Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

gehörte; und die war gewißlich froh, die Last auf
junge Schultern abzuwälzen. Im übrigen, wenn sie
dreinschwätzen wollte, er fürchtete sie nicht, -- sie war
ihm immer so arg gut gewesen, nachsichtiger als eine
Mutter. Das schöne Baumgut zu Haus stand ihm
vor den Augen, wie er, auf seinem langsamen
Schlendergange nach der Stadt, in den Gärten die
rothen Aepfel zwischen dem Laube schimmern sah.
Die Luiken*) trugen heuer überreich, das mußte dort
eine Pracht sein. Er sah die Moni, schlank und
sauber, auf der hohen Leiter stehen und Aepfel
brechen, er sah sie im schneeweißen Schurz als seine
junge Frau Bäckerin, den Kunden die Wecken zuzäh¬
len, er sah sie als seine Frau Schultheißin im feinen,
schwarzen Kleide am Sonntag in die Kirche gehen,
und Männer und Weiber die Hälse nach ihr recken.
Noch zwei Monate, dann konnt' es vor sich gehen!
Ihr Mißtrauen schmeichelte ihm mehr, als daß es
ihn gekränkt hätte, -- sah er doch daraus, daß sie's
für etwas rechnete, seine Frau zu werden. Freilich,
hätt' er ein schlechtes Gewissen gehabt, er hätte sich
nicht mehr unter ihre Augen getraut, so drohend
konnte sie ihn anblicken. -- --

Ei, wie heiß es noch war! Schon sieben
Uhr, aber eine Sonnengluth, eine erstickende, stau¬
bige Schwüle, wie wenn's Mittag wäre. Das

*) Mostäpfel.
11*

gehörte; und die war gewißlich froh, die Laſt auf
junge Schultern abzuwälzen. Im übrigen, wenn ſie
dreinſchwätzen wollte, er fürchtete ſie nicht, — ſie war
ihm immer ſo arg gut geweſen, nachſichtiger als eine
Mutter. Das ſchöne Baumgut zu Haus ſtand ihm
vor den Augen, wie er, auf ſeinem langſamen
Schlendergange nach der Stadt, in den Gärten die
rothen Aepfel zwiſchen dem Laube ſchimmern ſah.
Die Luiken*) trugen heuer überreich, das mußte dort
eine Pracht ſein. Er ſah die Moni, ſchlank und
ſauber, auf der hohen Leiter ſtehen und Aepfel
brechen, er ſah ſie im ſchneeweißen Schurz als ſeine
junge Frau Bäckerin, den Kunden die Wecken zuzäh¬
len, er ſah ſie als ſeine Frau Schultheißin im feinen,
ſchwarzen Kleide am Sonntag in die Kirche gehen,
und Männer und Weiber die Hälſe nach ihr recken.
Noch zwei Monate, dann konnt' es vor ſich gehen!
Ihr Mißtrauen ſchmeichelte ihm mehr, als daß es
ihn gekränkt hätte, — ſah er doch daraus, daß ſie's
für etwas rechnete, ſeine Frau zu werden. Freilich,
hätt' er ein ſchlechtes Gewiſſen gehabt, er hätte ſich
nicht mehr unter ihre Augen getraut, ſo drohend
konnte ſie ihn anblicken. –– —

Ei, wie heiß es noch war! Schon ſieben
Uhr, aber eine Sonnengluth, eine erſtickende, ſtau¬
bige Schwüle, wie wenn's Mittag wäre. Das

