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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der siebenzehende Discurs/
Wie es
komme/ daß
die Sonne
am Hori-
zont grösser
scheinet/ als
am Mitta-
ge.

Schönwald. Was mag doch wol die Ursach seyn/ daß die Son-
ne/ um den Horizont/ grösser schoinet/ als um den Mittag/ oder bey hei-
terem Himmel?

Goldstern. Das macht die Refraction deß Liechts. Denn weil
ein dicker durchsichtiger Körper/ als nemlich die irdische Dünste und
Dämpffe/ in der Mitte schwebet: so wird das Gesicht/ durch die Liechts-
Refraction/ getäuschet. Fast auf gleiche Weise begegnet dieser Frage
Joannes de Sacro Bosco, in seiner Sphaera; und setzet/ zum Exempel/ die
Zeit deß Winters und Regenwetters/ dabey es offt dicke Dünste/ und
Dämpffe gibt/ welche von der Erden sich erheben/ und zwischen der Son-
nen und unsrem Gesicht ins Mittel ziehen/ als ein durchsichtiger Körper/
so die Schau-Stralen ausbreitet/ daß denselben die Sonne grösser für-
geworffen wird/ in dem Auf- und Nidergange/ denn mitten am Himmel.
Derselbige/ und aus ihm Clavius/ erkläret/ mit einem/ im Wasser ligen-
dem/ Thaler/ auch die Ursach/ warum so wol die Sonne/ als andre Ge-
stirne/ vor ihrem Aufgange/ schon gesehen werden. Denn wenn jemand/
mitten in ein grosses Geschirr/ einen Reichsthaler würffe/ hernach so
weit/ von dem Geschirr zurück trette/ bis ihm der Thaler unsichtbar wor-
den/ endlich ein andres helles Wasser/ in das Geschirr/ schütten liesse; so
würde ihm der Thaler wiederum erscheinen. Mit welcher Antwort/ zu-
gleich diejenige/ von ihm abgefertiget worden/ die sich der unterschiedli-
chen Erscheinung der Gestirne/ zu einem Beweis/ haben bedienen wol-
len/ daß entweder der Himmel nicht vollkömmlich rund/ oder die Erde
nicht in dem Centro der Welt seyn müsste. Zu gedachter Refraction/
hilfft ohnezweiffel auch die unterschiedliche Natur der Lufft etwas: und
dieselbe würde noch grösser fallen/ wenn das Feuer/ wie zwar die Peripa-
tetici wähnen/ unter dem Mond-Kreise seinen Sitz hätte/ und also drey-
erley durchsichtige Körper in der Natur wären/ Lufft/ Feuer/ und Him-
mel Lufft.

Schönwald. Warum gibt uns der Herr das Wort Refraction
nicht Teutsch?

Goldstern. Weil ich besorge/ die Herren dörfften mich alsdenn
weniger verstehen/ als wenn ich bey diesem Lateinischem Kunst-Worte
bleibe. Eine weiland edle Blume unserer Teutschen Scribenten hat es
genannt die Durchstrahlung; ich aber/ so meine Gedächtniß anders
nicht fehlet/ habe es/ vor diesem/ etliche mal den Strahl-Bruch ge-
nannt. Beydes ist aber undeutlich/ und zur Ausdruckung deß rechten
Wort-Verstandes nicht gnug; wiewol das Letzte der Bedeutung doch
noch etwas näher kommt/ als das Erste. Darum gebrauche ich mich

lieber
Der ſiebenzehende Discurs/
Wie es
komme/ daß
die Sonne
am Hori-
zont groͤſſer
ſcheinet/ als
am Mitta-
ge.

Schoͤnwald. Was mag doch wol die Urſach ſeyn/ daß die Son-
ne/ um den Horizont/ groͤſſer ſchoinet/ als um den Mittag/ oder bey hei-
terem Himmel?

Goldſtern. Das macht die Refraction deß Liechts. Denn weil
ein dicker durchſichtiger Koͤrper/ als nemlich die irdiſche Duͤnſte und
Daͤmpffe/ in der Mitte ſchwebet: ſo wird das Geſicht/ durch die Liechts-
Refraction/ getaͤuſchet. Faſt auf gleiche Weiſe begegnet dieſer Frage
Joannes de Sacro Boſco, in ſeiner Sphæra; und ſetzet/ zum Exempel/ die
Zeit deß Winters und Regenwetters/ dabey es offt dicke Duͤnſte/ und
Daͤmpffe gibt/ welche von der Erden ſich erheben/ und zwiſchen der Son-
nen und unſrem Geſicht ins Mittel ziehen/ als ein durchſichtiger Koͤrper/
ſo die Schau-Stralen ausbreitet/ daß denſelben die Sonne groͤſſer fuͤr-
geworffen wird/ in dem Auf- und Nidergange/ denn mitten am Himmel.
Derſelbige/ und aus ihm Clavius/ erklaͤret/ mit einem/ im Waſſer ligen-
dem/ Thaler/ auch die Urſach/ warum ſo wol die Sonne/ als andre Ge-
ſtirne/ vor ihrem Aufgange/ ſchon geſehen werden. Denn wenn jemand/
mitten in ein groſſes Geſchirr/ einen Reichsthaler wuͤrffe/ hernach ſo
weit/ von dem Geſchirr zuruͤck trette/ bis ihm der Thaler unſichtbar wor-
den/ endlich ein andres helles Waſſer/ in das Geſchirr/ ſchuͤtten lieſſe; ſo
wuͤrde ihm der Thaler wiederum erſcheinen. Mit welcher Antwort/ zu-
gleich diejenige/ von ihm abgefertiget worden/ die ſich der unterſchiedli-
chen Erſcheinung der Geſtirne/ zu einem Beweis/ haben bedienen wol-
len/ daß entweder der Himmel nicht vollkoͤmmlich rund/ oder die Erde
nicht in dem Centro der Welt ſeyn muͤſſte. Zu gedachter Refraction/
hilfft ohnezweiffel auch die unterſchiedliche Natur der Lufft etwas: und
dieſelbe wuͤrde noch groͤſſer fallen/ wenn das Feuer/ wie zwar die Peripa-
tetici waͤhnen/ unter dem Mond-Kreiſe ſeinen Sitz haͤtte/ und alſo drey-
erley durchſichtige Koͤrper in der Natur waͤren/ Lufft/ Feuer/ und Him-
mel Lufft.

