Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.ohne Verzögerung der Weg jenseit der Donau auf Linz erwählet/ und in möglichster Eile/ was zu Beschleunigung Dero Abreise nothwendig erachtet/ zusammen gepacket wurde; also daß beede Käiserliche Majestäten/ nebenst der Jungen Käilichen Herrschafft/ dem Frauenzimmer/ und ganzen Hofstab/ Abends um 8. Uhr/ durch das Burg-Thor/ über die Donau-Brücken/ auf Corneuburg/ daselbsten Nachtlager zu halten/ sich hinweg begeben: Nachdem vorhero sowol die Regiments-Verfassung/ als Kriegs-Anstalten/ mit allergnädigster Vorsorge versehen worden. Darauf dann/ bey der Burgerschaft und dem Pöbel/ die Forcht sich dergestalt vermehret / daß nach solcher Abreise jederman alle seine Gedanken allein auf die Flucht gewendet; und zwar mit solchem Getümmel und Unordnung/ daß es das Ansehen gewonnen/ als wann gar niemand der Stadt sich mehr anzunehmen/ sondern man dieselbe dem Feind zu einem wolzugerichteten Quartir einzuraumen/ und zu überlassen gesonnen wäre. Kutschen und Pferde rasselten auf allen Gassen: Wägen und Kärren waren in Wienn niemal weniger und theurer zu bekommen/ und höher gehalten/ als damal; Ja manche vornehme Dam/ fuhr mit ihren Kindern sanffter auf einem sal. ven. Dungwagen/ als vorher in einer Chesen. Die schönsten Häuser wurden von den Inwohnern verlassen/ angefüllet mit vortrefflichem Hausraht und Mobilien/ Wein/ Frucht/ und allem Uberfluß: Nur das kostbarste von Gold und Silber wurde zusammen gerafft/ und manche Wägen also überladen/ daß sie kaum/ ohne zerbrochene Räder/ über die Brucken passiren/ und hernach/ was nun anzufangen/ oder wohin sie sich wenden solten/ sich nicht besinnen konten. Wie dann nicht wenig von denen / so sich mit der Flucht zu lang verweilet/ denen blutdürstigen Tartarn zur Beute worden. Und zwar/ wer die damalige Beschaffenheit der Käiserlichen Residenz-Vestung Wienn vernünfftig überlegte/ konte diese Flucht weder widerrathen/ noch mißbilligen/ sondern unschwer ermessen/ daß dieselbe einer so grossen feindlichen Macht zu genugsamen Widerstand nicht gewachsen/ im Gegentheil mit Mannschaft/ Proviant und Kriegs-Rüstung gar schlecht versehen sey; allermassen über die Ordinari-Stadt-Guarnison/ so etwan in zwölfhundert Mann bestunde/ mehr nicht/ als tausend Käisersteinische Fußknechte sich darinnen befanden: Uber das die Stadt-Gräben noch nicht durgehends ausgeschoben / die Contrascarpen noch nicht verfertiget/ vielweniger mit Pallisaden besetzt/ auch die Stadt weder mit Fachinen noch Schanz-Körben/ noch hochnothwendigen Abschnitten versehen / sondern schier aller/ auch unentbehrlichsten Defensions-Mitteln/ entblösset ware. Nach Abzug Ihrer Käiserlichen Majestät/ sahe man nicht allein fast das ganze Viertel unter Wiener Wald/ im Rauch aufgehen/ sondern auch zu Nacht noch zwey unterschiedliche Feuersbrunsten nacheinander/ deren die erste zu Vischa am End/ die andere zu Schwöchat sich ereignet; welche denen/ zu Wienn hinterbliebenen Innwohnern/ den Rest ihrer Hoffnung vollend darnider geschlagen; ohne Verzögerung der Weg jenseit der Donau auf Linz erwählet/ und in möglichster Eile/ was zu Beschleunigung Dero Abreise nothwendig erachtet/ zusammen gepacket wurde; also daß beede Käiserliche Majestäten/ nebenst der Jungen Käilichen Herrschafft/ dem Frauenzimmer/ und ganzen Hofstab/ Abends um 8. Uhr/ durch das Burg-Thor/ über die Donau-Brücken/ auf Corneuburg/ daselbsten Nachtlager zu halten/ sich hinweg begeben: Nachdem vorhero sowol die Regiments-Verfassung/ als Kriegs-Anstalten/ mit allergnädigster Vorsorge versehen worden. Darauf dann/ bey der Burgerschaft und dem Pöbel/ die Forcht sich dergestalt vermehret / daß nach solcher Abreise jederman alle seine Gedanken allein auf die Flucht gewendet; und zwar mit solchem Getümmel und Unordnung/ daß es das Ansehen gewonnen/ als wann gar niemand der Stadt sich mehr anzunehmen/ sondern man dieselbe dem Feind zu einem wolzugerichteten Quartir einzuraumen/ und zu überlassen gesonnen wäre. Kutschen und Pferde rasselten auf allen Gassen: Wägen und Kärren waren in Wienn niemal weniger