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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der zwey und zwantzigste Discurs/
zu weit nachhängen: weßwegen mich solches weniger/ denn nichts anficht;
und der Herr Adlerhaupt daraus wenig Auffwassers haben kan/ so ihm
seine Mühlen möchte treiben. Gestaltsam mir auch davon keine Noth-
wendigkeit entstehet/ solches/ mit vielen Worten/ abzuleinen/ oder zu
widerstreiten. Es brennet mich nicht: darffs also nicht leschen.

Endlich werden auch gleichwol die alte ansehnliche Philosophi und
Vernunfft-Weisen/ wider mich/ auf den Platz geführet. Aber ich
entsetze mich/ weder für ihrem Bart/ noch für ihrem Mantel; wenn die
wahre Vernunfft bey mir stehet. Laß schauen! was werden sie uns denn
doch Gutes lehren? Dieses/ daß die Gestirne alle einerley Eigen-
schafft haben/ nemlich Gutes zu thun; daß der Himmel nichts
Boshafftes in ihm leide: daß/ in keinem ewigen Dinge/ was
Böses stecken könne; weßwegen die Sterne auch keinen Scha-
den thun können/ etc.

Dieses ist alles/ auf lauter Boden-losen Gründen/ gebauet/ und
zwar fürnemlich auf den falschen Wahn vieler Heiden/ welche der Son-
nen/ dem Mond/ und den Sternen eine Gottheit zueigneten; wie inson-
derheit der heilige Augustinus die Stoicos dieser Schwärmerey beschul-
diget/ wann er schreibt: (a) Die Stoici sprechen/ die Sterne seyn
Jovis Theile/ leben alle/ und haben vernünfftige Seelen;
weßwegen sie unstrittig müssen Götter seyn.
Plato/ welchem
auch Proclus/ und viel andre/ zugethan/ achtete sie zwar für keine Göt-
ter; doch aber für lebendige Thiere/ von fast Göttlichem Verstande/ von
überaus subtiler/ scharffsinniger/ und reiner Seelen. Welche Plato-
nische Einbildung dem Philoni so wol gefallen/ daß er selber auf die Mei-
nung gerathen/ die Sterne wären ausbündig reine Verständnissen oder
Seelen. Gestaltsam/ in dem Buch von den Riesen/ wie auch in dem
von dem Welt Gebäu/ die Sterne agalmata theia Göttliche Ebrnbil-
Was die
alte Philo-
sophi von
den Ster-
nen gehal-
ten.
der/ genennet werden. Woselbst er auch schreibt: Man sagt/ die
Sterne seyen Thiere/ und zwar verständige Thiere. Vielmehr
aber ist jedweder Stern eine Verständniß/ welche gantz durch-
aus gut/ und keines Bösen fähig.

Winterschild. Von solchem Jrrthum hat gleichfalls Origenes
etwas gehabt. Ja dieser alte Lehrer hat sich so hart hierinn verstossen/
daß er nicht allein fürgegeben/ die Sterne wären Tugend- und Laster-
fähig; sondern es hätte auch Christus/ der Welt Heiland/ so wol für ihre
als unsere Sünden/ den Tod gelitten. (b) Welches aber nicht allein der

gesunden
(a) 4. de Civitate Deic. 11.
(b) vide Tom. 1. Comment. in Johann. & l. 1. Periarch.

Der zwey und zwantzigſte Discurs/
zu weit nachhaͤngen: weßwegen mich ſolches weniger/ denn nichts anficht;
und der Herꝛ Adlerhaupt daraus wenig Auffwaſſers haben kan/ ſo ihm
ſeine Muͤhlen moͤchte treiben. Geſtaltſam mir auch davon keine Noth-
wendigkeit entſtehet/ ſolches/ mit vielen Worten/ abzuleinen/ oder zu
widerſtreiten. Es brennet mich nicht: darffs alſo nicht leſchen.

Endlich werden auch gleichwol die alte anſehnliche Philoſophi und
Vernunfft-Weiſen/ wider mich/ auf den Platz gefuͤhret. Aber ich
entſetze mich/ weder fuͤr ihrem Bart/ noch fuͤr ihrem Mantel; wenn die
wahre Vernunfft bey mir ſtehet. Laß ſchauen! was werden ſie uns denn
doch Gutes lehren? Dieſes/ daß die Geſtirne alle einerley Eigen-
ſchafft haben/ nemlich Gutes zu thun; daß der Himmel nichts
Boshafftes in ihm leide: daß/ in keinem ewigen Dinge/ was
Boͤſes ſtecken koͤnne; weßwegen die Sterne auch keinen Scha-
den thun koͤnnen/ ꝛc.

