Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.langen Stab, den je vier Kinder mit den Händen "Sie sind Alle unheilbar blind?" flüsterte Wolff Marianne nickte. "Aber die Meisten haben es Einige Tage später suchten Max und Loni im Auf einmal deutete er lebhaft geradeaus, "das "Ich bin das Mitleid," las die junge Frau, die langen Stab, den je vier Kinder mit den Händen „Sie ſind Alle unheilbar blind?“ flüſterte Wolff Marianne nickte. „Aber die Meiſten haben es Einige Tage ſpäter ſuchten Max und Loni im Auf einmal deutete er lebhaft geradeaus, „das „Ich bin das Mitleid,“ las die junge Frau, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0158" n="142"/> langen Stab, den je vier Kinder mit den Händen<lb/> gefaßt hielten beim Marſchiren. Es waren vier<lb/> Reihen, Marianne ging zuletzt. Ein kleiner Junge<lb/> war übrig, den ließ ſie vor ſich treten und führte ihn,<lb/> indem ſie ihre Hände auf ſeine Schultern legte. Die<lb/> Blume hatte ſie ihm zu tragen gegeben, und ſo ſchritt<lb/> er nun wie ein kleiner Fahnenträger hinter der Ge¬<lb/> fährtenſchar.</p><lb/> <p>„Sie ſind Alle unheilbar blind?“ flüſterte Wolff<lb/> bekümmert.</p><lb/> <p>Marianne nickte. „Aber die Meiſten haben es<lb/> nie anders gekannt und ſind luſtig wie andere Kinder<lb/> und — ſicherer vor Enttäuſchung,“ fügte ſie trübe<lb/> lächelnd hinzu.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Einige Tage ſpäter ſuchten Max und Loni im<lb/> Kriſtallpalaſt in München nach dem erſten ausgeſtellten<lb/> Werk des Freundes. Loni wollte in den Katalog<lb/> ſchauen. „Nein,“ ſagte ihr Mann, „möchte ſehen,<lb/> ob wir's nicht ſo finden, das iſt hübſcher.“</p><lb/> <p>Auf einmal deutete er lebhaft geradeaus, „das<lb/> muß es ſein.“ Sie traten näher: „Er hat uns nicht<lb/> geſchrieben, was es darſtellt, aber es iſt eine alte<lb/> Idee von ihm —“</p><lb/> <p>„Ich bin das Mitleid,“ las die junge Frau, die<lb/> ſich zu dem Sockel niedergebeugt hatte, und nun mit<lb/> fragendem Blick in die Höhe fuhr.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [142/0158]
langen Stab, den je vier Kinder mit den Händen
gefaßt hielten beim Marſchiren. Es waren vier
Reihen, Marianne ging zuletzt. Ein kleiner Junge
war übrig, den ließ ſie vor ſich treten und führte ihn,
indem ſie ihre Hände auf ſeine Schultern legte. Die
Blume hatte ſie ihm zu tragen gegeben, und ſo ſchritt
er nun wie ein kleiner Fahnenträger hinter der Ge¬
fährtenſchar.
„Sie ſind Alle unheilbar blind?“ flüſterte Wolff
bekümmert.
Marianne nickte. „Aber die Meiſten haben es
nie anders gekannt und ſind luſtig wie andere Kinder
und — ſicherer vor Enttäuſchung,“ fügte ſie trübe
lächelnd hinzu.
Einige Tage ſpäter ſuchten Max und Loni im
Kriſtallpalaſt in München nach dem erſten ausgeſtellten
Werk des Freundes. Loni wollte in den Katalog
ſchauen. „Nein,“ ſagte ihr Mann, „möchte ſehen,
ob wir's nicht ſo finden, das iſt hübſcher.“
Auf einmal deutete er lebhaft geradeaus, „das
muß es ſein.“ Sie traten näher: „Er hat uns nicht
geſchrieben, was es darſtellt, aber es iſt eine alte
Idee von ihm —“
„Ich bin das Mitleid,“ las die junge Frau, die
ſich zu dem Sockel niedergebeugt hatte, und nun mit
fragendem Blick in die Höhe fuhr.
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