und theurer zu bekommen/ und höher gehalten/ als damal; Ja manche vornehme Dam/ fuhr mit ihren Kindern sanffter auf einem sal. ven. Dungwagen/ als vorher in einer Chesen. Die schönsten Häuser wurden von den Inwohnern verlassen/ angefüllet mit vortrefflichem Hausraht und Mobilien/ Wein/ Frucht/ und allem Uberfluß: Nur das kostbarste von Gold und Silber wurde zusammen gerafft/ und manche Wägen also überladen/ daß sie kaum/ ohne zerbrochene Räder/ über die Brucken passiren/ und hernach/ was nun anzufangen/ oder wohin sie sich wenden solten/ sich nicht besinnen konten. Wie dann nicht wenig von denen / so sich mit der Flucht zu lang verweilet/ denen blutdürstigen Tartarn zur Beute worden. Und zwar/ wer die damalige Beschaffenheit der Käiserlichen Residenz-Vestung Wienn vernünfftig überlegte/ konte diese Flucht weder widerrathen/ noch mißbilligen/ sondern unschwer ermessen/ daß dieselbe einer so grossen feindlichen Macht zu genugsamen Widerstand nicht gewachsen/ im Gegentheil mit Mannschaft/ Proviant und Kriegs-Rüstung gar schlecht versehen sey; allermassen über die Ordinari-Stadt-Guarnison/ so etwan in zwölfhundert Mann bestunde/ mehr nicht/ als tausend Käisersteinische Fußknechte sich dariñen befanden: Uber das die Stadt-Gräben noch nicht durgehends ausgeschoben / die Contrascarpen noch nicht verfertiget/ vielweniger mit Pallisaden besetzt/ auch die Stadt weder mit Fachinen noch Schanz-Körben/ noch hochnothwendigen Abschnitten versehen / sondern schier aller/ auch unentbehrlichsten Defensions-Mitteln/ entblösset ware. Nach Abzug Ihrer Käiserlichen Majestät/ sahe man nicht allein fast das ganze Viertel unter Wiener Wald/ im Rauch aufgehen/ sondern auch zu Nacht noch zwey unterschiedliche Feuersbrunsten nacheinander/ deren die erste zu Vischa am End/ die andere zu Schwöchat sich ereignet; welche denen/ zu Wienn hinterbliebenen Innwohnern/ den Rest ihrer Hoffnung vollend darnider geschlagen; <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0215" n="3"/> ohne Verzögerung der Weg jenseit der Donau auf Linz erwählet/ und in möglichster Eile/ was zu Beschleunigung Dero Abreise nothwendig erachtet/ zusammen gepacket wurde; also daß beede Käiserliche Majestäten/ nebenst der Jungen Käilichen Herrschafft/ dem Frauenzimmer/ und ganzen Hofstab/ Abends um 8. Uhr/ durch das Burg-Thor/ über die Donau-Brücken/ auf Corneuburg/ daselbsten Nachtlager zu halten/ sich hinweg begeben: Nachdem vorhero sowol die Regiments-Verfassung/ als Kriegs-Anstalten/ mit allergnädigster Vorsorge versehen worden.</p> <p>Darauf dann/ bey der Burgerschaft und dem Pöbel/ die Forcht sich dergestalt vermehret / daß nach solcher Abreise jederman alle seine Gedanken allein auf die Flucht gewendet; und zwar mit solchem Getümmel und Unordnung/ daß es das Ansehen gewonnen/ als wann gar niemand der Stadt sich mehr anzunehmen/ sondern man dieselbe dem Feind zu einem wolzugerichteten Quartir einzuraumen/ und zu überlassen gesonnen wäre. Kutschen und Pferde rasselten auf allen Gassen: Wägen und Kärren waren in Wienn niemal weniger und theurer zu bekommen/ und höher gehalten/ als damal; Ja manche vornehme Dam/ fuhr mit ihren Kindern sanffter auf einem sal. ven. Dungwagen/ als vorher in einer Chesen. Die schönsten Häuser wurden von den Inwohnern verlassen/ angefüllet mit vortrefflichem Hausraht und Mobilien/ Wein/ Frucht/ und allem Uberfluß: Nur das kostbarste von Gold und Silber wurde zusammen gerafft/ und manche Wägen also überladen/ daß sie kaum/ ohne zerbrochene Räder/ über die Brucken passiren/ und hernach/ was nun anzufangen/ oder wohin sie sich wenden solten/ sich nicht besinnen konten. Wie dann nicht wenig von denen / so sich mit der Flucht zu lang verweilet/ denen blutdürstigen Tartarn zur Beute worden. Und zwar/ wer die damalige Beschaffenheit der Käiserlichen Residenz-Vestung Wienn vernünfftig überlegte/ konte diese Flucht weder widerrathen/ noch mißbilligen/ sondern unschwer ermessen/ daß dieselbe einer so grossen feindlichen Macht zu genugsamen Widerstand nicht gewachsen/ im Gegentheil mit Mannschaft/ Proviant und Kriegs-Rüstung gar schlecht versehen sey; allermassen über die Ordinari-Stadt-Guarnison/ so etwan in zwölfhundert Mann bestunde/ mehr nicht/ als tausend Käisersteinische Fußknechte sich dariñen befanden: Uber das die Stadt-Gräben noch nicht durgehends ausgeschoben / die Contrascarpen noch nicht verfertiget/ vielweniger mit Pallisaden besetzt/ auch die Stadt weder mit Fachinen noch Schanz-Körben/ noch hochnothwendigen Abschnitten versehen / sondern schier aller/ auch unentbehrlichsten Defensions-Mitteln/ entblösset ware.