wohlgemuth eine patriarchalische Mischung gestatten durfte, und morgen ohne Aergerniß eine kastische Gränze zog. Nicht dem wohlhäbigsten Kaufmann oder Gewerbtreibenden würde es eingefallen sein, sich in die adlige Societät zu drängen, welche sich Donnerstag Nachmittags in des Kellermeisters erpachtetem Schlo߬ garten versammelte. Nicht die freudenarmste und töch¬ terreichste adlige Wittib würde in der bürgerlichen Ge¬ sellschaft, die sich Montags unter den nämlichen Lauben ergötzte, eine frohe Stunde, oder gar einen Freier für ihre Fräulein gesucht haben. Die bürgerlichen Ho¬ noratioren: Beamte, Prediger, Aerzte gehörten zwar beiden Reunionen an, ohne jedoch eine Kette zwischen ihnen zu bilden, und ohne von den Donnerstäglern anders als unvermeidliche Füllung betrachtet zu werden. Geschmack und Bildung waren wesentlich die nämlichen und so konnte das Unterhaltungsmaterial Donnerstags wie Montags auch nur das nämliche sein. Die Herren kegelten, kannegießerten, spielten -- meist mit deutschen -- Karten, und schlürften des Kellermeisters saures Landgewächs; das schöne Geschlecht strickte, tunkte selbstgebackenes Kuchenwerk in einen dünnen Milch¬ kaffee und glossirte: die Montägler über die Donners¬ tägler und vice versa. An Winterabenden wurde
wohlgemuth eine patriarchaliſche Miſchung geſtatten durfte, und morgen ohne Aergerniß eine kaſtiſche Gränze zog. Nicht dem wohlhäbigſten Kaufmann oder Gewerbtreibenden würde es eingefallen ſein, ſich in die adlige Societät zu drängen, welche ſich Donnerſtag Nachmittags in des Kellermeiſters erpachtetem Schlo߬ garten verſammelte. Nicht die freudenarmſte und töch¬ terreichſte adlige Wittib würde in der bürgerlichen Ge¬ ſellſchaft, die ſich Montags unter den nämlichen Lauben ergötzte, eine frohe Stunde, oder gar einen Freier für ihre Fräulein geſucht haben. Die bürgerlichen Ho¬ noratioren: Beamte, Prediger, Aerzte gehörten zwar beiden Reunionen an, ohne jedoch eine Kette zwiſchen ihnen zu bilden, und ohne von den Donnerſtäglern anders als unvermeidliche Füllung betrachtet zu werden. Geſchmack und Bildung waren weſentlich die nämlichen und ſo konnte das Unterhaltungsmaterial Donnerſtags wie Montags auch nur das nämliche ſein. Die Herren kegelten, kannegießerten, ſpielten — meiſt mit deutſchen — Karten, und ſchlürften des Kellermeiſters ſaures Landgewächs; das ſchöne Geſchlecht ſtrickte, tunkte ſelbſtgebackenes Kuchenwerk in einen dünnen Milch¬ kaffee und gloſſirte: die Montägler über die Donners¬ tägler und vice versa. An Winterabenden wurde
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wohlgemuth eine patriarchaliſche Miſchung geſtatten
durfte, und morgen ohne Aergerniß eine kaſtiſche
Gränze zog. Nicht dem wohlhäbigſten Kaufmann
oder Gewerbtreibenden würde es eingefallen ſein, ſich
in die adlige Societät zu drängen, welche ſich Donnerſtag
Nachmittags in des Kellermeiſters erpachtetem Schlo߬
garten verſammelte. Nicht die freudenarmſte und töch¬
terreichſte adlige Wittib würde in der bürgerlichen Ge¬
ſellſchaft, die ſich Montags unter den nämlichen Lauben
ergötzte, eine frohe Stunde, oder gar einen Freier für
ihre Fräulein geſucht haben. Die bürgerlichen Ho¬
noratioren: Beamte, Prediger, Aerzte gehörten zwar
beiden Reunionen an, ohne jedoch eine Kette zwiſchen
ihnen zu bilden, und ohne von den Donnerſtäglern
anders als unvermeidliche Füllung betrachtet zu werden.
Geſchmack und Bildung waren weſentlich die nämlichen
und ſo konnte das Unterhaltungsmaterial Donnerſtags
wie Montags auch nur das nämliche ſein. Die Herren
kegelten, kannegießerten, ſpielten — meiſt mit deutſchen
— Karten, und ſchlürften des Kellermeiſters ſaures
Landgewächs; das ſchöne Geſchlecht ſtrickte, tunkte
ſelbſtgebackenes Kuchenwerk in einen dünnen Milch¬
kaffee und gloſſirte: die Montägler über die Donners¬
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/100>, abgerufen am 22.11.2024.
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