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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Von der Sonnen.
Zeit; das andre/ von der Abend- oder Untergangs-Zeit. Vierdtens/
daß die Sonne selbiges Tages/ sechs Stunden gereiset/ vom Morgen bis
an den Mittag; und hier auf stillgestanden; wiederum/ sechs andre Stun-
den/ fortgangen/ und nochmals geruhet; solchem nach ihr Lauff/ zu bey-
den oder jeden mal/ sechs Stunden gewährt: Kommen also diese drey
Rabbinen/ in solchen vier Stücken/ überein: aber über der Zeit/ und Län[-]
ge deß Stillstandes/ sind sie nicht einig. Wie solches alles Abarbenel,
über das 10. Capitel deß Buch Josua/ mit mehrerm erzehlet.

Jetztgenannter Abarbenel aber beantwortet alle diese berührte Fra-
gen nacheinander ausführlich; verwirfft den Rabbi Levi Ben Gerson,
mit seinem wunderthätigem Intellectu agente, und bekennet/ GOtt sey
allein der Würcker aller Wunderwercke/ beydes im Himmel/ und auf
Erden. Er behauptet/ das Wunder sey eigentlich am Himmel/ gesche-
hen/ und die Sonne würcklich stillgestanden. Dem Einwurff/ daß die
Sonne natürlich nicht könne ruhen/ oder die Welt müsste vergehen; und/
weil die Sonne Kugel-rund/ müsse sie nothwendig sich bewegen/ begegnet
er also: Solches geschicht alles/ nach natürlicher Ordnung: Wenns
GOtt aber anders haben will/ so hindert nichts/ daß der Himmel/ und
aller Himmel Himmel still stehen solte/ so wol als der Erdboden; nichts
auch/ daß nicht das Runde ruhen/ hingegen das Viereckte lauffen mü-
ste. Denn das Wasser fleusst auch/ von Natur/ durch die Niederung/
wegen seiner Schwerheit: und ist doch/ wunderbarer Weise/ über einen
Hauffen gestanden (a) u. s. f.

(a) Exod.
15. 8.

Uber den Rabbi Chasdai, verwundert er sich/ daß derselbe/ als ein
sonst fürtrefflicher Jsraeliter/ den Stillstand der Sonnen nicht glauben/
sondern lieber einen langsamern Gang daraus machen wollen. Und fragt:
Ob denn dieses wol/ oder der Natur nicht eben so unmöglich/ als jenes/
scheine? Da doch eine jegliche geringe Verändrung deß ordentlichen Lauffs
der himmlischen Körper/ von Natur/ ja so unmöglich; hingegen der Gött-
lichen Allmacht eins so möglich/ und leicht/ als das andre. Die Worte:
und verzoch unterzugehen/ erkläret er anders/ und verstehet sie nicht/
von einem langsamern/ sondern gantz eingestelltem Lauff; löset auch die
vermeinte Contradiction nachmals auf: Wie ich vielleicht hernach noch
wol werde erzehlen.

Uber der Frage/ von dem Anfange und Ende dieses Mirackels/ er-Um welche
Zeit die
Sonne
stillgestan-
den.

kläret er sich also. Der buchstabliche Verstand heiliger Schrifft gibt es/
daß der Anfang sey/ am Mittage/ geschehen; indem sie spricht: Die
Sonne stund mitten am Himmel.
Man möchte zwar sagen/ war-
um Josua diese Bitte gethan/ wenn die Sonne damals noch mitten am

Him-
U u u u u iij

Von der Sonnen.
Zeit; das andre/ von der Abend- oder Untergangs-Zeit. Vierdtens/
daß die Sonne ſelbiges Tages/ ſechs Stunden gereiſet/ vom Morgen bis
an den Mittag; und hier auf ſtillgeſtanden; wiederum/ ſechs andre Stun-
den/ fortgangen/ und nochmals geruhet; ſolchem nach ihr Lauff/ zu bey-
den oder jeden mal/ ſechs Stunden gewaͤhrt: Kommen alſo dieſe drey
Rabbinen/ in ſolchen vier Stuͤcken/ uͤberein: aber uͤber der Zeit/ und Laͤn[-]
ge deß Stillſtandes/ ſind ſie nicht einig. Wie ſolches alles Abarbenel,
uͤber das 10. Capitel deß Buch Joſua/ mit mehrerm erzehlet.

Jetztgenannter Abarbenel aber beantwortet alle dieſe beruͤhrte Fra-
gen nacheinander ausfuͤhrlich; verwirfft den Rabbi Levi Ben Gerſon,
mit ſeinem wunderthaͤtigem Intellectu agente, und bekennet/ GOtt ſey
allein der Wuͤrcker aller Wunderwercke/ beydes im Himmel/ und auf
Erden. Er behauptet/ das Wunder ſey eigentlich am Himmel/ geſche-
hen/ und die Sonne wuͤrcklich ſtillgeſtanden. Dem Einwurff/ daß die
Sonne natuͤrlich nicht koͤnne ruhen/ oder die Welt muͤſſte vergehen; und/
weil die Sonne Kugel-rund/ muͤſſe ſie nothwendig ſich bewegen/ begegnet
er alſo: Solches geſchicht alles/ nach natuͤrlicher Ordnung: Wenns
GOtt aber anders haben will/ ſo hindert nichts/ daß der Himmel/ und
aller Himmel Himmel ſtill ſtehen ſolte/ ſo wol als der Erdboden; nichts
auch/ daß nicht das Runde ruhen/ hingegen das Viereckte lauffen muͤ-
ſte. Denn das Waſſer fleuſſt auch/ von Natur/ durch die Niederung/
wegen ſeiner Schwerheit: und iſt doch/ wunderbarer Weiſe/ uͤber einen
Hauffen geſtanden (a) u. ſ. f.

(a) Exod.
15. 8.

Uber den Rabbi Chasdai, verwundert er ſich/ daß derſelbe/ als ein
ſonſt fuͤrtrefflicher Jſraeliter/ den Stillſtand der Sonnen nicht glauben/
ſondern lieber einen langſamern Gang daraus machen wollen. Und fragt:
Ob denn dieſes wol/ oder der Natur nicht eben ſo unmoͤglich/ als jenes/
ſcheine? Da doch eine jegliche geringe Veraͤndrung deß ordentlichen Lauffs
der himmliſchen Koͤrper/ von Natur/ ja ſo unmoͤglich; hingegen der Goͤtt-
lichen Allmacht eins ſo moͤglich/ und leicht/ als das andre. Die Worte:
und verzoch unterzugehen/ erklaͤret er anders/ und verſtehet ſie nicht/
von einem langſamern/ ſondern gantz eingeſtelltem Lauff; loͤſet auch die
vermeinte Contradiction nachmals auf: Wie ich vielleicht hernach noch
wol werde erzehlen.

Uber der Frage/ von dem Anfange und Ende dieſes Mirackels/ er-Um welche
Zeit die
Sonne
ſtillgeſtan-
den.

klaͤret er ſich alſo. Der buchſtabliche Verſtand heiliger Schrifft gibt es/
daß der Anfang ſey/ am Mittage/ geſchehen; indem ſie ſpricht: Die
Sonne ſtund mitten am Himmel.
Man moͤchte zwar ſagen/ war-
um Joſua dieſe Bitte gethan/ wenn die Sonne damals noch mitten am

Him-
U u u u u iij
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[893/0943] Von der Sonnen. Zeit; das andre/ von der Abend- oder Untergangs-Zeit. Vierdtens/ daß die Sonne ſelbiges Tages/ ſechs Stunden gereiſet/ vom Morgen bis an den Mittag; und hier auf ſtillgeſtanden; wiederum/ ſechs andre Stun- den/ fortgangen/ und nochmals geruhet; ſolchem nach ihr Lauff/ zu bey- den oder jeden mal/ ſechs Stunden gewaͤhrt: Kommen alſo dieſe drey Rabbinen/ in ſolchen vier Stuͤcken/ uͤberein: aber uͤber der Zeit/ und Laͤn- ge deß Stillſtandes/ ſind ſie nicht einig. Wie ſolches alles Abarbenel, uͤber das 10. Capitel deß Buch Joſua/ mit mehrerm erzehlet. Jetztgenannter Abarbenel aber beantwortet alle dieſe beruͤhrte Fra- gen nacheinander ausfuͤhrlich; verwirfft den Rabbi Levi Ben Gerſon, mit ſeinem wunderthaͤtigem Intellectu agente, und bekennet/ GOtt ſey allein der Wuͤrcker aller Wunderwercke/ beydes im Himmel/ und auf Erden. Er behauptet/ das Wunder ſey eigentlich am Himmel/ geſche- hen/ und die Sonne wuͤrcklich ſtillgeſtanden. Dem Einwurff/ daß die Sonne natuͤrlich nicht koͤnne ruhen/ oder die Welt muͤſſte vergehen; und/ weil die Sonne Kugel-rund/ muͤſſe ſie nothwendig ſich bewegen/ begegnet er alſo: Solches geſchicht alles/ nach natuͤrlicher Ordnung: Wenns GOtt aber anders haben will/ ſo hindert nichts/ daß der Himmel/ und aller Himmel Himmel ſtill ſtehen ſolte/ ſo wol als der Erdboden; nichts auch/ daß nicht das Runde ruhen/ hingegen das Viereckte lauffen muͤ- ſte. Denn das Waſſer fleuſſt auch/ von Natur/ durch die Niederung/ wegen ſeiner Schwerheit: und iſt doch/ wunderbarer Weiſe/ uͤber einen Hauffen geſtanden (a) u. ſ. f. Uber den Rabbi Chasdai, verwundert er ſich/ daß derſelbe/ als ein ſonſt fuͤrtrefflicher Jſraeliter/ den Stillſtand der Sonnen nicht glauben/ ſondern lieber einen langſamern Gang daraus machen wollen. Und fragt: Ob denn dieſes wol/ oder der Natur nicht eben ſo unmoͤglich/ als jenes/ ſcheine? Da doch eine jegliche geringe Veraͤndrung deß ordentlichen Lauffs der himmliſchen Koͤrper/ von Natur/ ja ſo unmoͤglich; hingegen der Goͤtt- lichen Allmacht eins ſo moͤglich/ und leicht/ als das andre. Die Worte: und verzoch unterzugehen/ erklaͤret er anders/ und verſtehet ſie nicht/ von einem langſamern/ ſondern gantz eingeſtelltem Lauff; loͤſet auch die vermeinte Contradiction nachmals auf: Wie ich vielleicht hernach noch wol werde erzehlen. Uber der Frage/ von dem Anfange und Ende dieſes Mirackels/ er- klaͤret er ſich alſo. Der buchſtabliche Verſtand heiliger Schrifft gibt es/ daß der Anfang ſey/ am Mittage/ geſchehen; indem ſie ſpricht: Die Sonne ſtund mitten am Himmel. Man moͤchte zwar ſagen/ war- um Joſua dieſe Bitte gethan/ wenn die Sonne damals noch mitten am Him- Um welche Zeit die Sonne ſtillgeſtan- den. U u u u u iij

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 893. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/943>, abgerufen am 23.12.2024.