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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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von der Cabalistischen Welt-Unterscheidung.
würde doch solche Bitte umsonst geschehen; weil GOtt diesen seinen Ge-
brauch nicht änderte/ daß Er die Kräffte unzertheilt und ungeschwächt er-
theilte. Nachdem man nun alles erwogen; ward das allerdiensamste er-
achtet/ man solte dem Engel beyde Augen ausstechen/ und ihn damit ge-
hen lassen. Diese Blendung hat gleichwol so viel geholffen/ daß er/ zwi-
schen den nechsten Bluts-Verwandten/ keinen unreinen Brand mehr
stifftet.

Wirfft man aber den Jüden vor; (a) wenn der Venus-Engel/(a) Quem-
admodum
se fecisse,
scribit Dn.
D Wagen-
seilius.

von der Zeit an/ unter nahe Befreunde/ keine böse Brunst erwecken könne;
warum denn ihre Lehrer einem Ehemann zulassen/ daß er seinem Weibe
möge verbieten/ weder mit Vatter/ noch Bruder/ in geheim umzugehen?
Da wissen sie/ aus sothaner Strittigkeit/ sich nicht heraus zu helffen.
Wiewol der Author deß Buchs Chasidim (b) dennoch eine kleine Zwick-(b) Apud
modo lau-
datum au-
thorem.

Mühle zur Ausflucht gefunden; fürgebend/ es hange/ an dem Blick der
Augen: denn der Venus-Engel mache/ von dem an/ nicht mehr den An-
fang/ jemanden/ auf seine Schwester/ Bruder/ oder auf ein Vieh/ zu
entzünden; sondern/ nachdem einer/ an denselben/ seine lüsterne Augen
vorher geweidet/ alsdenn so treibe ihn der Engel weiter/ und verleite ihn/
vermittelst der Vertraulichkeit/ zur Versündigung.

Schönwald. Für eine Juden-Lügen/ mag dieses Schlupff-Loch
noch wol bequem genug seyn. Warum aber haben die zween eifrige
Teuffels-Kasteyer dem armen Venus-Engel die Augen ausgestochen/
und nicht vielmehr die Zunge aus dem Rachen gerissen? Da er doch/ mit
seinen eigenen Augen/ niemanden zur Liebe reitzen könnte; aber wol/ durch
seine glatte Zunge/ und verliebte Reden.

Forell. Vielleicht deßwegen/ daß er nicht sehen solte die unziemliche
Blicke der Menschen/ noch sie destomehr anfeuren. Wenn dieses dem
Herrn nicht gnug thut; so bitte ich meiner Einfalt zu verzeihen/ und dafür
anzunehmen die Erklärung eines gar gelehrten Manns: Die Blinden
werden/ weder unter die Lebendigen/ noch untet die Todten/ ge-
rechner.
(c) Und wie derselbige gar recht urtheilet/ so ist dieser Jüdische(c) Excell.
Dn. Arnol-
dus in No[t.]
ad hunc
loc.

Venus-Engel nichts anders/ als der Griechen @Eros, und der Lateiner Cu-
pido,
oder Liebs-Götze: welcher nicht getödtet werden muß/ wofern die
Welt nicht soll mit ausgetilget werden. Der Jüdische ist auch so wol
blind/ als der Griechische und Römische. Doch hat der Griechische und
Römische Cupido mehr Nachdenckens; der Jüdische aber mehr Aber-
glaubens hinter ihm. Denn/ wie es Natalis Comes ausleget/ so haben
die Alten dadurch anders nichts verstanden/ als die göttlich-eingepflantzte
Krafft gleicher Dinge/ die sich zu vereinigen begehren: wiewol es daneben

noch
P ij

von der Cabaliſtiſchen Welt-Unterſcheidung.
wuͤrde doch ſolche Bitte umſonſt geſchehen; weil GOtt dieſen ſeinen Ge-
brauch nicht aͤnderte/ daß Er die Kraͤffte unzertheilt und ungeſchwaͤcht er-
theilte. Nachdem man nun alles erwogen; ward das allerdienſamſte er-
achtet/ man ſolte dem Engel beyde Augen ausſtechen/ und ihn damit ge-
hen laſſen. Dieſe Blendung hat gleichwol ſo viel geholffen/ daß er/ zwi-
ſchen den nechſten Bluts-Verwandten/ keinen unreinen Brand mehr
ſtifftet.

