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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Vater, nachdem er seinen Liebling umarmt hatte und
ging dann rasch dem jungen Manne nach, um seine
Thränen zu verbergen.

Bei dem Namen Hardine war es wie eine Sin¬
nestäuschung, wie ein Wahn, der das junge Weib
berückte. Unter convulsivischem Zucken stürzte sie zu
Boden und umklammerte der Mutter Kniee.

"Barmherzigkeit, Hardine!" schrie sie, "Barmher¬
zigkeit! Ich wollte ja nicht -- aber ich mußte!
Ich wollte ja reden, -- aber ich konnte nicht. --
Das Kind, das arme Waisenkind! Barmherzigkeit,
Hardine -- Barmherzigkeit -- um des Todten willen."

Die letzten Worte wurden kaum noch verständ¬
lich gelallt. Sie taumelte mit gebrochenen Augen rück¬
wärts über ein frisch geschaufeltes Grab. Faber stürzte
herbei und trug die Bewußtlose in den Wagen. Eine
Minute später rollten sie auf der Straße zur neuen
Heimath voran.


Vater, nachdem er ſeinen Liebling umarmt hatte und
ging dann raſch dem jungen Manne nach, um ſeine
Thränen zu verbergen.

Bei dem Namen Hardine war es wie eine Sin¬
nestäuſchung, wie ein Wahn, der das junge Weib
berückte. Unter convulſiviſchem Zucken ſtürzte ſie zu
Boden und umklammerte der Mutter Kniee.

„Barmherzigkeit, Hardine!“ ſchrie ſie, „Barmher¬
zigkeit! Ich wollte ja nicht — aber ich mußte!
Ich wollte ja reden, — aber ich konnte nicht. —
Das Kind, das arme Waiſenkind! Barmherzigkeit,
Hardine — Barmherzigkeit — um des Todten willen.“

Die letzten Worte wurden kaum noch verſtänd¬
lich gelallt. Sie taumelte mit gebrochenen Augen rück¬
wärts über ein friſch geſchaufeltes Grab. Faber ſtürzte
herbei und trug die Bewußtloſe in den Wagen. Eine
Minute ſpäter rollten ſie auf der Straße zur neuen
Heimath voran.


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[106/0110] Vater, nachdem er ſeinen Liebling umarmt hatte und ging dann raſch dem jungen Manne nach, um ſeine Thränen zu verbergen. Bei dem Namen Hardine war es wie eine Sin¬ nestäuſchung, wie ein Wahn, der das junge Weib berückte. Unter convulſiviſchem Zucken ſtürzte ſie zu Boden und umklammerte der Mutter Kniee. „Barmherzigkeit, Hardine!“ ſchrie ſie, „Barmher¬ zigkeit! Ich wollte ja nicht — aber ich mußte! Ich wollte ja reden, — aber ich konnte nicht. — Das Kind, das arme Waiſenkind! Barmherzigkeit, Hardine — Barmherzigkeit — um des Todten willen.“ Die letzten Worte wurden kaum noch verſtänd¬ lich gelallt. Sie taumelte mit gebrochenen Augen rück¬ wärts über ein friſch geſchaufeltes Grab. Faber ſtürzte herbei und trug die Bewußtloſe in den Wagen. Eine Minute ſpäter rollten ſie auf der Straße zur neuen Heimath voran.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/110>, abgerufen am 24.11.2024.