mein liebes Kind mit militairischen Evolutionen und diplomatischen Schachzügen unterhalten? oder soll ich ihm mit meiner ärztlichen Widerwart eine Gänsehaut erregen! Und Liebesschwüre, Liebesseufzer etwa? Ist es nicht der Superlativ aller Albernheit, das Heim¬ lichste, Unsagbarste der Menschenbrust in einen Ge¬ meinplatz umgesetzt, Schwarz auf Weiß durch die Welt zu jagen? Wie eingeschnürt sind die Kritzel¬ füßchen meiner kleinen Dorothee! Wie kann ich die Stunden zählen, in denen sie an ihrer Feder gekaut hat! Wo sind ihre Blumen und Vögel, ihr kindliches Tändelwerk? Wo ist eine Spur von dem, was in ihr und um sie wirklich lebt und webt? Da lobe ich mir das Täschchen und Beutelchen, die sie gestrickt. Sie sind mir stündlich zu Dienst und sehe ich sie, so sehe ich auch die flinken Fingerchen in ihrem Bereich. Das sind Thaten, weibliche Liebesthaten, mein Herr Ma¬ jor, und da ich sie nicht mit solchen aus meiner Praxis erwidern kann, thue ich wohl, mich meiner zärtlichen Treue nicht zu rühmen.
""Sie versichern mich, hochgeehrter Freund, der stillen Geduld des herrlichen Kindes, und ich kann Ihnen nicht aussprechen, wie es mich beglückt, mein schülerhaftes Experiment also gerechtfertigt zu sehen,
mein liebes Kind mit militairiſchen Evolutionen und diplomatiſchen Schachzügen unterhalten? oder ſoll ich ihm mit meiner ärztlichen Widerwart eine Gänſehaut erregen! Und Liebesſchwüre, Liebesſeufzer etwa? Iſt es nicht der Superlativ aller Albernheit, das Heim¬ lichſte, Unſagbarſte der Menſchenbruſt in einen Ge¬ meinplatz umgeſetzt, Schwarz auf Weiß durch die Welt zu jagen? Wie eingeſchnürt ſind die Kritzel¬ füßchen meiner kleinen Dorothee! Wie kann ich die Stunden zählen, in denen ſie an ihrer Feder gekaut hat! Wo ſind ihre Blumen und Vögel, ihr kindliches Tändelwerk? Wo iſt eine Spur von dem, was in ihr und um ſie wirklich lebt und webt? Da lobe ich mir das Täſchchen und Beutelchen, die ſie geſtrickt. Sie ſind mir ſtündlich zu Dienſt und ſehe ich ſie, ſo ſehe ich auch die flinken Fingerchen in ihrem Bereich. Das ſind Thaten, weibliche Liebesthaten, mein Herr Ma¬ jor, und da ich ſie nicht mit ſolchen aus meiner Praxis erwidern kann, thue ich wohl, mich meiner zärtlichen Treue nicht zu rühmen.
„„Sie verſichern mich, hochgeehrter Freund, der ſtillen Geduld des herrlichen Kindes, und ich kann Ihnen nicht ausſprechen, wie es mich beglückt, mein ſchülerhaftes Experiment alſo gerechtfertigt zu ſehen,
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mein liebes Kind mit militairiſchen Evolutionen und
diplomatiſchen Schachzügen unterhalten? oder ſoll ich
ihm mit meiner ärztlichen Widerwart eine Gänſehaut
erregen! Und Liebesſchwüre, Liebesſeufzer etwa? Iſt
es nicht der Superlativ aller Albernheit, das Heim¬
lichſte, Unſagbarſte der Menſchenbruſt in einen Ge¬
meinplatz umgeſetzt, Schwarz auf Weiß durch die
Welt zu jagen? Wie eingeſchnürt ſind die Kritzel¬
füßchen meiner kleinen Dorothee! Wie kann ich die
Stunden zählen, in denen ſie an ihrer Feder gekaut
hat! Wo ſind ihre Blumen und Vögel, ihr kindliches
Tändelwerk? Wo iſt eine Spur von dem, was in ihr
und um ſie wirklich lebt und webt? Da lobe ich mir
das Täſchchen und Beutelchen, die ſie geſtrickt. Sie
ſind mir ſtündlich zu Dienſt und ſehe ich ſie, ſo ſehe
ich auch die flinken Fingerchen in ihrem Bereich. Das
ſind Thaten, weibliche Liebesthaten, mein Herr Ma¬
jor, und da ich ſie nicht mit ſolchen aus meiner
Praxis erwidern kann, thue ich wohl, mich meiner
zärtlichen Treue nicht zu rühmen.
„„Sie verſichern mich, hochgeehrter Freund, der
ſtillen Geduld des herrlichen Kindes, und ich kann
Ihnen nicht ausſprechen, wie es mich beglückt, mein
ſchülerhaftes Experiment alſo gerechtfertigt zu ſehen,
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/51>, abgerufen am 16.02.2025.
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