Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Auch dem schoß es roth über die Wangen. "O,
sie ist einzig," flüsterte er.

"Als ich sie da das erste Mal sah," fuhr der
Andere redselig fort, "dacht' ich: so ein wüstes Ge¬
sicht hast noch gar nimmer gesehen, und als ich mit
ihr geredet hatte und wegging, dacht' ich: so ein an¬
genehmes Frauenzimmer hast Du gewiß nimmer
gesehen."

Alfred war erbleicht.

"Ist sie so häßlich?" fragte er tonlos.

"Ich sag's ja, nein! ich seh's durchaus nicht
mehr; sowie sie redet, ist Alles Seele, und dazu diese
angenehme Stimm'! das gäb' eine exemplarische
Frau."

"Ja," sagte Alfred mechanisch.

Während der Arzt fortfuhr, ihre Wärterdienste
zu rühmen, sprang der Blinde plötzlich mit einer
Frage ein.

"Werde ich mein Augenlicht wiederbekommen,
Doktor?"

"Ich hoffe so, -- aber -- in diesem Fall lassen
Sie sich vorher trauen," er betonte das vorher
und lachte dazu, wie eben so ein Mann lacht, den es
nichts angeht.

"Sie irren sich," rief Alfred aus seiner widrigen
Empfindung heraus, "es ist nichts zwischen uns
Beiden."

Auch dem ſchoß es roth über die Wangen. „O,
ſie iſt einzig,“ flüſterte er.

„Als ich ſie da das erſte Mal ſah,“ fuhr der
Andere redſelig fort, „dacht' ich: ſo ein wüſtes Ge¬
ſicht haſt noch gar nimmer geſehen, und als ich mit
ihr geredet hatte und wegging, dacht' ich: ſo ein an¬
genehmes Frauenzimmer haſt Du gewiß nimmer
geſehen.“

Alfred war erbleicht.

„Iſt ſie ſo häßlich?“ fragte er tonlos.

„Ich ſag's ja, nein! ich ſeh's durchaus nicht
mehr; ſowie ſie redet, iſt Alles Seele, und dazu dieſe
angenehme Stimm'! das gäb' eine exemplariſche
Frau.“

„Ja,“ ſagte Alfred mechaniſch.

Während der Arzt fortfuhr, ihre Wärterdienſte
zu rühmen, ſprang der Blinde plötzlich mit einer
Frage ein.

„Werde ich mein Augenlicht wiederbekommen,
Doktor?“

„Ich hoffe ſo, — aber — in dieſem Fall laſſen
Sie ſich vorher trauen,“ er betonte das vorher
und lachte dazu, wie eben ſo ein Mann lacht, den es
nichts angeht.

„Sie irren ſich,“ rief Alfred aus ſeiner widrigen
Empfindung heraus, „es iſt nichts zwiſchen uns
Beiden.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0120" n="104"/>
        <p>Auch dem &#x017F;choß es roth über die Wangen. &#x201E;O,<lb/>
&#x017F;ie i&#x017F;t einzig,&#x201C; flü&#x017F;terte er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Als ich &#x017F;ie da das er&#x017F;te Mal &#x017F;ah,&#x201C; fuhr der<lb/>
Andere red&#x017F;elig fort, &#x201E;dacht' ich: &#x017F;o ein wü&#x017F;tes Ge¬<lb/>
&#x017F;icht ha&#x017F;t noch gar nimmer ge&#x017F;ehen, und als ich mit<lb/>
ihr geredet hatte und wegging, dacht' ich: &#x017F;o ein an¬<lb/>
genehmes Frauenzimmer ha&#x017F;t Du gewiß nimmer<lb/>
ge&#x017F;ehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Alfred war erbleicht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;I&#x017F;t &#x017F;ie &#x017F;o häßlich?&#x201C; fragte er tonlos.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich &#x017F;ag's ja, nein! ich &#x017F;eh's durchaus nicht<lb/>
mehr; &#x017F;owie &#x017F;ie redet, i&#x017F;t Alles Seele, und dazu die&#x017F;e<lb/>
angenehme Stimm'! das gäb' eine exemplari&#x017F;che<lb/>
Frau.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja,&#x201C; &#x017F;agte Alfred mechani&#x017F;ch.</p><lb/>
        <p>Während der Arzt fortfuhr, ihre Wärterdien&#x017F;te<lb/>
zu rühmen, &#x017F;prang der Blinde plötzlich mit einer<lb/>
Frage ein.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Werde ich mein Augenlicht wiederbekommen,<lb/>
Doktor?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich hoffe &#x017F;o, &#x2014; aber &#x2014; in die&#x017F;em Fall la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie &#x017F;ich <hi rendition="#g">vorher</hi> trauen,&#x201C; er betonte das <hi rendition="#g">vorher</hi><lb/>
und lachte dazu, wie eben &#x017F;o ein Mann lacht, den es<lb/>
nichts angeht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie irren &#x017F;ich,&#x201C; rief Alfred aus &#x017F;einer widrigen<lb/>
Empfindung heraus, &#x201E;es i&#x017F;t nichts zwi&#x017F;chen uns<lb/>
Beiden.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0120] Auch dem ſchoß es roth über die Wangen. „O, ſie iſt einzig,“ flüſterte er. „Als ich ſie da das erſte Mal ſah,“ fuhr der Andere redſelig fort, „dacht' ich: ſo ein wüſtes Ge¬ ſicht haſt noch gar nimmer geſehen, und als ich mit ihr geredet hatte und wegging, dacht' ich: ſo ein an¬ genehmes Frauenzimmer haſt Du gewiß nimmer geſehen.“ Alfred war erbleicht. „Iſt ſie ſo häßlich?“ fragte er tonlos. „Ich ſag's ja, nein! ich ſeh's durchaus nicht mehr; ſowie ſie redet, iſt Alles Seele, und dazu dieſe angenehme Stimm'! das gäb' eine exemplariſche Frau.“ „Ja,“ ſagte Alfred mechaniſch. Während der Arzt fortfuhr, ihre Wärterdienſte zu rühmen, ſprang der Blinde plötzlich mit einer Frage ein. „Werde ich mein Augenlicht wiederbekommen, Doktor?“ „Ich hoffe ſo, — aber — in dieſem Fall laſſen Sie ſich vorher trauen,“ er betonte das vorher und lachte dazu, wie eben ſo ein Mann lacht, den es nichts angeht. „Sie irren ſich,“ rief Alfred aus ſeiner widrigen Empfindung heraus, „es iſt nichts zwiſchen uns Beiden.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/120
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/120>, abgerufen am 21.11.2024.