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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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wie das Holz gefällt und die Flößen nach dem Strome
geschleift wurden, sah Kohlenbrennen und Torfstechen,
die letzten Reste des Grummets, die Spätfrüchte der
Felder einheimsen. Ich sah die Aecker für die Win¬
tersaat neu bestellen, die der Stallhaft entlassenen
Heerden Wiesen und Brachen abweiden, sah des Wil¬
des freies, fröhliches Treiben im umhegten Revier.

Ich unterhielt mich mit Hirten, Arbeitern und
Aufsehern über einschlägiges Gebiet; schloß mit dem
alten, verständigen Oberförster Waldkameradschaft und
machte mich auch den übrigen Beamten bekannt. Das
frische, junge Blut, welches den Namen Reckenburg
trug, und so urplötzlich mit seiner Neugier aus dem
schweigsamen Schlosse in die Außenwelt drang, wurde
mit freundlichem Vertrauen aufgenommen; und frei¬
lich nicht am ersten Tage, aber mit der Zeit schwand
auch den armen Dörflern die Furcht, daß diese le¬
benskräftige Jugend unter dem Grabeshauche des ge¬
feiten Schlosses versteinern werde.

Reichere Ernte hatte ich keine Stunde in Christ¬
lieb Taube's Schulstube gehalten, heimischer mich keine
Stunde in der alten Baderei gefühlt, als bei dieser
ersten Wanderung durch die Reckenburger Flur, und
wie ich gegen Mittag nach dem Schlosse zurückkehrte,

wie das Holz gefällt und die Flößen nach dem Strome
geſchleift wurden, ſah Kohlenbrennen und Torfſtechen,
die letzten Reſte des Grummets, die Spätfrüchte der
Felder einheimſen. Ich ſah die Aecker für die Win¬
terſaat neu beſtellen, die der Stallhaft entlaſſenen
Heerden Wieſen und Brachen abweiden, ſah des Wil¬
des freies, fröhliches Treiben im umhegten Revier.

Ich unterhielt mich mit Hirten, Arbeitern und
Aufſehern über einſchlägiges Gebiet; ſchloß mit dem
alten, verſtändigen Oberförſter Waldkameradſchaft und
machte mich auch den übrigen Beamten bekannt. Das
friſche, junge Blut, welches den Namen Reckenburg
trug, und ſo urplötzlich mit ſeiner Neugier aus dem
ſchweigſamen Schloſſe in die Außenwelt drang, wurde
mit freundlichem Vertrauen aufgenommen; und frei¬
lich nicht am erſten Tage, aber mit der Zeit ſchwand
auch den armen Dörflern die Furcht, daß dieſe le¬
benskräftige Jugend unter dem Grabeshauche des ge¬
feiten Schloſſes verſteinern werde.

Reichere Ernte hatte ich keine Stunde in Chriſt¬
lieb Taube's Schulſtube gehalten, heimiſcher mich keine
Stunde in der alten Baderei gefühlt, als bei dieſer
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wie ich gegen Mittag nach dem Schloſſe zurückkehrte,

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[191/0198] wie das Holz gefällt und die Flößen nach dem Strome geſchleift wurden, ſah Kohlenbrennen und Torfſtechen, die letzten Reſte des Grummets, die Spätfrüchte der Felder einheimſen. Ich ſah die Aecker für die Win¬ terſaat neu beſtellen, die der Stallhaft entlaſſenen Heerden Wieſen und Brachen abweiden, ſah des Wil¬ des freies, fröhliches Treiben im umhegten Revier. Ich unterhielt mich mit Hirten, Arbeitern und Aufſehern über einſchlägiges Gebiet; ſchloß mit dem alten, verſtändigen Oberförſter Waldkameradſchaft und machte mich auch den übrigen Beamten bekannt. Das friſche, junge Blut, welches den Namen Reckenburg trug, und ſo urplötzlich mit ſeiner Neugier aus dem ſchweigſamen Schloſſe in die Außenwelt drang, wurde mit freundlichem Vertrauen aufgenommen; und frei¬ lich nicht am erſten Tage, aber mit der Zeit ſchwand auch den armen Dörflern die Furcht, daß dieſe le¬ benskräftige Jugend unter dem Grabeshauche des ge¬ feiten Schloſſes verſteinern werde. Reichere Ernte hatte ich keine Stunde in Chriſt¬ lieb Taube's Schulſtube gehalten, heimiſcher mich keine Stunde in der alten Baderei gefühlt, als bei dieſer erſten Wanderung durch die Reckenburger Flur, und wie ich gegen Mittag nach dem Schloſſe zurückkehrte,

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/198>, abgerufen am 22.11.2024.