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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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geliebtes Weib. Schütze es für mich, um meinetwillen,
Schwester Hardine!" flüsterte er, drückte mich an seine
Brust, -- und ich war wieder allein.

Wenige Minuten und ein Posthorn schmetterte.
Der letzte Laut verlor sich nach Westen hin. Gen
Morgen stieg die Sonne in die Höhe; heute nicht wie
damals in Reckenburg mir ein Gottesauge: ein leuch¬
tender Ball, der über Verzweiflung und Wonne, Ver¬
rath und Liebe mechanisch dahingleitet, klar und see¬
lenlos.

Auf dem Platze, wo ich saß, hatte vor Jahren ein
Freund um die Gespielin meiner Kindheit geworben
und mich als Bürgin für die Treue seines verlobten
Weibes angerufen. Auf dem nämlichen Platze, der
den Treuspruch gehört, war die Treue gebrochen wor¬
den, und hatte heute ein anderer Freund, der heimlich
die Lust meiner eignen Seele war, mir das treulose
Weib als Schwester an das Herz gelegt.

Es giebt Verhängnisse, die gesetzmäßig aus un¬
serem Sein erwachsen und doch jeder gesetzmäßigen
Lösung zu spotten scheinen. Das Rad des Schicksals
rollt hinweg über unseren Stümperwillen und in der
entscheidenden Stunde ist es nicht die Leuchte aller

geliebtes Weib. Schütze es für mich, um meinetwillen,
Schweſter Hardine!“ flüſterte er, drückte mich an ſeine
Bruſt, — und ich war wieder allein.

Wenige Minuten und ein Poſthorn ſchmetterte.
Der letzte Laut verlor ſich nach Weſten hin. Gen
Morgen ſtieg die Sonne in die Höhe; heute nicht wie
damals in Reckenburg mir ein Gottesauge: ein leuch¬
tender Ball, der über Verzweiflung und Wonne, Ver¬
rath und Liebe mechaniſch dahingleitet, klar und ſee¬
lenlos.

Auf dem Platze, wo ich ſaß, hatte vor Jahren ein
Freund um die Geſpielin meiner Kindheit geworben
und mich als Bürgin für die Treue ſeines verlobten
Weibes angerufen. Auf dem nämlichen Platze, der
den Treuſpruch gehört, war die Treue gebrochen wor¬
den, und hatte heute ein anderer Freund, der heimlich
die Luſt meiner eignen Seele war, mir das treuloſe
Weib als Schweſter an das Herz gelegt.

Es giebt Verhängniſſe, die geſetzmäßig aus un¬
ſerem Sein erwachſen und doch jeder geſetzmäßigen
Löſung zu ſpotten ſcheinen. Das Rad des Schickſals
rollt hinweg über unſeren Stümperwillen und in der
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[269/0276] geliebtes Weib. Schütze es für mich, um meinetwillen, Schweſter Hardine!“ flüſterte er, drückte mich an ſeine Bruſt, — und ich war wieder allein. Wenige Minuten und ein Poſthorn ſchmetterte. Der letzte Laut verlor ſich nach Weſten hin. Gen Morgen ſtieg die Sonne in die Höhe; heute nicht wie damals in Reckenburg mir ein Gottesauge: ein leuch¬ tender Ball, der über Verzweiflung und Wonne, Ver¬ rath und Liebe mechaniſch dahingleitet, klar und ſee¬ lenlos. Auf dem Platze, wo ich ſaß, hatte vor Jahren ein Freund um die Geſpielin meiner Kindheit geworben und mich als Bürgin für die Treue ſeines verlobten Weibes angerufen. Auf dem nämlichen Platze, der den Treuſpruch gehört, war die Treue gebrochen wor¬ den, und hatte heute ein anderer Freund, der heimlich die Luſt meiner eignen Seele war, mir das treuloſe Weib als Schweſter an das Herz gelegt. Es giebt Verhängniſſe, die geſetzmäßig aus un¬ ſerem Sein erwachſen und doch jeder geſetzmäßigen Löſung zu ſpotten ſcheinen. Das Rad des Schickſals rollt hinweg über unſeren Stümperwillen und in der entſcheidenden Stunde iſt es nicht die Leuchte aller

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/276>, abgerufen am 21.11.2024.