Wirfft man aber den Juͤden vor; (a) wenn der Venus-Engel/(a) Quem-
admodum
ſe feciſſe,
ſcribit Dn.
D Wagen-
ſeilius.

von der Zeit an/ unter nahe Befreunde/ keine boͤſe Brunſt erwecken koͤnne;
warum denn ihre Lehrer einem Ehemann zulaſſen/ daß er ſeinem Weibe
moͤge verbieten/ weder mit Vatter/ noch Bruder/ in geheim umzugehen?
Da wiſſen ſie/ aus ſothaner Strittigkeit/ ſich nicht heraus zu helffen.
Wiewol der Author deß Buchs Chaſidim (b) dennoch eine kleine Zwick-(b) Apud
modò lau-
datum au-
thorem.

Muͤhle zur Ausflucht gefunden; fuͤrgebend/ es hange/ an dem Blick der
Augen: denn der Venus-Engel mache/ von dem an/ nicht mehr den An-
fang/ jemanden/ auf ſeine Schweſter/ Bruder/ oder auf ein Vieh/ zu
entzuͤnden; ſondern/ nachdem einer/ an denſelben/ ſeine luͤſterne Augen
vorher geweidet/ alsdenn ſo treibe ihn der Engel weiter/ und verleite ihn/
vermittelſt der Vertraulichkeit/ zur Verſuͤndigung.

Schoͤnwald. Fuͤr eine Juden-Luͤgen/ mag dieſes Schlupff-Loch
noch wol bequem genug ſeyn. Warum aber haben die zween eifrige
Teuffels-Kaſteyer dem armen Venus-Engel die Augen ausgeſtochen/
und nicht vielmehr die Zunge aus dem Rachen geriſſen? Da er doch/ mit
ſeinen eigenen Augen/ niemanden zur Liebe reitzen koͤnnte; aber wol/ durch
ſeine glatte Zunge/ und verliebte Reden.

Forell. Vielleicht deßwegen/ daß er nicht ſehen ſolte die unziemliche
Blicke der Menſchen/ noch ſie deſtomehr anfeuren. Wenn dieſes dem
Herꝛn nicht gnug thut; ſo bitte ich meiner Einfalt zu verzeihen/ und dafuͤr
anzunehmen die Erklaͤrung eines gar gelehrten Manns: Die Blinden
werden/ weder unter die Lebendigen/ noch untet die Todten/ ge-
rechner.
(c) Und wie derſelbige gar recht urtheilet/ ſo iſt dieſer Juͤdiſche(c) Excell.
Dn. Arnol-
dus in No[t.]
ad hunc
loc.

Venus-Engel nichts anders/ als der Griechen @Ερως, und der Lateiner Cu-
pido,
oder Liebs-Goͤtze: welcher nicht getoͤdtet werden muß/ wofern die
Welt nicht ſoll mit ausgetilget werden. Der Juͤdiſche iſt auch ſo wol
blind/ als der Griechiſche und Roͤmiſche. Doch hat der Griechiſche und
Roͤmiſche Cupido mehr Nachdenckens; der Juͤdiſche aber mehr Aber-
glaubens hinter ihm. Denn/ wie es Natalis Comes ausleget/ ſo haben
die Alten dadurch anders nichts verſtanden/ als die goͤttlich-eingepflantzte
Krafft gleicher Dinge/ die ſich zu vereinigen begehren: wiewol es daneben