Schoͤnwald. Warum gibt uns der Herꝛ das Wort Refraction
nicht Teutſch?

Goldſtern. Weil ich beſorge/ die Herren doͤrfften mich alsdenn
weniger verſtehen/ als wenn ich bey dieſem Lateiniſchem Kunſt-Worte
bleibe. Eine weiland edle Blume unſerer Teutſchen Scribenten hat es
genannt die Durchſtrahlung; ich aber/ ſo meine Gedaͤchtniß anders
nicht fehlet/ habe es/ vor dieſem/ etliche mal den Strahl-Bruch ge-
nannt. Beydes iſt aber undeutlich/ und zur Ausdruckung deß rechten
Wort-Verſtandes nicht gnug; wiewol das Letzte der Bedeutung doch
noch etwas naͤher kommt/ als das Erſte. Darum gebrauche ich mich

lieber
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[808/0858] Der ſiebenzehende Discurs/ Schoͤnwald. Was mag doch wol die Urſach ſeyn/ daß die Son- ne/ um den Horizont/ groͤſſer ſchoinet/ als um den Mittag/ oder bey hei- terem Himmel? Goldſtern. Das macht die Refraction deß Liechts. Denn weil ein dicker durchſichtiger Koͤrper/ als nemlich die irdiſche Duͤnſte und Daͤmpffe/ in der Mitte ſchwebet: ſo wird das Geſicht/ durch die Liechts- Refraction/ getaͤuſchet. Faſt auf gleiche Weiſe begegnet dieſer Frage Joannes de Sacro Boſco, in ſeiner Sphæra; und ſetzet/ zum Exempel/ die Zeit deß Winters und Regenwetters/ dabey es offt dicke Duͤnſte/ und Daͤmpffe gibt/ welche von der Erden ſich erheben/ und zwiſchen der Son- nen und unſrem Geſicht ins Mittel ziehen/ als ein durchſichtiger Koͤrper/ ſo die Schau-Stralen ausbreitet/ daß denſelben die Sonne groͤſſer fuͤr- geworffen wird/ in dem Auf- und Nidergange/ denn mitten am Himmel. Derſelbige/ und aus ihm Clavius/ erklaͤret/ mit einem/ im Waſſer ligen- dem/ Thaler/ auch die Urſach/ warum ſo wol die Sonne/ als andre Ge- ſtirne/ vor ihrem Aufgange/ ſchon geſehen werden. Denn wenn jemand/ mitten in ein groſſes Geſchirr/ einen Reichsthaler wuͤrffe/ hernach ſo weit/ von dem Geſchirr zuruͤck trette/ bis ihm der Thaler unſichtbar wor- den/ endlich ein andres helles Waſſer/ in das Geſchirr/ ſchuͤtten lieſſe; ſo wuͤrde ihm der Thaler wiederum erſcheinen. Mit welcher Antwort/ zu- gleich diejenige/ von ihm abgefertiget worden/ die ſich der unterſchiedli- chen Erſcheinung der Geſtirne/ zu einem Beweis/ haben bedienen wol- len/ daß entweder der Himmel nicht vollkoͤmmlich rund/ oder die Erde nicht in dem Centro der Welt ſeyn muͤſſte. Zu gedachter Refraction/ hilfft ohnezweiffel auch die unterſchiedliche Natur der Lufft etwas: und dieſelbe wuͤrde noch groͤſſer fallen/ wenn das Feuer/ wie zwar die Peripa- tetici waͤhnen/ unter dem Mond-Kreiſe ſeinen Sitz haͤtte/ und alſo drey- erley durchſichtige Koͤrper in der Natur waͤren/ Lufft/ Feuer/ und Him- mel Lufft. Schoͤnwald. Warum gibt uns der Herꝛ das Wort Refraction nicht Teutſch? Goldſtern. Weil ich beſorge/ die Herren doͤrfften mich alsdenn weniger verſtehen/ als wenn ich bey dieſem Lateiniſchem Kunſt-Worte bleibe. Eine weiland edle Blume unſerer Teutſchen Scribenten hat es genannt die Durchſtrahlung; ich aber/ ſo meine Gedaͤchtniß anders nicht fehlet/ habe es/ vor dieſem/ etliche mal den Strahl-Bruch ge- nannt. Beydes iſt aber undeutlich/ und zur Ausdruckung deß rechten Wort-Verſtandes nicht gnug; wiewol das Letzte der Bedeutung doch noch etwas naͤher kommt/ als das Erſte. Darum gebrauche ich mich lieber

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/858>, abgerufen am 28.07.2024.