</p> <p>Nach Abzug Ihrer Käiserlichen Majestät/ sahe man nicht allein fast das ganze Viertel unter Wiener Wald/ im Rauch aufgehen/ sondern auch zu Nacht noch zwey unterschiedliche Feuersbrunsten nacheinander/ deren die erste zu Vischa am End/ die andere zu Schwöchat sich ereignet; welche denen/ zu Wienn hinterbliebenen Innwohnern/ den Rest ihrer Hoffnung vollend darnider geschlagen; </p> </div> </body> </text> </TEI> [3/0215]
ohne Verzögerung der Weg jenseit der Donau auf Linz erwählet/ und in möglichster Eile/ was zu Beschleunigung Dero Abreise nothwendig erachtet/ zusammen gepacket wurde; also daß beede Käiserliche Majestäten/ nebenst der Jungen Käilichen Herrschafft/ dem Frauenzimmer/ und ganzen Hofstab/ Abends um 8. Uhr/ durch das Burg-Thor/ über die Donau-Brücken/ auf Corneuburg/ daselbsten Nachtlager zu halten/ sich hinweg begeben: Nachdem vorhero sowol die Regiments-Verfassung/ als Kriegs-Anstalten/ mit allergnädigster Vorsorge versehen worden.
Darauf dann/ bey der Burgerschaft und dem Pöbel/ die Forcht sich dergestalt vermehret / daß nach solcher Abreise jederman alle seine Gedanken allein auf die Flucht gewendet; und zwar mit solchem Getümmel und Unordnung/ daß es das Ansehen gewonnen/ als wann gar niemand der Stadt sich mehr anzunehmen/ sondern man dieselbe dem Feind zu einem wolzugerichteten Quartir einzuraumen/ und zu überlassen gesonnen wäre. Kutschen und Pferde rasselten auf allen Gassen: Wägen und Kärren waren in Wienn niemal weniger und theurer zu bekommen/ und höher gehalten/ als damal; Ja manche vornehme Dam/ fuhr mit ihren Kindern sanffter auf einem sal. ven. Dungwagen/ als vorher in einer Chesen. Die schönsten Häuser wurden von den Inwohnern verlassen/ angefüllet mit vortrefflichem Hausraht und Mobilien/ Wein/ Frucht/ und allem Uberfluß: Nur das kostbarste von Gold und Silber wurde zusammen gerafft/ und manche Wägen also überladen/ daß sie kaum/ ohne zerbrochene Räder/ über die Brucken passiren/ und hernach/ was nun anzufangen/ oder wohin sie sich wenden solten/ sich nicht besinnen konten. Wie dann nicht wenig von denen / so sich mit der Flucht zu lang verweilet/ denen blutdürstigen Tartarn zur Beute worden. Und zwar/ wer die damalige Beschaffenheit der Käiserlichen Residenz-Vestung Wienn vernünfftig überlegte/ konte diese Flucht weder widerrathen/ noch mißbilligen/ sondern unschwer ermessen/ daß dieselbe einer so grossen feindlichen Macht zu genugsamen Widerstand nicht gewachsen/ im Gegentheil mit Mannschaft/ Proviant und Kriegs-Rüstung gar schlecht versehen sey; allermassen über die Ordinari-Stadt-Guarnison/ so etwan in zwölfhundert Mann bestunde/ mehr nicht/ als tausend Käisersteinische Fußknechte sich dariñen befanden: Uber das die Stadt-Gräben noch nicht durgehends ausgeschoben / die Contrascarpen noch nicht verfertiget/ vielweniger mit Pallisaden besetzt/ auch die Stadt weder mit Fachinen noch Schanz-Körben/ noch hochnothwendigen Abschnitten versehen / sondern schier aller/ auch unentbehrlichsten Defensions-Mitteln/ entblösset ware.
Nach Abzug Ihrer Käiserlichen Majestät/ sahe man nicht allein fast das ganze Viertel unter Wiener Wald/ im Rauch aufgehen/ sondern auch zu Nacht noch zwey unterschiedliche Feuersbrunsten nacheinander/ deren die erste zu Vischa am End/ die andere zu Schwöchat sich ereignet; welche denen/ zu Wienn hinterbliebenen Innwohnern/ den Rest ihrer Hoffnung vollend darnider geschlagen;
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Zitationshilfe: | Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/215>, abgerufen am 16.07.2024. |