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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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strahlte das Augenpaar; freudenroth waren die Bäckchen
überhaupt. Ein Kind unter dem Lichterbaum! Braut
heißen und dabei frei sein; reich sein, schalten und
walten im eignen Haus, sich schmücken und tändeln
dürfen, -- all diese Herzenslust, -- und nicht ein
Fünkchen mehr, las ich mit einem Blick in diesen
lächelnden Zügen. In meinem Herzen brannte es
wie eine Scham.

Ob Siegmund Faber diesen jachen Zauber aus
tieferen Gründen gedeutet hat? Ich glaube es nicht.
Er kannte sie ja als ein Kind, liebte sie als ein Kind.
Er traute ja eben der frohen Unschuld einer Kinder¬
seele, dem Bande, das die Dankbarkeit webt, der Treue
der Pflicht in einem unentweihten Gemüth. Und er
fühlte sich der Mann, das Herz des Weibes zu er¬
obern, sobald er es als Eigenthum in Anspruch
nehmen durfte.

Wie dem auch sei: Siegmund Faber blickte jetzt
nicht mehr beklommen, sondern so froh und getrost
wie seine kleine Dorl. Er streckte die Hand zu ihr
hinüber und fragte lächelnd: "Nun, liebe Dorothee?"

Sie legte ihre Rechte in die seine und neigte das
Köpfchen zu einem glückseligen Ja.

"Sagen Sie Amen, Fräulein Hardine, als Zeu¬

ſtrahlte das Augenpaar; freudenroth waren die Bäckchen
überhaupt. Ein Kind unter dem Lichterbaum! Braut
heißen und dabei frei ſein; reich ſein, ſchalten und
walten im eignen Haus, ſich ſchmücken und tändeln
dürfen, — all dieſe Herzensluſt, — und nicht ein
Fünkchen mehr, las ich mit einem Blick in dieſen
lächelnden Zügen. In meinem Herzen brannte es
wie eine Scham.

Ob Siegmund Faber dieſen jachen Zauber aus
tieferen Gründen gedeutet hat? Ich glaube es nicht.
Er kannte ſie ja als ein Kind, liebte ſie als ein Kind.
Er traute ja eben der frohen Unſchuld einer Kinder¬
ſeele, dem Bande, das die Dankbarkeit webt, der Treue
der Pflicht in einem unentweihten Gemüth. Und er
fühlte ſich der Mann, das Herz des Weibes zu er¬
obern, ſobald er es als Eigenthum in Anſpruch
nehmen durfte.

Wie dem auch ſei: Siegmund Faber blickte jetzt
nicht mehr beklommen, ſondern ſo froh und getroſt
wie ſeine kleine Dorl. Er ſtreckte die Hand zu ihr
hinüber und fragte lächelnd: „Nun, liebe Dorothee?“

Sie legte ihre Rechte in die ſeine und neigte das
Köpfchen zu einem glückſeligen Ja.

„Sagen Sie Amen, Fräulein Hardine, als Zeu¬

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[139/0146] ſtrahlte das Augenpaar; freudenroth waren die Bäckchen überhaupt. Ein Kind unter dem Lichterbaum! Braut heißen und dabei frei ſein; reich ſein, ſchalten und walten im eignen Haus, ſich ſchmücken und tändeln dürfen, — all dieſe Herzensluſt, — und nicht ein Fünkchen mehr, las ich mit einem Blick in dieſen lächelnden Zügen. In meinem Herzen brannte es wie eine Scham. Ob Siegmund Faber dieſen jachen Zauber aus tieferen Gründen gedeutet hat? Ich glaube es nicht. Er kannte ſie ja als ein Kind, liebte ſie als ein Kind. Er traute ja eben der frohen Unſchuld einer Kinder¬ ſeele, dem Bande, das die Dankbarkeit webt, der Treue der Pflicht in einem unentweihten Gemüth. Und er fühlte ſich der Mann, das Herz des Weibes zu er¬ obern, ſobald er es als Eigenthum in Anſpruch nehmen durfte. Wie dem auch ſei: Siegmund Faber blickte jetzt nicht mehr beklommen, ſondern ſo froh und getroſt wie ſeine kleine Dorl. Er ſtreckte die Hand zu ihr hinüber und fragte lächelnd: „Nun, liebe Dorothee?“ Sie legte ihre Rechte in die ſeine und neigte das Köpfchen zu einem glückſeligen Ja. „Sagen Sie Amen, Fräulein Hardine, als Zeu¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/146>, abgerufen am 21.11.2024.