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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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nicht ungünstig für das meine. Inmitten welterschüt¬
ternder Ereignisse blieben mir volle sechs Friedens¬
jahre für einen gründlichen Unterbau. Das Gut lag
seitab der großen Heerstraßen und fehlte es auch nicht
an Durchzügen, Lieferungen und Aushebungen, trug
man seine Lasten auch mit sauerem Gesicht, weil sie
sich Freunde nannten, die man als Feinde haßte:
mein Bauplan würde unter dem so hart um den Rest
seiner Selbstständigkeit ringenden Nachbarstaate nicht
gediehen sein wie unter dem ruhigen Vasallenthum
des unseren. Ihr kennt diesen Plan: Es galt die
reiche Cultur eines herrschaftlichen Grundbesitzes über
einen armen Gemeindeverband auszudehnen.

Wenn nun Kanäle und schützende Deiche, bequeme
Fahrstraßen, entsumpfte Brüche und wohlregulirte For¬
sten sich auch über die dörfliche Flur verbreiteten, wenn
zu allgemeinen Zwecken Bauholz gefällt, Ziegelöfen
errichtet wurden, Lasten von Bruchsteinen stromauf-
und abwärts landeten; wenn Schul- und Gotteshaus
aus dem Ruin erstanden und endlich an Stelle der
wüsten, ekelerregenden Hüttentrümmer reinliche Dorf¬
schaften sich ausbreiteten, die ich unter dem Gemein¬
namen "Reckenburg" zusammenfasse: so war Alles
das, was scheinbar als Resultat gefällig in die Au¬

nicht ungünſtig für das meine. Inmitten welterſchüt¬
ternder Ereigniſſe blieben mir volle ſechs Friedens¬
jahre für einen gründlichen Unterbau. Das Gut lag
ſeitab der großen Heerſtraßen und fehlte es auch nicht
an Durchzügen, Lieferungen und Aushebungen, trug
man ſeine Laſten auch mit ſauerem Geſicht, weil ſie
ſich Freunde nannten, die man als Feinde haßte:
mein Bauplan würde unter dem ſo hart um den Reſt
ſeiner Selbſtſtändigkeit ringenden Nachbarſtaate nicht
gediehen ſein wie unter dem ruhigen Vaſallenthum
des unſeren. Ihr kennt dieſen Plan: Es galt die
reiche Cultur eines herrſchaftlichen Grundbeſitzes über
einen armen Gemeindeverband auszudehnen.

Wenn nun Kanäle und ſchützende Deiche, bequeme
Fahrſtraßen, entſumpfte Brüche und wohlregulirte For¬
ſten ſich auch über die dörfliche Flur verbreiteten, wenn
zu allgemeinen Zwecken Bauholz gefällt, Ziegelöfen
errichtet wurden, Laſten von Bruchſteinen ſtromauf-
und abwärts landeten; wenn Schul- und Gotteshaus
aus dem Ruin erſtanden und endlich an Stelle der
wüſten, ekelerregenden Hüttentrümmer reinliche Dorf¬
ſchaften ſich ausbreiteten, die ich unter dem Gemein¬
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[155/0159] nicht ungünſtig für das meine. Inmitten welterſchüt¬ ternder Ereigniſſe blieben mir volle ſechs Friedens¬ jahre für einen gründlichen Unterbau. Das Gut lag ſeitab der großen Heerſtraßen und fehlte es auch nicht an Durchzügen, Lieferungen und Aushebungen, trug man ſeine Laſten auch mit ſauerem Geſicht, weil ſie ſich Freunde nannten, die man als Feinde haßte: mein Bauplan würde unter dem ſo hart um den Reſt ſeiner Selbſtſtändigkeit ringenden Nachbarſtaate nicht gediehen ſein wie unter dem ruhigen Vaſallenthum des unſeren. Ihr kennt dieſen Plan: Es galt die reiche Cultur eines herrſchaftlichen Grundbeſitzes über einen armen Gemeindeverband auszudehnen. Wenn nun Kanäle und ſchützende Deiche, bequeme Fahrſtraßen, entſumpfte Brüche und wohlregulirte For¬ ſten ſich auch über die dörfliche Flur verbreiteten, wenn zu allgemeinen Zwecken Bauholz gefällt, Ziegelöfen errichtet wurden, Laſten von Bruchſteinen ſtromauf- und abwärts landeten; wenn Schul- und Gotteshaus aus dem Ruin erſtanden und endlich an Stelle der wüſten, ekelerregenden Hüttentrümmer reinliche Dorf¬ ſchaften ſich ausbreiteten, die ich unter dem Gemein¬ namen „Reckenburg“ zuſammenfaſſe: ſo war Alles das, was ſcheinbar als Reſultat gefällig in die Au¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/159>, abgerufen am 21.11.2024.