*) Moſtäpfel.
11*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0179" n="163"/>
gehörte; und die war gewißlich froh, die La&#x017F;t auf<lb/>
junge Schultern abzuwälzen. Im übrigen, wenn &#x017F;ie<lb/>
drein&#x017F;chwätzen wollte, er fürchtete &#x017F;ie nicht, &#x2014; &#x017F;ie war<lb/>
ihm immer &#x017F;o arg gut gewe&#x017F;en, nach&#x017F;ichtiger als eine<lb/>
Mutter. Das &#x017F;chöne Baumgut zu Haus &#x017F;tand ihm<lb/>
vor den Augen, wie er, auf &#x017F;einem lang&#x017F;amen<lb/>
Schlendergange nach der Stadt, in den Gärten die<lb/>
rothen Aepfel zwi&#x017F;chen dem Laube &#x017F;chimmern &#x017F;ah.<lb/>
Die Luiken<note place="foot" n="*)">Mo&#x017F;täpfel.<lb/></note> trugen heuer überreich, das mußte dort<lb/>
eine Pracht &#x017F;ein. Er &#x017F;ah die Moni, &#x017F;chlank und<lb/>
&#x017F;auber, auf der hohen Leiter &#x017F;tehen und Aepfel<lb/>
brechen, er &#x017F;ah &#x017F;ie im &#x017F;chneeweißen Schurz als &#x017F;eine<lb/>
junge Frau Bäckerin, den Kunden die Wecken zuzäh¬<lb/>
len, er &#x017F;ah &#x017F;ie als &#x017F;eine Frau Schultheißin im feinen,<lb/>
&#x017F;chwarzen Kleide am Sonntag in die Kirche gehen,<lb/>
und Männer und Weiber die Häl&#x017F;e nach ihr recken.<lb/>
Noch zwei Monate, dann konnt' es vor &#x017F;ich gehen!<lb/>
Ihr Mißtrauen &#x017F;chmeichelte ihm mehr, als daß es<lb/>
ihn gekränkt hätte, &#x2014; &#x017F;ah er doch daraus, daß &#x017F;ie's<lb/>
für etwas rechnete, &#x017F;eine Frau zu werden. Freilich,<lb/>
hätt' er ein &#x017F;chlechtes Gewi&#x017F;&#x017F;en gehabt, er hätte &#x017F;ich<lb/>
nicht mehr unter ihre Augen getraut, &#x017F;o drohend<lb/>
konnte &#x017F;ie ihn anblicken. &#x2013;&#x2013; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ei, wie heiß es noch war! Schon &#x017F;ieben<lb/>
Uhr, aber eine Sonnengluth, eine er&#x017F;tickende, &#x017F;tau¬<lb/>
bige Schwüle, wie wenn's Mittag wäre. Das<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">11*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0179] gehörte; und die war gewißlich froh, die Laſt auf junge Schultern abzuwälzen. Im übrigen, wenn ſie dreinſchwätzen wollte, er fürchtete ſie nicht, — ſie war ihm immer ſo arg gut geweſen, nachſichtiger als eine Mutter. Das ſchöne Baumgut zu Haus ſtand ihm vor den Augen, wie er, auf ſeinem langſamen Schlendergange nach der Stadt, in den Gärten die rothen Aepfel zwiſchen dem Laube ſchimmern ſah. Die Luiken *) trugen heuer überreich, das mußte dort eine Pracht ſein. Er ſah die Moni, ſchlank und ſauber, auf der hohen Leiter ſtehen und Aepfel brechen, er ſah ſie im ſchneeweißen Schurz als ſeine junge Frau Bäckerin, den Kunden die Wecken zuzäh¬ len, er ſah ſie als ſeine Frau Schultheißin im feinen, ſchwarzen Kleide am Sonntag in die Kirche gehen, und Männer und Weiber die Hälſe nach ihr recken. Noch zwei Monate, dann konnt' es vor ſich gehen! Ihr Mißtrauen ſchmeichelte ihm mehr, als daß es ihn gekränkt hätte, — ſah er doch daraus, daß ſie's für etwas rechnete, ſeine Frau zu werden. Freilich, hätt' er ein ſchlechtes Gewiſſen gehabt, er hätte ſich nicht mehr unter ihre Augen getraut, ſo drohend konnte ſie ihn anblicken. –– — Ei, wie heiß es noch war! Schon ſieben Uhr, aber eine Sonnengluth, eine erſtickende, ſtau¬ bige Schwüle, wie wenn's Mittag wäre. Das *) Moſtäpfel. 11*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/179
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/179>, abgerufen am 21.11.2024.