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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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und entschlossen wie immer. Er war auf dem Wege
nach München, -- es war ja so natürlich, daß er
all' die traurigen Geschäfte für die arme Hinterlassene
übernahm.

"Und der Bräutigum?" fragte Alfred.

Der Maler richtete sich straff auf: "Wir werden
ihm die Wege weisen, -- das gehört auch zu meinen
Geschäften, -- er hat sich übrigens bis jetzt noch nicht
gemeldet --"

"Glück auf den Weg!" riefen ihm die Freunde
nach, er wandte ihnen noch einmal das Gesicht zu;
es war tiefernst und doch sah es aus, als breche dort
schon das Glück aus allen Linien hervor.

Am nächsten Abend, als der Mond aufgegangen
war, führte der Kahn der Schifferin einen Sarg
herüber. Die ganze Dorfbewohnerschaft hielt sich still
am Strande. Marianne stand unter den Leuten und
sah mit Wohlgefallen, wie sich alle Häupter entblö߬
ten, als der schwarze Kasten herausgehoben ward,
und wie sich viele Hände nach der verschleierten klei¬
nen Dame ausstreckten, um ihr ans Land zu helfen.
Sie trug über ihrem bunten Kleide einen großen
dunklen Mantel, den ihr die Wirthin geborgt haben
mochte, denn er schlotterte um ihre feinen Glieder.
-- Ohne Besinnen trat eine Anzahl Männer heran,
schulterte den Sarg und trug ihn schweigend nach
dem Bahnhof. Es folgte Niemand als der blasse

und entſchloſſen wie immer. Er war auf dem Wege
nach München, — es war ja ſo natürlich, daß er
all' die traurigen Geſchäfte für die arme Hinterlaſſene
übernahm.

„Und der Bräutigum?“ fragte Alfred.

Der Maler richtete ſich ſtraff auf: „Wir werden
ihm die Wege weiſen, — das gehört auch zu meinen
Geſchäften, — er hat ſich übrigens bis jetzt noch nicht
gemeldet —“

„Glück auf den Weg!“ riefen ihm die Freunde
nach, er wandte ihnen noch einmal das Geſicht zu;
es war tiefernſt und doch ſah es aus, als breche dort
ſchon das Glück aus allen Linien hervor.

Am nächſten Abend, als der Mond aufgegangen
war, führte der Kahn der Schifferin einen Sarg
herüber. Die ganze Dorfbewohnerſchaft hielt ſich ſtill
am Strande. Marianne ſtand unter den Leuten und
ſah mit Wohlgefallen, wie ſich alle Häupter entblö߬
ten, als der ſchwarze Kaſten herausgehoben ward,
und wie ſich viele Hände nach der verſchleierten klei¬
nen Dame ausſtreckten, um ihr ans Land zu helfen.
Sie trug über ihrem bunten Kleide einen großen
dunklen Mantel, den ihr die Wirthin geborgt haben
mochte, denn er ſchlotterte um ihre feinen Glieder.
— Ohne Beſinnen trat eine Anzahl Männer heran,
ſchulterte den Sarg und trug ihn ſchweigend nach
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[119/0135] und entſchloſſen wie immer. Er war auf dem Wege nach München, — es war ja ſo natürlich, daß er all' die traurigen Geſchäfte für die arme Hinterlaſſene übernahm. „Und der Bräutigum?“ fragte Alfred. Der Maler richtete ſich ſtraff auf: „Wir werden ihm die Wege weiſen, — das gehört auch zu meinen Geſchäften, — er hat ſich übrigens bis jetzt noch nicht gemeldet —“ „Glück auf den Weg!“ riefen ihm die Freunde nach, er wandte ihnen noch einmal das Geſicht zu; es war tiefernſt und doch ſah es aus, als breche dort ſchon das Glück aus allen Linien hervor. Am nächſten Abend, als der Mond aufgegangen war, führte der Kahn der Schifferin einen Sarg herüber. Die ganze Dorfbewohnerſchaft hielt ſich ſtill am Strande. Marianne ſtand unter den Leuten und ſah mit Wohlgefallen, wie ſich alle Häupter entblö߬ ten, als der ſchwarze Kaſten herausgehoben ward, und wie ſich viele Hände nach der verſchleierten klei¬ nen Dame ausſtreckten, um ihr ans Land zu helfen. Sie trug über ihrem bunten Kleide einen großen dunklen Mantel, den ihr die Wirthin geborgt haben mochte, denn er ſchlotterte um ihre feinen Glieder. — Ohne Beſinnen trat eine Anzahl Männer heran, ſchulterte den Sarg und trug ihn ſchweigend nach dem Bahnhof. Es folgte Niemand als der blaſſe

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/135>, abgerufen am 24.11.2024.