Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

auf sich warten und es war die Stelle, von welcher
man im lieben Vaterlande alle Hülfe beanspruchte,
zu der man sich selber nicht entschließen konnte, die
Allerhöchste, der man auch die Rettung von Fräulein
Hardinens Ehrenkrone zu verdanken hatte. Das Fräu¬
lein erhielt das Diplom einer Ehrenchanoinesse des
vornehmsten Damenstiftes der Monarchie und damit
die Prärogativen einer verheiratheten Frau. Sie machte
von dieser Sonderstellung keinen Gebrauch, nannte
sich und ließ sich nennen Fräulein von Reckenburg.
Man erzählte sich auch, daß sie eine gräfliche Erhe¬
bung ihres Wappenschildes dankbarlichst ausgeschlagen
habe. Sie schien sich darauf zu steifen, als Freifräu¬
lein in die Grube zu fahren. Die königliche Gunst¬
bezeugung wurde jedoch zum Signal, die Verun¬
glimpfung zu bezweifeln, oder großmüthig zu decken.

Ein tapferer Veteran der Befreiungskriege! von
plötzlichem Fieberwahnsinn befallen, hatte auf Recken¬
burg eine Pflegestatt und ein ehrenvolles Grab, seine
hülflose Waise hochherzige Versorgung gefunden.
Wehe dem, der Jahr und Tag nach dem verhängni߬
vollen Königsfeste eine andere Version über die große
Katastrophe hätte laut werden lassen! Fräulein Har¬
dine feierte weder heuer noch jemals später den dritten

auf ſich warten und es war die Stelle, von welcher
man im lieben Vaterlande alle Hülfe beanſpruchte,
zu der man ſich ſelber nicht entſchließen konnte, die
Allerhöchſte, der man auch die Rettung von Fräulein
Hardinens Ehrenkrone zu verdanken hatte. Das Fräu¬
lein erhielt das Diplom einer Ehrenchanoineſſe des
vornehmſten Damenſtiftes der Monarchie und damit
die Prärogativen einer verheiratheten Frau. Sie machte
von dieſer Sonderſtellung keinen Gebrauch, nannte
ſich und ließ ſich nennen Fräulein von Reckenburg.
Man erzählte ſich auch, daß ſie eine gräfliche Erhe¬
bung ihres Wappenſchildes dankbarlichſt ausgeſchlagen
habe. Sie ſchien ſich darauf zu ſteifen, als Freifräu¬
lein in die Grube zu fahren. Die königliche Gunſt¬
bezeugung wurde jedoch zum Signal, die Verun¬
glimpfung zu bezweifeln, oder großmüthig zu decken.

Ein tapferer Veteran der Befreiungskriege! von
plötzlichem Fieberwahnſinn befallen, hatte auf Recken¬
burg eine Pflegeſtatt und ein ehrenvolles Grab, ſeine
hülfloſe Waiſe hochherzige Verſorgung gefunden.
Wehe dem, der Jahr und Tag nach dem verhängni߬
vollen Königsfeſte eine andere Verſion über die große
Kataſtrophe hätte laut werden laſſen! Fräulein Har¬
dine feierte weder heuer noch jemals ſpäter den dritten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0221" n="217"/>
auf &#x017F;ich warten und es war die Stelle, von welcher<lb/>
man im lieben Vaterlande alle Hülfe bean&#x017F;pruchte,<lb/>
zu der man &#x017F;ich &#x017F;elber nicht ent&#x017F;chließen konnte, die<lb/>
Allerhöch&#x017F;te, der man auch die Rettung von Fräulein<lb/>
Hardinens Ehrenkrone zu verdanken hatte. Das Fräu¬<lb/>
lein erhielt das Diplom einer Ehrenchanoine&#x017F;&#x017F;e des<lb/>
vornehm&#x017F;ten Damen&#x017F;tiftes der Monarchie und damit<lb/>
die Prärogativen einer verheiratheten Frau. Sie machte<lb/>
von die&#x017F;er Sonder&#x017F;tellung keinen Gebrauch, nannte<lb/>
&#x017F;ich und ließ &#x017F;ich nennen Fräulein von Reckenburg.<lb/>
Man erzählte &#x017F;ich auch, daß &#x017F;ie eine gräfliche Erhe¬<lb/>
bung ihres Wappen&#x017F;childes dankbarlich&#x017F;t ausge&#x017F;chlagen<lb/>
habe. Sie &#x017F;chien &#x017F;ich darauf zu &#x017F;teifen, als Freifräu¬<lb/>
lein in die Grube zu fahren. Die königliche Gun&#x017F;<lb/>
bezeugung wurde jedoch zum Signal, die Verun¬<lb/>
glimpfung zu bezweifeln, oder großmüthig zu decken.<lb/></p>
        <p>Ein tapferer Veteran der Befreiungskriege! von<lb/>
plötzlichem Fieberwahn&#x017F;inn befallen, hatte auf Recken¬<lb/>
burg eine Pflege&#x017F;tatt und ein ehrenvolles Grab, &#x017F;eine<lb/>
hülflo&#x017F;e Wai&#x017F;e hochherzige Ver&#x017F;orgung gefunden.<lb/>
Wehe dem, der Jahr und Tag nach dem verhängni߬<lb/>
vollen Königsfe&#x017F;te eine andere Ver&#x017F;ion über die große<lb/>
Kata&#x017F;trophe hätte laut werden la&#x017F;&#x017F;en! Fräulein Har¬<lb/>
dine feierte weder heuer noch jemals &#x017F;päter den dritten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0221] auf ſich warten und es war die Stelle, von welcher man im lieben Vaterlande alle Hülfe beanſpruchte, zu der man ſich ſelber nicht entſchließen konnte, die Allerhöchſte, der man auch die Rettung von Fräulein Hardinens Ehrenkrone zu verdanken hatte. Das Fräu¬ lein erhielt das Diplom einer Ehrenchanoineſſe des vornehmſten Damenſtiftes der Monarchie und damit die Prärogativen einer verheiratheten Frau. Sie machte von dieſer Sonderſtellung keinen Gebrauch, nannte ſich und ließ ſich nennen Fräulein von Reckenburg. Man erzählte ſich auch, daß ſie eine gräfliche Erhe¬ bung ihres Wappenſchildes dankbarlichſt ausgeſchlagen habe. Sie ſchien ſich darauf zu ſteifen, als Freifräu¬ lein in die Grube zu fahren. Die königliche Gunſt¬ bezeugung wurde jedoch zum Signal, die Verun¬ glimpfung zu bezweifeln, oder großmüthig zu decken. Ein tapferer Veteran der Befreiungskriege! von plötzlichem Fieberwahnſinn befallen, hatte auf Recken¬ burg eine Pflegeſtatt und ein ehrenvolles Grab, ſeine hülfloſe Waiſe hochherzige Verſorgung gefunden. Wehe dem, der Jahr und Tag nach dem verhängni߬ vollen Königsfeſte eine andere Verſion über die große Kataſtrophe hätte laut werden laſſen! Fräulein Har¬ dine feierte weder heuer noch jemals ſpäter den dritten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/221
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/221>, abgerufen am 23.11.2024.