Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

schwarzhaarige Maler und das verschleierte Fräulein,
das er an der Hand führte.

Als sie an Marianne vorüber kamen, grüßte
Wolff mit stummer Gebärde und deutete mit mitleid¬
fordernden Augen auf die zarte wankende Gestalt
neben sich.

Marianne blickte ihnen nach, so lange sie konnte.
Dann ging sie zu Alfred, der im Zimmer geblieben
war, und sagte, seine Hände fassend:

"Nun sind sie beisammen, nun darfst Du ruhig
sein." Dann erzählte sie. Alfred horchte gespannt,
endlich sagte er:

"Sie sind glücklich, aber es ist doch auch auf
einen schwarzen Grund gebaut."

"Die Erde, die wir treten, ist Moder," erwiderte
sie langsam, -- "es blühen aber doch Blumen darauf."

"Du hast einen seltsamen Gleichmuth, Marianne,"
rief er aus, "wie kannst Du all die Gegensätze so er¬
tragen?"

"Ich denk' halt, ich werd' nicht ewig leben,"
sagte sie gelassen, doch war ihr Gesicht nicht ganz so
ruhig, wie ihre Worte. --

Am andern Tage stand die erneute ärztliche
Untersuchung bevor; der Arzt, der seine Schwestern
zur Sommerfrische in Freudenberg hatte, benutzte die
Gelegenheit zu einem freien Sonntag Nachmittage.
Als er nach eingehender Beobachtung des Kranken

ſchwarzhaarige Maler und das verſchleierte Fräulein,
das er an der Hand führte.

Als ſie an Marianne vorüber kamen, grüßte
Wolff mit ſtummer Gebärde und deutete mit mitleid¬
fordernden Augen auf die zarte wankende Geſtalt
neben ſich.

Marianne blickte ihnen nach, ſo lange ſie konnte.
Dann ging ſie zu Alfred, der im Zimmer geblieben
war, und ſagte, ſeine Hände faſſend:

„Nun ſind ſie beiſammen, nun darfſt Du ruhig
ſein.“ Dann erzählte ſie. Alfred horchte geſpannt,
endlich ſagte er:

„Sie ſind glücklich, aber es iſt doch auch auf
einen ſchwarzen Grund gebaut.“

„Die Erde, die wir treten, iſt Moder,“ erwiderte
ſie langſam, — „es blühen aber doch Blumen darauf.“

„Du haſt einen ſeltſamen Gleichmuth, Marianne,“
rief er aus, „wie kannſt Du all die Gegenſätze ſo er¬
tragen?“

„Ich denk' halt, ich werd' nicht ewig leben,“
ſagte ſie gelaſſen, doch war ihr Geſicht nicht ganz ſo
ruhig, wie ihre Worte. —

Am andern Tage ſtand die erneute ärztliche
Unterſuchung bevor; der Arzt, der ſeine Schweſtern
zur Sommerfriſche in Freudenberg hatte, benutzte die
Gelegenheit zu einem freien Sonntag Nachmittage.
Als er nach eingehender Beobachtung des Kranken

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0136" n="120"/>
&#x017F;chwarzhaarige Maler und das ver&#x017F;chleierte Fräulein,<lb/>
das er an der Hand führte.</p><lb/>
        <p>Als &#x017F;ie an Marianne vorüber kamen, grüßte<lb/>
Wolff mit &#x017F;tummer Gebärde und deutete mit mitleid¬<lb/>
fordernden Augen auf die zarte wankende Ge&#x017F;talt<lb/>
neben &#x017F;ich.</p><lb/>
        <p>Marianne blickte ihnen nach, &#x017F;o lange &#x017F;ie konnte.<lb/>
Dann ging &#x017F;ie zu Alfred, der im Zimmer geblieben<lb/>
war, und &#x017F;agte, &#x017F;eine Hände fa&#x017F;&#x017F;end:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun &#x017F;ind &#x017F;ie bei&#x017F;ammen, nun darf&#x017F;t Du ruhig<lb/>
&#x017F;ein.&#x201C; Dann erzählte &#x017F;ie. Alfred horchte ge&#x017F;pannt,<lb/>
endlich &#x017F;agte er:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ind glücklich, aber es i&#x017F;t doch auch auf<lb/>
einen &#x017F;chwarzen Grund gebaut.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Erde, die wir treten, i&#x017F;t Moder,&#x201C; erwiderte<lb/>
&#x017F;ie lang&#x017F;am, &#x2014; &#x201E;es blühen aber doch Blumen darauf.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du ha&#x017F;t einen &#x017F;elt&#x017F;amen Gleichmuth, Marianne,&#x201C;<lb/>
rief er aus, &#x201E;wie kann&#x017F;t Du all die Gegen&#x017F;ätze &#x017F;o er¬<lb/>
tragen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich denk' halt, ich werd' nicht ewig leben,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie gela&#x017F;&#x017F;en, doch war ihr Ge&#x017F;icht nicht ganz &#x017F;o<lb/>
ruhig, wie ihre Worte. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Am andern Tage &#x017F;tand die erneute ärztliche<lb/>
Unter&#x017F;uchung bevor; der Arzt, der &#x017F;eine Schwe&#x017F;tern<lb/>
zur Sommerfri&#x017F;che in Freudenberg hatte, benutzte die<lb/>
Gelegenheit zu einem freien Sonntag Nachmittage.<lb/>
Als er nach eingehender Beobachtung des Kranken<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0136] ſchwarzhaarige Maler und das verſchleierte Fräulein, das er an der Hand führte. Als ſie an Marianne vorüber kamen, grüßte Wolff mit ſtummer Gebärde und deutete mit mitleid¬ fordernden Augen auf die zarte wankende Geſtalt neben ſich. Marianne blickte ihnen nach, ſo lange ſie konnte. Dann ging ſie zu Alfred, der im Zimmer geblieben war, und ſagte, ſeine Hände faſſend: „Nun ſind ſie beiſammen, nun darfſt Du ruhig ſein.“ Dann erzählte ſie. Alfred horchte geſpannt, endlich ſagte er: „Sie ſind glücklich, aber es iſt doch auch auf einen ſchwarzen Grund gebaut.“ „Die Erde, die wir treten, iſt Moder,“ erwiderte ſie langſam, — „es blühen aber doch Blumen darauf.“ „Du haſt einen ſeltſamen Gleichmuth, Marianne,“ rief er aus, „wie kannſt Du all die Gegenſätze ſo er¬ tragen?“ „Ich denk' halt, ich werd' nicht ewig leben,“ ſagte ſie gelaſſen, doch war ihr Geſicht nicht ganz ſo ruhig, wie ihre Worte. — Am andern Tage ſtand die erneute ärztliche Unterſuchung bevor; der Arzt, der ſeine Schweſtern zur Sommerfriſche in Freudenberg hatte, benutzte die Gelegenheit zu einem freien Sonntag Nachmittage. Als er nach eingehender Beobachtung des Kranken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/136
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/136>, abgerufen am 21.11.2024.