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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Tante war nicht spröde, dieselben zu verwerthen.
Bald sah ich mich von der akademischen Lernfreiheit
in Comtoir und Schreibstube abgelenkt. Ich sagte
bereits, daß ich gleich in den ersten Tagen zum Dol¬
metscher ihrer mündlichen Befehle berufen ward. Die
knappe, präcise Art, mit welcher Meldung und Ge¬
genmeldung ausgerichtet wurden, nicht minder die
Schwäche, welche häufig genug die Feder aus der
Hand der unermüdlichen Greisin sinken ließ, erweck¬
ten den Versuch auch im schriftlichen Gebiet. Bald
vollzog ich unter ihrem Dictat die Anweisungen und
Antworten an Beamte, Gerichtshalter, Behörden und
so weiter; mit rascher, deutlicher Handschrift wurde in
wenigen Minuten expedirt, womit die zitternden Fin¬
ger sich tagelang abgequält hätten, und nach wenigen
glücklich gelösten Stylproben sah ich mich zum selbst¬
ständigen Secretair der Reckenburg aufgerückt.

Noch aber lag das Heiligthum des geheimni߬
vollen Cassabuchs unenthüllt auch vor meinen Blicken
und just für dieses Alpha und Omega ihres Tages¬
laufs bedurfte die glückliche Sammlerin am dringend¬
sten eines zuverlässigen Disponenten, so daß am Ende
auch aus dieser Noth eine Tugend gemacht werden mußte.

Ich will Euch, meine Freunde, nicht des Brei¬

Tante war nicht ſpröde, dieſelben zu verwerthen.
Bald ſah ich mich von der akademiſchen Lernfreiheit
in Comtoir und Schreibſtube abgelenkt. Ich ſagte
bereits, daß ich gleich in den erſten Tagen zum Dol¬
metſcher ihrer mündlichen Befehle berufen ward. Die
knappe, präciſe Art, mit welcher Meldung und Ge¬
genmeldung ausgerichtet wurden, nicht minder die
Schwäche, welche häufig genug die Feder aus der
Hand der unermüdlichen Greiſin ſinken ließ, erweck¬
ten den Verſuch auch im ſchriftlichen Gebiet. Bald
vollzog ich unter ihrem Dictat die Anweiſungen und
Antworten an Beamte, Gerichtshalter, Behörden und
ſo weiter; mit raſcher, deutlicher Handſchrift wurde in
wenigen Minuten expedirt, womit die zitternden Fin¬
ger ſich tagelang abgequält hätten, und nach wenigen
glücklich gelöſten Stylproben ſah ich mich zum ſelbſt¬
ſtändigen Secretair der Reckenburg aufgerückt.

Noch aber lag das Heiligthum des geheimni߬
vollen Caſſabuchs unenthüllt auch vor meinen Blicken
und juſt für dieſes Alpha und Omega ihres Tages¬
laufs bedurfte die glückliche Sammlerin am dringend¬
ſten eines zuverläſſigen Disponenten, ſo daß am Ende
auch aus dieſer Noth eine Tugend gemacht werden mußte.

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[199/0206] Tante war nicht ſpröde, dieſelben zu verwerthen. Bald ſah ich mich von der akademiſchen Lernfreiheit in Comtoir und Schreibſtube abgelenkt. Ich ſagte bereits, daß ich gleich in den erſten Tagen zum Dol¬ metſcher ihrer mündlichen Befehle berufen ward. Die knappe, präciſe Art, mit welcher Meldung und Ge¬ genmeldung ausgerichtet wurden, nicht minder die Schwäche, welche häufig genug die Feder aus der Hand der unermüdlichen Greiſin ſinken ließ, erweck¬ ten den Verſuch auch im ſchriftlichen Gebiet. Bald vollzog ich unter ihrem Dictat die Anweiſungen und Antworten an Beamte, Gerichtshalter, Behörden und ſo weiter; mit raſcher, deutlicher Handſchrift wurde in wenigen Minuten expedirt, womit die zitternden Fin¬ ger ſich tagelang abgequält hätten, und nach wenigen glücklich gelöſten Stylproben ſah ich mich zum ſelbſt¬ ſtändigen Secretair der Reckenburg aufgerückt. Noch aber lag das Heiligthum des geheimni߬ vollen Caſſabuchs unenthüllt auch vor meinen Blicken und juſt für dieſes Alpha und Omega ihres Tages¬ laufs bedurfte die glückliche Sammlerin am dringend¬ ſten eines zuverläſſigen Disponenten, ſo daß am Ende auch aus dieſer Noth eine Tugend gemacht werden mußte. Ich will Euch, meine Freunde, nicht des Brei¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/206>, abgerufen am 21.11.2024.