiene. Denn wir Menſchen ſagen/ von allen Wun- der-Begebniſſen/ daß ſie wider die Natur ſeyen; da ſie es doch nicht ſind. Denn wie mag das wider die Natur ſeyn/ was nach und durch GOttes Willen geſchicht/ nachdemmal eines ſolchen Schoͤpffers Will zweiffelsohn einer jeden Sache Na- tur iſt: Geſchicht derhalben nichts Wunderbares und kein Wunderzeichen wider die Natur; ſondern/ wider die Kund- ſchafft/ ſo man von der Natur hat ꝛc. Was iſt doch wol ſo ordentlich/ von dem Stiffter der Natur Himmels und der Erden/ als wie dertrefflichſt- und richtigſt-geordnete Lauff der Geſtirne? Was/ mit ſo guͤltigen und beſtaͤndigen Satzun- gen/ befeſtiget? Und dennoch/ weil es der ſo gewollt/ welcher das/ was Er geſchaffen/ mit voͤlliger Herꝛſchafft und Gewal- regiert; hat dieſer Stern/ deſſen Groͤſſe und Glantz/ vor an- dren/ bekandt iſt/ ſeine Farbe/ Groͤſſe/ Geſtalt/ und was noch wunderlicher/ die Ordnung und Satzung ſeines Lauffs ge- aͤndert. Damals hat Er gewißlich die Regeln der Stern- kuͤndiger/ ſo fern anders derſelben ſchon etliche geweſen/ die ſie/ als wie durch unfehlbare Ausrechnung/ von dem vergan- genem und zukuͤnfftigem Lauffe deß Geſtirns/ aufgezeichnet/ ihnen redlich verwirret: welchen Regeln ſie nachgegangen/ als ſie ſich unterſtanden zu ſagen/ das/ was/ an dem Morgen- ſtern/ geſchehen/ waͤre weder zuvor/ noch hernach/ geſche- hen. (a) (a) S. Au- guſtinus l. ſ. c. Aber/ wie dem allen; ſo lauffen manche Wunderzeichen doch auch/ nicht allein in Betrachtung Goͤttlichen Willens/ ſondern auch der or- dentlichen Natur-Krafft/ nicht wider die Natur. Und gleich wie Au- guſtinus daſelbſt die hiſtoriſche Erzehlung Varronis fuͤr guͤltig annimmt/ wenn er bemeldtes Phænomenon ein Wunderzeichen/ nach der Mei- nung Varronis/ und andrer heidniſchen Roͤmer/ nennet; damit er deſto fuͤglicher den Heiden darthun moͤge/ weil die Natur/ durch ſolche unge- meine Faͤlle/ ihren Gehorſam gegen dem Schoͤpffer zu erkennen gebe/ ha- be man auch nicht zu zweifflen/ daß GOtt die Todten dermaleins aufer- wecken werde: alſo wuͤrde gewißlich dieſer ſehr beſcheidener und gelehrter Biſchoff keines weges die Meinung eines verſtaͤndigen Mathematici ver- worffen haben/ wenn derſelbe ihm/ mit wahrſcheinlichen Beweisthuͤmern/ haͤtte

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 1150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/1220>, abgerufen am 28.07.2024.