noch
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[115/0141] von der Cabaliſtiſchen Welt-Unterſcheidung. wuͤrde doch ſolche Bitte umſonſt geſchehen; weil GOtt dieſen ſeinen Ge- brauch nicht aͤnderte/ daß Er die Kraͤffte unzertheilt und ungeſchwaͤcht er- theilte. Nachdem man nun alles erwogen; ward das allerdienſamſte er- achtet/ man ſolte dem Engel beyde Augen ausſtechen/ und ihn damit ge- hen laſſen. Dieſe Blendung hat gleichwol ſo viel geholffen/ daß er/ zwi- ſchen den nechſten Bluts-Verwandten/ keinen unreinen Brand mehr ſtifftet. Wirfft man aber den Juͤden vor; (a) wenn der Venus-Engel/ von der Zeit an/ unter nahe Befreunde/ keine boͤſe Brunſt erwecken koͤnne; warum denn ihre Lehrer einem Ehemann zulaſſen/ daß er ſeinem Weibe moͤge verbieten/ weder mit Vatter/ noch Bruder/ in geheim umzugehen? Da wiſſen ſie/ aus ſothaner Strittigkeit/ ſich nicht heraus zu helffen. Wiewol der Author deß Buchs Chaſidim (b) dennoch eine kleine Zwick- Muͤhle zur Ausflucht gefunden; fuͤrgebend/ es hange/ an dem Blick der Augen: denn der Venus-Engel mache/ von dem an/ nicht mehr den An- fang/ jemanden/ auf ſeine Schweſter/ Bruder/ oder auf ein Vieh/ zu entzuͤnden; ſondern/ nachdem einer/ an denſelben/ ſeine luͤſterne Augen vorher geweidet/ alsdenn ſo treibe ihn der Engel weiter/ und verleite ihn/ vermittelſt der Vertraulichkeit/ zur Verſuͤndigung. (a) Quem- admodum ſe feciſſe, ſcribit Dn. D Wagen- ſeilius. (b) Apud modò lau- datum au- thorem. Schoͤnwald. Fuͤr eine Juden-Luͤgen/ mag dieſes Schlupff-Loch noch wol bequem genug ſeyn. Warum aber haben die zween eifrige Teuffels-Kaſteyer dem armen Venus-Engel die Augen ausgeſtochen/ und nicht vielmehr die Zunge aus dem Rachen geriſſen? Da er doch/ mit ſeinen eigenen Augen/ niemanden zur Liebe reitzen koͤnnte; aber wol/ durch ſeine glatte Zunge/ und verliebte Reden. Forell. Vielleicht deßwegen/ daß er nicht ſehen ſolte die unziemliche Blicke der Menſchen/ noch ſie deſtomehr anfeuren. Wenn dieſes dem Herꝛn nicht gnug thut; ſo bitte ich meiner Einfalt zu verzeihen/ und dafuͤr anzunehmen die Erklaͤrung eines gar gelehrten Manns: Die Blinden werden/ weder unter die Lebendigen/ noch untet die Todten/ ge- rechner. (c) Und wie derſelbige gar recht urtheilet/ ſo iſt dieſer Juͤdiſche Venus-Engel nichts anders/ als der Griechen @Ερως, und der Lateiner Cu- pido, oder Liebs-Goͤtze: welcher nicht getoͤdtet werden muß/ wofern die Welt nicht ſoll mit ausgetilget werden. Der Juͤdiſche iſt auch ſo wol blind/ als der Griechiſche und Roͤmiſche. Doch hat der Griechiſche und Roͤmiſche Cupido mehr Nachdenckens; der Juͤdiſche aber mehr Aber- glaubens hinter ihm. Denn/ wie es Natalis Comes ausleget/ ſo haben die Alten dadurch anders nichts verſtanden/ als die goͤttlich-eingepflantzte Krafft gleicher Dinge/ die ſich zu vereinigen begehren: wiewol es daneben noch (c) Excell. Dn. Arnol- dus in Not. ad hunc loc. P ij

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/141>, abgerufen am 22.12.2024.