Dieſes iſt alles/ auf lauter Boden-loſen Gruͤnden/ gebauet/ und
zwar fuͤrnemlich auf den falſchen Wahn vieler Heiden/ welche der Son-
nen/ dem Mond/ und den Sternen eine Gottheit zueigneten; wie inſon-
derheit der heilige Auguſtinus die Stoicos dieſer Schwaͤrmerey beſchul-
diget/ wann er ſchreibt: (a) Die Stoici ſprechen/ die Sterne ſeyn
Jovis Theile/ leben alle/ und haben vernuͤnfftige Seelen;
weßwegen ſie unſtrittig muͤſſen Goͤtter ſeyn.
Plato/ welchem
auch Proclus/ und viel andre/ zugethan/ achtete ſie zwar fuͤr keine Goͤt-
ter; doch aber fuͤr lebendige Thiere/ von faſt Goͤttlichem Verſtande/ von
uͤberaus ſubtiler/ ſcharffſinniger/ und reiner Seelen. Welche Plato-
niſche Einbildung dem Philoni ſo wol gefallen/ daß er ſelber auf die Mei-
nung gerathen/ die Sterne waͤren ausbuͤndig reine Verſtaͤndniſſen oder
Seelen. Geſtaltſam/ in dem Buch von den Rieſen/ wie auch in dem
von dem Welt Gebaͤu/ die Sterne ἀγάλματα ϑεῖα Goͤttliche Ebrnbil-
Was die
alte Philo-
ſophi von
den Ster-
nen gehal-
ten.
der/ genennet werden. Woſelbſt er auch ſchreibt: Man ſagt/ die
Sterne ſeyen Thiere/ und zwar verſtaͤndige Thiere. Vielmehr
aber iſt jedweder Stern eine Verſtaͤndniß/ welche gantz durch-
aus gut/ und keines Boͤſen faͤhig.

Winterſchild. Von ſolchem Jrꝛthum hat gleichfalls Origenes
etwas gehabt. Ja dieſer alte Lehrer hat ſich ſo hart hierinn verſtoſſen/
daß er nicht allein fuͤrgegeben/ die Sterne waͤren Tugend- und Laſter-
faͤhig; ſondern es haͤtte auch Chriſtus/ der Welt Heiland/ ſo wol fuͤr ihre
als unſere Suͤnden/ den Tod gelitten. (b) Welches aber nicht allein der

geſunden
(a) 4. de Civitate Deic. 11.
(b) vide Tom. 1. Comment. in Johann. & l. 1. Periarch.
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[1348/1424] Der zwey und zwantzigſte Discurs/ zu weit nachhaͤngen: weßwegen mich ſolches weniger/ denn nichts anficht; und der Herꝛ Adlerhaupt daraus wenig Auffwaſſers haben kan/ ſo ihm ſeine Muͤhlen moͤchte treiben. Geſtaltſam mir auch davon keine Noth- wendigkeit entſtehet/ ſolches/ mit vielen Worten/ abzuleinen/ oder zu widerſtreiten. Es brennet mich nicht: darffs alſo nicht leſchen. Endlich werden auch gleichwol die alte anſehnliche Philoſophi und Vernunfft-Weiſen/ wider mich/ auf den Platz gefuͤhret. Aber ich entſetze mich/ weder fuͤr ihrem Bart/ noch fuͤr ihrem Mantel; wenn die wahre Vernunfft bey mir ſtehet. Laß ſchauen! was werden ſie uns denn doch Gutes lehren? Dieſes/ daß die Geſtirne alle einerley Eigen- ſchafft haben/ nemlich Gutes zu thun; daß der Himmel nichts Boshafftes in ihm leide: daß/ in keinem ewigen Dinge/ was Boͤſes ſtecken koͤnne; weßwegen die Sterne auch keinen Scha- den thun koͤnnen/ ꝛc. Dieſes iſt alles/ auf lauter Boden-loſen Gruͤnden/ gebauet/ und zwar fuͤrnemlich auf den falſchen Wahn vieler Heiden/ welche der Son- nen/ dem Mond/ und den Sternen eine Gottheit zueigneten; wie inſon- derheit der heilige Auguſtinus die Stoicos dieſer Schwaͤrmerey beſchul- diget/ wann er ſchreibt: (a) Die Stoici ſprechen/ die Sterne ſeyn Jovis Theile/ leben alle/ und haben vernuͤnfftige Seelen; weßwegen ſie unſtrittig muͤſſen Goͤtter ſeyn. Plato/ welchem auch Proclus/ und viel andre/ zugethan/ achtete ſie zwar fuͤr keine Goͤt- ter; doch aber fuͤr lebendige Thiere/ von faſt Goͤttlichem Verſtande/ von uͤberaus ſubtiler/ ſcharffſinniger/ und reiner Seelen. Welche Plato- niſche Einbildung dem Philoni ſo wol gefallen/ daß er ſelber auf die Mei- nung gerathen/ die Sterne waͤren ausbuͤndig reine Verſtaͤndniſſen oder Seelen. Geſtaltſam/ in dem Buch von den Rieſen/ wie auch in dem von dem Welt Gebaͤu/ die Sterne ἀγάλματα ϑεῖα Goͤttliche Ebrnbil- der/ genennet werden. Woſelbſt er auch ſchreibt: Man ſagt/ die Sterne ſeyen Thiere/ und zwar verſtaͤndige Thiere. Vielmehr aber iſt jedweder Stern eine Verſtaͤndniß/ welche gantz durch- aus gut/ und keines Boͤſen faͤhig. Was die alte Philo- ſophi von den Ster- nen gehal- ten. Winterſchild. Von ſolchem Jrꝛthum hat gleichfalls Origenes etwas gehabt. Ja dieſer alte Lehrer hat ſich ſo hart hierinn verſtoſſen/ daß er nicht allein fuͤrgegeben/ die Sterne waͤren Tugend- und Laſter- faͤhig; ſondern es haͤtte auch Chriſtus/ der Welt Heiland/ ſo wol fuͤr ihre als unſere Suͤnden/ den Tod gelitten. (b) Welches aber nicht allein der geſunden (a) 4. de Civitate Deic. 11. (b) vide Tom. 1. Comment. in Johann. & l. 1. Periarch.

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 1348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/1424>, abgerufen am 27.07.2024.