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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der andre Discurs/ von der Welt/ und Leerheit.

Forell. Vielleicht meinet der Herr Gerike hiemit das Vacuum
Scaligeri,
dessen unser Herr Goldstern vorhin Meldung gethan.

Adlerhaupt. Es scheinet freylich/ als wolte es/ mit demselben/ eine
Verwandschafft stifften: aber doch ist es nicht einerley. Denn Scaliger/
ob er gleich/ auf gewisse Art/ ein Vacuum statuirt/ als eine Ursach der Be-
wegung; giebt demselben doch keinen würcklichen unbekörperten/ sondern
stets-beleibten Raum/ und hält es für einen solchen Raum/ darinn die
einander ausweichende Körper/ allezeit dergestalt abwechseln/ daß es im-
mer zu gefüllet wird. Dieser deß Herrn Gericken aetherischer Raum aber
will keinen andren Körper mehr erkennen. Doch giebt es nichts zubedeu-
ten/ wenn der Author nur den aetherischen Raum selbsten/ für einen Kör-
per erkennt. Denn so das geschicht/ mag er immerhin andre Körper aus-
schliessen: es wird dennoch keine solche rechte Leerheit/ oder purlautrer
Körper-loser Raum draus/ worüber die Frage waltet. Man nehme
gleich das Wort aether für die unbegreifflich zarte und subtilste Lufft; oder
für das fünffte Element: so lässt sichs doch nicht annulliren; es muß entwe-
der ein Geist/ oder Körper oder nichts seyn: denn ein Accidentkan es nicht
seyn. Ein Geist ist es nicht: Nichts ist es auch nicht: bleibt also übrig/
es sey ein Körper. Jst es ein Körper; wo bleibt denn das vermeinte vacu-
um?
nemlich ein solches Vacuum, welches vorbenamste gelehrte Künstler
zu erweisen/ und damit den Satz der alten Philosophen/ daß keine Leerheit/
Was eigent
lich AEther
zu seyn
scheine.
von der Natur/ gestattet werde/ umzuwerffen hoffen? Es sihet allerdings
glaubwürdigst/ daß ein überaus subtiler Körper/ so von allen dem
Dampff und Dunst/ womit unsere Lufft angefüllt/ gantz rein/ in der Na-
tur vorhanden sey/ welcher allen den Raum zwischen der Erden/ und dem
jenigen Himmel/ den die Scholastici Empyraeum nennen/ und für den
Sitz der Auserwählten ausgeben/ einnimt; alle andre Körper penetrirt/
oder durchdringet/ und in welchem alle andre Körper gleichsam bestehen:
Ein Körper/ sag ich/ der entweder keinem andren weicht/ sondern gantz
unbeweglich beharret; oder so fern je dessen ein Theil weicht/ gleich ein an-
dres in die Stelle folgt. Weil aber dieser Körper/ dieser himmlischer Lufft/
er sey gleich gantz allein und rein/ oder noch mit andren gar subtilen Hau-
chungen und Geisterlein/ so weit leichter sind/ denn die gemeine Lufft/ ver-
mischt/ allen Raum erfüllet/ und wenn andre Körper von ihrem Ort wei-
chen/ entweder unverruckt übrig bleibt; oder imfall er je endlich mit ruckt/
gleich ein andrer Theil solcher aetherischen Substantz wiederum nach- und in
den Platz ruckt: als kan man nicht behaupten/ daß in der Natur/ eine eini-
ge würckliche Leerheit (warum eigentlich der rechte Streit ist) zu finden.

Diesem nach halte ich billig Fuß/ bey denen/ welche keine solche Leer-

heit
Der andre Discurs/ von der Welt/ und Leerheit.

Forell. Vielleicht meinet der Herꝛ Gerike hiemit das Vacuum
Scaligeri,
deſſen unſer Herꝛ Goldſtern vorhin Meldung gethan.

Adlerhaupt. Es ſcheinet freylich/ als wolte es/ mit demſelben/ eine
Verwandſchafft ſtifften: aber doch iſt es nicht einerley. Denn Scaliger/
ob er gleich/ auf gewiſſe Art/ ein Vacuum ſtatuirt/ als eine Urſach der Be-
wegung; giebt demſelben doch keinen wuͤrcklichen unbekoͤrperten/ ſondern
ſtets-beleibten Raum/ und haͤlt es fuͤr einen ſolchen Raum/ darinn die
einander ausweichende Koͤrper/ allezeit dergeſtalt abwechſeln/ daß es im-
mer zu gefuͤllet wird. Dieſer deß Herꝛn Gericken ætheriſcher Raum aber
will keinen andren Koͤrper mehr erkennen. Doch giebt es nichts zubedeu-
ten/ wenn der Author nur den ætheriſchen Raum ſelbſten/ fuͤr einen Koͤr-
per erkennt. Denn ſo das geſchicht/ mag er immerhin andre Koͤrper aus-
ſchlieſſen: es wird dennoch keine ſolche rechte Leerheit/ oder purlautrer
Koͤrper-loſer Raum draus/ woruͤber die Frage waltet. Man nehme
gleich das Wort æther fuͤr die unbegreifflich zarte und ſubtilſte Lufft; oder
fuͤr das fuͤnffte Element: ſo laͤſſt ſichs doch nicht annulliren; es muß entwe-
der ein Geiſt/ oder Koͤrper oder nichts ſeyn: denn ein Accidentkan es nicht
ſeyn. Ein Geiſt iſt es nicht: Nichts iſt es auch nicht: bleibt alſo uͤbrig/
es ſey ein Koͤrper. Jſt es ein Koͤrper; wo bleibt denn das vermeinte vacu-
um?
nemlich ein ſolches Vacuum, welches vorbenamſte gelehrte Kuͤnſtler
zu erweiſen/ und damit den Satz der alten Philoſophen/ daß keine Leerheit/
Was eigent
lich Æther
zu ſeyn
ſcheine.
von der Natur/ geſtattet werde/ umzuwerffen hoffen? Es ſihet allerdings
glaubwuͤrdigſt/ daß ein uͤberaus ſubtiler Koͤrper/ ſo von allen dem
Dampff und Dunſt/ womit unſere Lufft angefuͤllt/ gantz rein/ in der Na-
tur vorhanden ſey/ welcher allen den Raum zwiſchen der Erden/ und dem
jenigen Himmel/ den die Scholaſtici Empyræum nennen/ und fuͤr den
Sitz der Auserwaͤhlten ausgeben/ einnimt; alle andre Koͤrper penetrirt/
oder durchdringet/ und in welchem alle andre Koͤrper gleichſam beſtehen:
Ein Koͤrper/ ſag ich/ der entweder keinem andren weicht/ ſondern gantz
unbeweglich beharret; oder ſo fern je deſſen ein Theil weicht/ gleich ein an-
dres in die Stelle folgt. Weil aber dieſer Koͤrper/ dieſer himmliſcher Lufft/
er ſey gleich gantz allein und rein/ oder noch mit andren gar ſubtilen Hau-
chungen und Geiſterlein/ ſo weit leichter ſind/ denn die gemeine Lufft/ ver-
miſcht/ allen Raum erfuͤllet/ und wenn andre Koͤrper von ihrem Ort wei-
chen/ entweder unverruckt uͤbrig bleibt; oder imfall er je endlich mit ruckt/
gleich ein andrer Theil ſolcher ætheriſchen Subſtantz wiedeꝛum nach- und in
den Platz ruckt: als kan man nicht behaupten/ daß in der Natur/ eine eini-
ge wuͤrckliche Leerheit (warum eigentlich der rechte Streit iſt) zu finden.

