Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.Max stand lange wortlos vor der herrlichen "Nun sehen Sie, das ist diese antikisirende Rich¬ Max wandte zornig den Kopf. Loni zupfte ihn "Da schau nur, Schatz," flüsterte Loni, "wie sich "Diese unvergleichliche Neigung der ganzen Ge¬ "Aber wem reicht sie die Schale hin, Mutter? "Sie reicht sie Allen, die leiden; siehst Du, die Max ſtand lange wortlos vor der herrlichen „Nun ſehen Sie, das iſt dieſe antikiſirende Rich¬ Max wandte zornig den Kopf. Loni zupfte ihn „Da ſchau nur, Schatz,“ flüſterte Loni, „wie ſich „Dieſe unvergleichliche Neigung der ganzen Ge¬ „Aber wem reicht ſie die Schale hin, Mutter? „Sie reicht ſie Allen, die leiden; ſiehſt Du, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0159" n="143"/> <p>Max ſtand lange wortlos vor der herrlichen<lb/> Statue, deren faſt übermenſchliche Größe und ruhige<lb/> Schönheit in dieſem bunten Gewühl wie ein Zauber<lb/> wirkten.</p><lb/> <p>„Nun ſehen Sie, das iſt dieſe antikiſirende Rich¬<lb/> tung,“ näſelte es hinter ihnen, „Künſtler? Heuvels<lb/> in Rom, ah, Rom, dacht' ich mir — die ſitzen da ſo<lb/> drin bis an den Hals — das Zeitgemäße, das Ak¬<lb/> tuelle iſt für dieſe Sorte nicht vorhanden, übrigens<lb/> garnicht ohne Talent gemacht, — wenn der jetzt in<lb/> Berlin —“</p><lb/> <p>Max wandte zornig den Kopf. Loni zupfte ihn<lb/> am Rock und kniff die Augen zu: „Gelt, Max, der<lb/> iſt dumm!“ ſagte ſie mit Ueberzeugung. Der Maler<lb/> ſah ſeine kleine Frau überraſcht und ſtrahlend an;<lb/> die zwei Kritiker waren weggegangen.</p><lb/> <p>„Da ſchau nur, Schatz,“ flüſterte Loni, „wie ſich<lb/> das ſchöne Thier, ein Reh wird's ſein, an ſie heran¬<lb/> ſchneckelt! o weh, es hat was am Haxen —“</p><lb/> <p>„Dieſe unvergleichliche Neigung der ganzen Ge¬<lb/> ſtalt,“ hörten ſie hinter ſich ſagen. Ein feines ält¬<lb/> liches Frauenantlitz blickte bewundernd auf die Sta¬<lb/> tue, ihre Worte galten dem halbwüchſigen Knaben an<lb/> ihrer Seite.</p><lb/> <p>„Aber wem reicht ſie die Schale hin, Mutter?<lb/> Es iſt ja Niemand da,“ ſagte der Knabe.</p><lb/> <p>„Sie reicht ſie Allen, die leiden; ſiehſt Du, die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [143/0159]
Max ſtand lange wortlos vor der herrlichen
Statue, deren faſt übermenſchliche Größe und ruhige
Schönheit in dieſem bunten Gewühl wie ein Zauber
wirkten.
„Nun ſehen Sie, das iſt dieſe antikiſirende Rich¬
tung,“ näſelte es hinter ihnen, „Künſtler? Heuvels
in Rom, ah, Rom, dacht' ich mir — die ſitzen da ſo
drin bis an den Hals — das Zeitgemäße, das Ak¬
tuelle iſt für dieſe Sorte nicht vorhanden, übrigens
garnicht ohne Talent gemacht, — wenn der jetzt in
Berlin —“
Max wandte zornig den Kopf. Loni zupfte ihn
am Rock und kniff die Augen zu: „Gelt, Max, der
iſt dumm!“ ſagte ſie mit Ueberzeugung. Der Maler
ſah ſeine kleine Frau überraſcht und ſtrahlend an;
die zwei Kritiker waren weggegangen.
„Da ſchau nur, Schatz,“ flüſterte Loni, „wie ſich
das ſchöne Thier, ein Reh wird's ſein, an ſie heran¬
ſchneckelt! o weh, es hat was am Haxen —“
„Dieſe unvergleichliche Neigung der ganzen Ge¬
ſtalt,“ hörten ſie hinter ſich ſagen. Ein feines ält¬
liches Frauenantlitz blickte bewundernd auf die Sta¬
tue, ihre Worte galten dem halbwüchſigen Knaben an
ihrer Seite.
„Aber wem reicht ſie die Schale hin, Mutter?
Es iſt ja Niemand da,“ ſagte der Knabe.
„Sie reicht ſie Allen, die leiden; ſiehſt Du, die
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