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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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zum Querweg, der in weitem Bogen an der Hinter¬
seite der Baumgärten entlang führte, die zu diesen
Häusern gehörten. Die Querstraße war noch im
Bau, -- eine Menge Arbeiter, schwitzend und keu¬
chend und in der nothdürftigsten Bekleidung, wühlten
im rothen Lehmboden, um den Weg zu reguliren
und tiefer zu legen, der bis jetzt noch dem allgemei¬
nen Verkehr gesperrt war. Mitten auf einem hoch¬
aufgeschütteten Erdhaufen hatten sich die Arbeiter eine
Bretterhütte gebaut, in der jetzt bald der eine, bald
der andere verschwand, -- denn die Arbeitsstätte war
ohne jeden Schatten, und der dick und lose liegende
Staub dörrte die Kehlen. Geschafft wurde wenig,
alles dehnte sich, gähnte, hockte, von der Hitze ge¬
schlagen, stumpfsinnig am Boden, oder ruhte an der
Hüttenwand mit vorgestrecktem, in die Erde gestemm¬
tem Spaten. Einer hatte sich, unbekümmert um die
Gefahr des Hitzschlags, gerade auf den Rücken hin¬
gelegt und schlief wie todt, das Gesicht von der fettigen
Mütze bedeckt. Hinter einer neu aufgeführten Garten¬
mauer, die gelb und fleckenlos rein zwischen den ver¬
witterten grauen hervorstach, welche den neuen Weg
begrenzten, bewegte sich ein großer, rother Sonnen¬
schirm, und die Dame, die ihn hielt, guckte einen
Augenblick über die Mauer, die freie Hand leicht
aufgestützt, neben einem großen Kübel voll brennend
rother Geranien. Ihr weißes Kleid und ihr jugend¬

zum Querweg, der in weitem Bogen an der Hinter¬
ſeite der Baumgärten entlang führte, die zu dieſen
Häuſern gehörten. Die Querſtraße war noch im
Bau, — eine Menge Arbeiter, ſchwitzend und keu¬
chend und in der nothdürftigſten Bekleidung, wühlten
im rothen Lehmboden, um den Weg zu reguliren
und tiefer zu legen, der bis jetzt noch dem allgemei¬
nen Verkehr geſperrt war. Mitten auf einem hoch¬
aufgeſchütteten Erdhaufen hatten ſich die Arbeiter eine
Bretterhütte gebaut, in der jetzt bald der eine, bald
der andere verſchwand, — denn die Arbeitsſtätte war
ohne jeden Schatten, und der dick und loſe liegende
Staub dörrte die Kehlen. Geſchafft wurde wenig,
alles dehnte ſich, gähnte, hockte, von der Hitze ge¬
ſchlagen, ſtumpfſinnig am Boden, oder ruhte an der
Hüttenwand mit vorgeſtrecktem, in die Erde geſtemm¬
tem Spaten. Einer hatte ſich, unbekümmert um die
Gefahr des Hitzſchlags, gerade auf den Rücken hin¬
gelegt und ſchlief wie todt, das Geſicht von der fettigen
Mütze bedeckt. Hinter einer neu aufgeführten Garten¬
mauer, die gelb und fleckenlos rein zwiſchen den ver¬
witterten grauen hervorſtach, welche den neuen Weg
begrenzten, bewegte ſich ein großer, rother Sonnen¬
ſchirm, und die Dame, die ihn hielt, guckte einen
Augenblick über die Mauer, die freie Hand leicht
aufgeſtützt, neben einem großen Kübel voll brennend
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[149/0165] zum Querweg, der in weitem Bogen an der Hinter¬ ſeite der Baumgärten entlang führte, die zu dieſen Häuſern gehörten. Die Querſtraße war noch im Bau, — eine Menge Arbeiter, ſchwitzend und keu¬ chend und in der nothdürftigſten Bekleidung, wühlten im rothen Lehmboden, um den Weg zu reguliren und tiefer zu legen, der bis jetzt noch dem allgemei¬ nen Verkehr geſperrt war. Mitten auf einem hoch¬ aufgeſchütteten Erdhaufen hatten ſich die Arbeiter eine Bretterhütte gebaut, in der jetzt bald der eine, bald der andere verſchwand, — denn die Arbeitsſtätte war ohne jeden Schatten, und der dick und loſe liegende Staub dörrte die Kehlen. Geſchafft wurde wenig, alles dehnte ſich, gähnte, hockte, von der Hitze ge¬ ſchlagen, ſtumpfſinnig am Boden, oder ruhte an der Hüttenwand mit vorgeſtrecktem, in die Erde geſtemm¬ tem Spaten. Einer hatte ſich, unbekümmert um die Gefahr des Hitzſchlags, gerade auf den Rücken hin¬ gelegt und ſchlief wie todt, das Geſicht von der fettigen Mütze bedeckt. Hinter einer neu aufgeführten Garten¬ mauer, die gelb und fleckenlos rein zwiſchen den ver¬ witterten grauen hervorſtach, welche den neuen Weg begrenzten, bewegte ſich ein großer, rother Sonnen¬ ſchirm, und die Dame, die ihn hielt, guckte einen Augenblick über die Mauer, die freie Hand leicht aufgeſtützt, neben einem großen Kübel voll brennend rother Geranien. Ihr weißes Kleid und ihr jugend¬

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/165>, abgerufen am 24.11.2024.