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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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ein erstes Jugendfest zu bereiten. Der Prinz war in
der Nacht angelangt und hatte die Einladung des Co¬
mite huldreichst acceptirt. "Ein Mann wie ein Bild!"
sagte der Vater, "sähe ihn Deine Gnädige, meine
Dine, sie bezahlte mit Zuckerlecken seine Schulden."

Nun hieß es alle Hände rühren. Schon früh
um neun erschien der Friseur. Kaum war der kunst¬
volle Thurmbau mit erster Kraft und Laune vollen¬
det, stellte auch schon Dörtchen sich ein, um die Taille
zu schnüren und die Points vor dem Busen festzuhef¬
ten. "O, das hat ja noch Zeit," sagte ich abwehrend.

"Ich muß mich doch aber auch anziehen, Fräu¬
lein Hardine," entgegnete die Kleine, "und noch früher
oben sein, als Sie."

"Du?" fragte ich verwundert.

"Ich helfe dem Vater nur ein wenig; der arme
Mann weiß nicht, wo ihm der Kopf steht, Fräulein
Hardine."

Dawider konnte nun im Grunde nichts einge¬
wendet werden. Ich ließ mich daher zur Wespe zu¬
sammenpressen und saß viele Stunden beklemmt und
mit noch rötherem Angesicht denn sonst im väterlichen
Lehnstuhl. Die Mama huschte zwischen Backofen und
Toilettentisch hin und wieder; der Papa hatte Noth,

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ein erſtes Jugendfeſt zu bereiten. Der Prinz war in
der Nacht angelangt und hatte die Einladung des Co¬
mité huldreichſt acceptirt. „Ein Mann wie ein Bild!“
ſagte der Vater, „ſähe ihn Deine Gnädige, meine
Dine, ſie bezahlte mit Zuckerlecken ſeine Schulden.“

Nun hieß es alle Hände rühren. Schon früh
um neun erſchien der Friſeur. Kaum war der kunſt¬
volle Thurmbau mit erſter Kraft und Laune vollen¬
det, ſtellte auch ſchon Dörtchen ſich ein, um die Taille
zu ſchnüren und die Points vor dem Buſen feſtzuhef¬
ten. „O, das hat ja noch Zeit,“ ſagte ich abwehrend.

„Ich muß mich doch aber auch anziehen, Fräu¬
lein Hardine,“ entgegnete die Kleine, „und noch früher
oben ſein, als Sie.“

„Du?“ fragte ich verwundert.

„Ich helfe dem Vater nur ein wenig; der arme
Mann weiß nicht, wo ihm der Kopf ſteht, Fräulein
Hardine.“

Dawider konnte nun im Grunde nichts einge¬
wendet werden. Ich ließ mich daher zur Wespe zu¬
ſammenpreſſen und ſaß viele Stunden beklemmt und
mit noch rötherem Angeſicht denn ſonſt im väterlichen
Lehnſtuhl. Die Mama huſchte zwiſchen Backofen und
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[227/0234] ein erſtes Jugendfeſt zu bereiten. Der Prinz war in der Nacht angelangt und hatte die Einladung des Co¬ mité huldreichſt acceptirt. „Ein Mann wie ein Bild!“ ſagte der Vater, „ſähe ihn Deine Gnädige, meine Dine, ſie bezahlte mit Zuckerlecken ſeine Schulden.“ Nun hieß es alle Hände rühren. Schon früh um neun erſchien der Friſeur. Kaum war der kunſt¬ volle Thurmbau mit erſter Kraft und Laune vollen¬ det, ſtellte auch ſchon Dörtchen ſich ein, um die Taille zu ſchnüren und die Points vor dem Buſen feſtzuhef¬ ten. „O, das hat ja noch Zeit,“ ſagte ich abwehrend. „Ich muß mich doch aber auch anziehen, Fräu¬ lein Hardine,“ entgegnete die Kleine, „und noch früher oben ſein, als Sie.“ „Du?“ fragte ich verwundert. „Ich helfe dem Vater nur ein wenig; der arme Mann weiß nicht, wo ihm der Kopf ſteht, Fräulein Hardine.“ Dawider konnte nun im Grunde nichts einge¬ wendet werden. Ich ließ mich daher zur Wespe zu¬ ſammenpreſſen und ſaß viele Stunden beklemmt und mit noch rötherem Angeſicht denn ſonſt im väterlichen Lehnſtuhl. Die Mama huſchte zwiſchen Backofen und Toilettentiſch hin und wieder; der Papa hatte Noth, 15*

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/234>, abgerufen am 16.05.2024.