liches Gesicht erschien so von rothem Schimmer um¬ hüllt, als sitze sie inmitten einer purpurfarbenen Glaslaterne. Der Unteroffizier, der, von Stelle zu Stelle springend, eben vorüberkam und mit erwar¬ tungsvollen Augen die Gärten abspähte, hörte, wie einer der Arbeiter, ein junger Bursch mit krausem Haar und frechen, glänzenden Augen hinaufstarrend lachte und ironisch rief: "Weischt, Mädle, Du mit'em Sonnedächle, gang in d' Stub promenire, -- aber dei Sonnedach, des muescht do lasse, i brauch's noth¬ wendig!" Unter dem Lachen der übrigen reichte er mit einem spöttischen Kratzfuß seinen Spaten hinauf, obgleich der rothe Sonnenschirm schon bei dem ersten Anruf entschwebt war. Der Unteroffizier runzelte zornig die Stirn, -- die Dame war ja, wenn er sich nicht irrte, das gnädige Fräulein von seiner Monika gewesen! Eben wollte er den Arbeiter anfahren, da erblickte er ein Bild, das ihn alles andere vergessen ließ. In dem umgitterten Gartenzwickel, jenseits der schreiend neuen Mauer, stand zwischen den Beeten ein prächtiges, schlank und fest gewachsenes Mädchen in dunkelblauem Kleid, das von einem breiten, weißen Schurz halb verdeckt wurde. Ihr Gesicht war nicht zu sehen vor dem breitrandigen, braunen, an den Ohren niedergebogenen Schattenhut; sie hatte die Aermel aufgestreift, und die gebräunten Hände re¬ gierten den Spaten, daß die Erdschollen flogen.
liches Geſicht erſchien ſo von rothem Schimmer um¬ hüllt, als ſitze ſie inmitten einer purpurfarbenen Glaslaterne. Der Unteroffizier, der, von Stelle zu Stelle ſpringend, eben vorüberkam und mit erwar¬ tungsvollen Augen die Gärten abſpähte, hörte, wie einer der Arbeiter, ein junger Burſch mit krauſem Haar und frechen, glänzenden Augen hinaufſtarrend lachte und ironiſch rief: „Weiſcht, Mädle, Du mit'em Sonnedächle, gang in d' Stub promenire, — aber dei Sonnedach, des mueſcht do laſſe, i brauch's noth¬ wendig!“ Unter dem Lachen der übrigen reichte er mit einem ſpöttiſchen Kratzfuß ſeinen Spaten hinauf, obgleich der rothe Sonnenſchirm ſchon bei dem erſten Anruf entſchwebt war. Der Unteroffizier runzelte zornig die Stirn, — die Dame war ja, wenn er ſich nicht irrte, das gnädige Fräulein von ſeiner Monika geweſen! Eben wollte er den Arbeiter anfahren, da erblickte er ein Bild, das ihn alles andere vergeſſen ließ. In dem umgitterten Gartenzwickel, jenſeits der ſchreiend neuen Mauer, ſtand zwiſchen den Beeten ein prächtiges, ſchlank und feſt gewachſenes Mädchen in dunkelblauem Kleid, das von einem breiten, weißen Schurz halb verdeckt wurde. Ihr Geſicht war nicht zu ſehen vor dem breitrandigen, braunen, an den Ohren niedergebogenen Schattenhut; ſie hatte die Aermel aufgeſtreift, und die gebräunten Hände re¬ gierten den Spaten, daß die Erdſchollen flogen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0166"n="150"/>
liches Geſicht erſchien ſo von rothem Schimmer um¬<lb/>
hüllt, als ſitze ſie inmitten einer purpurfarbenen<lb/>
Glaslaterne. Der Unteroffizier, der, von Stelle zu<lb/>
Stelle ſpringend, eben vorüberkam und mit erwar¬<lb/>
tungsvollen Augen die Gärten abſpähte, hörte, wie<lb/>
einer der Arbeiter, ein junger Burſch mit krauſem<lb/>
Haar und frechen, glänzenden Augen hinaufſtarrend<lb/>
lachte und ironiſch rief: „Weiſcht, Mädle, Du mit'em<lb/>
Sonnedächle, gang in d' Stub promenire, — aber<lb/>
dei Sonnedach, des mueſcht do laſſe, i brauch's noth¬<lb/>
wendig!“ Unter dem Lachen der übrigen reichte er<lb/>
mit einem ſpöttiſchen Kratzfuß ſeinen Spaten hinauf,<lb/>
obgleich der rothe Sonnenſchirm ſchon bei dem erſten<lb/>
Anruf entſchwebt war. Der Unteroffizier runzelte<lb/>
zornig die Stirn, — die Dame war ja, wenn er ſich<lb/>
nicht irrte, das gnädige Fräulein von ſeiner Monika<lb/>
geweſen! Eben wollte er den Arbeiter anfahren, da<lb/>
erblickte er ein Bild, das ihn alles andere vergeſſen<lb/>
ließ. In dem umgitterten Gartenzwickel, jenſeits der<lb/>ſchreiend neuen Mauer, ſtand zwiſchen den Beeten<lb/>
ein prächtiges, ſchlank und feſt gewachſenes Mädchen<lb/>
in dunkelblauem Kleid, das von einem breiten, weißen<lb/>
Schurz halb verdeckt wurde. Ihr Geſicht war nicht<lb/>
zu ſehen vor dem breitrandigen, braunen, an den<lb/>
Ohren niedergebogenen Schattenhut; ſie hatte die<lb/>
Aermel aufgeſtreift, und die gebräunten Hände re¬<lb/>
gierten den Spaten, daß die Erdſchollen flogen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[150/0166]
liches Geſicht erſchien ſo von rothem Schimmer um¬
hüllt, als ſitze ſie inmitten einer purpurfarbenen
Glaslaterne. Der Unteroffizier, der, von Stelle zu
Stelle ſpringend, eben vorüberkam und mit erwar¬
tungsvollen Augen die Gärten abſpähte, hörte, wie
einer der Arbeiter, ein junger Burſch mit krauſem
Haar und frechen, glänzenden Augen hinaufſtarrend
lachte und ironiſch rief: „Weiſcht, Mädle, Du mit'em
Sonnedächle, gang in d' Stub promenire, — aber
dei Sonnedach, des mueſcht do laſſe, i brauch's noth¬
wendig!“ Unter dem Lachen der übrigen reichte er
mit einem ſpöttiſchen Kratzfuß ſeinen Spaten hinauf,
obgleich der rothe Sonnenſchirm ſchon bei dem erſten
Anruf entſchwebt war. Der Unteroffizier runzelte
zornig die Stirn, — die Dame war ja, wenn er ſich
nicht irrte, das gnädige Fräulein von ſeiner Monika
geweſen! Eben wollte er den Arbeiter anfahren, da
erblickte er ein Bild, das ihn alles andere vergeſſen
ließ. In dem umgitterten Gartenzwickel, jenſeits der
ſchreiend neuen Mauer, ſtand zwiſchen den Beeten
ein prächtiges, ſchlank und feſt gewachſenes Mädchen
in dunkelblauem Kleid, das von einem breiten, weißen
Schurz halb verdeckt wurde. Ihr Geſicht war nicht
zu ſehen vor dem breitrandigen, braunen, an den
Ohren niedergebogenen Schattenhut; ſie hatte die
Aermel aufgeſtreift, und die gebräunten Hände re¬
gierten den Spaten, daß die Erdſchollen flogen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/166>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.