Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.Jahren bei Champigny erschossen. Er hat eine La¬ Sie hatte die Augen tief gesenkt, während sie "Marianne," flüsterte er an ihrem Ohr, "liebst Ihre Antwort erstickte in seinen Küssen, die sie Jahren bei Champigny erſchoſſen. Er hat eine La¬ Sie hatte die Augen tief geſenkt, während ſie „Marianne,“ flüſterte er an ihrem Ohr, „liebſt Ihre Antwort erſtickte in ſeinen Küſſen, die ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0117" n="101"/> Jahren bei Champigny erſchoſſen. Er hat eine La¬<lb/> dung Schrot ins Geſicht bekommen, aus irgend einem<lb/> Mordwinkel, da er ſchon durch die Bruſt geſchoſſen<lb/> auf dem Krankenwagen lag. Iſt ſo in Blindheit ge¬<lb/> ſtorben. Ich war nicht da. Nun iſt mir's oft“ —</p><lb/> <p>Sie hatte die Augen tief geſenkt, während ſie<lb/> ſprach, — ſo merkte ſie nicht, daß er ſich erhoben<lb/> und zu ihrem Stuhl gefunden hatte. Sie fühlte ſich<lb/> plötzlich umſchlungen und an ein hochſchlagendes Herz<lb/> gedrückt.</p><lb/> <p>„Marianne,“ flüſterte er an ihrem Ohr, „liebſt<lb/> Du mich nur wie Deinen Bruder? Sag' —“</p><lb/> <p>Ihre Antwort erſtickte in ſeinen Küſſen, die ſie<lb/> erwiderte, rückhaltlos, hingegeben, während ihr heiße<lb/> Thränen entſtürzten, die Beider Wangen netzten. Ein¬<lb/> mal verſuchte ſie, ſich los zu reißen. „Aber bedenk,“<lb/> — flüſterte ſie. „Nichts, als daß Du mein, meine,<lb/> meine Marianne!“ Mit einem tiefen Seufzer ließ<lb/> ſie ſich wieder zurückfallen, und die Stunden verran¬<lb/> nen ihnen im wortloſen Ineinanderſtrömen. — Es<lb/> war dunkel geworden, tiefe Nacht. — Nun kam ein<lb/> ſchmaler Mondſtrahl irgendwo durch eine Spalte der<lb/> Vorhänge herein und flog wie ein Silberblitz über<lb/> Alfreds Antlitz. Wie ſchön er war in ſeiner Leiden¬<lb/> ſchaft! Marianne bebte zurück, erblaßte plötzlich,<lb/> ſchlaff ſanken ihre Arme von ihm ab. Es ergriff ſie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [101/0117]
Jahren bei Champigny erſchoſſen. Er hat eine La¬
dung Schrot ins Geſicht bekommen, aus irgend einem
Mordwinkel, da er ſchon durch die Bruſt geſchoſſen
auf dem Krankenwagen lag. Iſt ſo in Blindheit ge¬
ſtorben. Ich war nicht da. Nun iſt mir's oft“ —
Sie hatte die Augen tief geſenkt, während ſie
ſprach, — ſo merkte ſie nicht, daß er ſich erhoben
und zu ihrem Stuhl gefunden hatte. Sie fühlte ſich
plötzlich umſchlungen und an ein hochſchlagendes Herz
gedrückt.
„Marianne,“ flüſterte er an ihrem Ohr, „liebſt
Du mich nur wie Deinen Bruder? Sag' —“
Ihre Antwort erſtickte in ſeinen Küſſen, die ſie
erwiderte, rückhaltlos, hingegeben, während ihr heiße
Thränen entſtürzten, die Beider Wangen netzten. Ein¬
mal verſuchte ſie, ſich los zu reißen. „Aber bedenk,“
— flüſterte ſie. „Nichts, als daß Du mein, meine,
meine Marianne!“ Mit einem tiefen Seufzer ließ
ſie ſich wieder zurückfallen, und die Stunden verran¬
nen ihnen im wortloſen Ineinanderſtrömen. — Es
war dunkel geworden, tiefe Nacht. — Nun kam ein
ſchmaler Mondſtrahl irgendwo durch eine Spalte der
Vorhänge herein und flog wie ein Silberblitz über
Alfreds Antlitz. Wie ſchön er war in ſeiner Leiden¬
ſchaft! Marianne bebte zurück, erblaßte plötzlich,
ſchlaff ſanken ihre Arme von ihm ab. Es ergriff ſie
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