Dieſem nach halte ich billig Fuß/ bey denen/ welche keine ſolche Leer-

heit
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[72/0098] Der andre Discurs/ von der Welt/ und Leerheit. Forell. Vielleicht meinet der Herꝛ Gerike hiemit das Vacuum Scaligeri, deſſen unſer Herꝛ Goldſtern vorhin Meldung gethan. Adlerhaupt. Es ſcheinet freylich/ als wolte es/ mit demſelben/ eine Verwandſchafft ſtifften: aber doch iſt es nicht einerley. Denn Scaliger/ ob er gleich/ auf gewiſſe Art/ ein Vacuum ſtatuirt/ als eine Urſach der Be- wegung; giebt demſelben doch keinen wuͤrcklichen unbekoͤrperten/ ſondern ſtets-beleibten Raum/ und haͤlt es fuͤr einen ſolchen Raum/ darinn die einander ausweichende Koͤrper/ allezeit dergeſtalt abwechſeln/ daß es im- mer zu gefuͤllet wird. Dieſer deß Herꝛn Gericken ætheriſcher Raum aber will keinen andren Koͤrper mehr erkennen. Doch giebt es nichts zubedeu- ten/ wenn der Author nur den ætheriſchen Raum ſelbſten/ fuͤr einen Koͤr- per erkennt. Denn ſo das geſchicht/ mag er immerhin andre Koͤrper aus- ſchlieſſen: es wird dennoch keine ſolche rechte Leerheit/ oder purlautrer Koͤrper-loſer Raum draus/ woruͤber die Frage waltet. Man nehme gleich das Wort æther fuͤr die unbegreifflich zarte und ſubtilſte Lufft; oder fuͤr das fuͤnffte Element: ſo laͤſſt ſichs doch nicht annulliren; es muß entwe- der ein Geiſt/ oder Koͤrper oder nichts ſeyn: denn ein Accidentkan es nicht ſeyn. Ein Geiſt iſt es nicht: Nichts iſt es auch nicht: bleibt alſo uͤbrig/ es ſey ein Koͤrper. Jſt es ein Koͤrper; wo bleibt denn das vermeinte vacu- um? nemlich ein ſolches Vacuum, welches vorbenamſte gelehrte Kuͤnſtler zu erweiſen/ und damit den Satz der alten Philoſophen/ daß keine Leerheit/ von der Natur/ geſtattet werde/ umzuwerffen hoffen? Es ſihet allerdings glaubwuͤrdigſt/ daß ein uͤberaus ſubtiler Koͤrper/ ſo von allen dem Dampff und Dunſt/ womit unſere Lufft angefuͤllt/ gantz rein/ in der Na- tur vorhanden ſey/ welcher allen den Raum zwiſchen der Erden/ und dem jenigen Himmel/ den die Scholaſtici Empyræum nennen/ und fuͤr den Sitz der Auserwaͤhlten ausgeben/ einnimt; alle andre Koͤrper penetrirt/ oder durchdringet/ und in welchem alle andre Koͤrper gleichſam beſtehen: Ein Koͤrper/ ſag ich/ der entweder keinem andren weicht/ ſondern gantz unbeweglich beharret; oder ſo fern je deſſen ein Theil weicht/ gleich ein an- dres in die Stelle folgt. Weil aber dieſer Koͤrper/ dieſer himmliſcher Lufft/ er ſey gleich gantz allein und rein/ oder noch mit andren gar ſubtilen Hau- chungen und Geiſterlein/ ſo weit leichter ſind/ denn die gemeine Lufft/ ver- miſcht/ allen Raum erfuͤllet/ und wenn andre Koͤrper von ihrem Ort wei- chen/ entweder unverruckt uͤbrig bleibt; oder imfall er je endlich mit ruckt/ gleich ein andrer Theil ſolcher ætheriſchen Subſtantz wiedeꝛum nach- und in den Platz ruckt: als kan man nicht behaupten/ daß in der Natur/ eine eini- ge wuͤrckliche Leerheit (warum eigentlich der rechte Streit iſt) zu finden. Was eigent lich Æther zu ſeyn ſcheine. Dieſem nach halte ich billig Fuß/ bey denen/ welche keine ſolche Leer- heit

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/98>, abgerufen am 22.12.2024.