Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.Er konnte den erstaunten Blick nicht sehen, den Die Empfindung, daß er zum zweiten Mal einen "Marianne, einzig Geliebte," rief er ihr ent¬ Er konnte nicht sehen, wie sie sich am Thür¬ Einen Augenblick schwieg er betroffen, dann Er konnte den erſtaunten Blick nicht ſehen, den Die Empfindung, daß er zum zweiten Mal einen „Marianne, einzig Geliebte,“ rief er ihr ent¬ Er konnte nicht ſehen, wie ſie ſich am Thür¬ Einen Augenblick ſchwieg er betroffen, dann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0121" n="105"/> <p>Er konnte den erſtaunten Blick nicht ſehen, den<lb/> der Doktor auf ihn warf, doch hörte er den unter¬<lb/> drückten Ausruf: „Nicht? Schade dafür! Schade<lb/> für Sie Beide,“ und blieb ſtill und beſchämt ſitzen.</p><lb/> <p>Die Empfindung, daß er zum zweiten Mal einen<lb/> Treubruch begangen, drückte ihn faſt zu Boden. Aber<lb/> dieſes Mal wollte er es gut machen, ohne Beſinnen,<lb/> an der feige Verleugneten ſelbſt, wollte, ſowie ſie ein¬<lb/> trete, fragen — da kam ſie ſchon.</p><lb/> <p>„Marianne, einzig Geliebte,“ rief er ihr ent¬<lb/> gegen, „ſag' mir in dieſem Augenblick, daß Du mein<lb/> Weib werden willſt!“</p><lb/> <p>Er konnte nicht ſehen, wie ſie ſich am Thür¬<lb/> pfoſten feſthielt und mit weitaufgeriſſenen Augen<lb/> in ſeinem heißen, ſonderbar bewegten Geſicht forſchte.<lb/> Doch mußte ſie etwas darin nicht gefunden haben,<lb/> denn ſie kam langſam näher, legte ihre kühle<lb/> Hand auf die rothe Schläfennarbe, unter der es<lb/> zuckte und hämmerte, und ſagte ruhig: „Wenn Du<lb/> nicht geſund biſt, ſo können wir nicht nach Schlier¬<lb/> ſee und müſſen noch warten.“</p><lb/> <p>Einen Augenblick ſchwieg er betroffen, dann<lb/> ſchrie er in herzzerreißendem Ton: „Ich will nicht<lb/> länger blind ſein! ich will Dein Geſicht ſehen! ich<lb/> will meine Augen wieder haben, meine Augen!<lb/> meine Augen!“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [105/0121]
Er konnte den erſtaunten Blick nicht ſehen, den
der Doktor auf ihn warf, doch hörte er den unter¬
drückten Ausruf: „Nicht? Schade dafür! Schade
für Sie Beide,“ und blieb ſtill und beſchämt ſitzen.
Die Empfindung, daß er zum zweiten Mal einen
Treubruch begangen, drückte ihn faſt zu Boden. Aber
dieſes Mal wollte er es gut machen, ohne Beſinnen,
an der feige Verleugneten ſelbſt, wollte, ſowie ſie ein¬
trete, fragen — da kam ſie ſchon.
„Marianne, einzig Geliebte,“ rief er ihr ent¬
gegen, „ſag' mir in dieſem Augenblick, daß Du mein
Weib werden willſt!“
Er konnte nicht ſehen, wie ſie ſich am Thür¬
pfoſten feſthielt und mit weitaufgeriſſenen Augen
in ſeinem heißen, ſonderbar bewegten Geſicht forſchte.
Doch mußte ſie etwas darin nicht gefunden haben,
denn ſie kam langſam näher, legte ihre kühle
Hand auf die rothe Schläfennarbe, unter der es
zuckte und hämmerte, und ſagte ruhig: „Wenn Du
nicht geſund biſt, ſo können wir nicht nach Schlier¬
ſee und müſſen noch warten.“
Einen Augenblick ſchwieg er betroffen, dann
ſchrie er in herzzerreißendem Ton: „Ich will nicht
länger blind ſein! ich will Dein Geſicht ſehen! ich
will meine Augen wieder haben, meine Augen!
meine Augen!“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |