Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.etwas länger auf mit der Köchin, die schlaftrunken Als sie dann wieder in den ganz in Mondschein Als Monika früh um sechs Uhr andern Mor¬ etwas länger auf mit der Köchin, die ſchlaftrunken Als ſie dann wieder in den ganz in Mondſchein Als Monika früh um ſechs Uhr andern Mor¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0200" n="184"/> etwas länger auf mit der Köchin, die ſchlaftrunken<lb/> neben einem Glaſe Moſt ihren dicken Kopf auf den<lb/> Küchentiſch gelegt hatte.</p><lb/> <p>Als ſie dann wieder in den ganz in Mondſchein<lb/> getauchten Garten hinaustrat, ſchlugen vorn die<lb/> Hunde an, aber mit dem eigenthümlich jauchzenden<lb/> Laut, daß ſie erkannte: die Familie kommt ſchon nach<lb/> Haus. Mit leiſen, ſchnellen Schritten durchmaß ſie<lb/> nun den Hintergarten, um Michel zu ſagen, daß er<lb/> gehen müſſe. Aber ſie fand ihn nicht mehr. Die<lb/> Thür war verſchloſſen und der Schlüſſel an der In¬<lb/> nenſeite ins Schloß geſteckt, daran hatt' er alſo ge¬<lb/> dacht, ans Abſchiednehmen nicht. „Der wartet mir<lb/> wohl, wenn er's nächſte Mal daherkommt,“ brummte<lb/> ſie ärgerlich, aber es war ihr dennoch beklommen zu<lb/> Muth, und die Köchin, die mit ihr das Zimmer<lb/> theilte, hörte, wie ſie ſich im Schlaf ſtöhnend herum¬<lb/> warf.</p><lb/> <p>Als Monika früh um ſechs Uhr andern Mor¬<lb/> gens an die Hinterpforte ging, um die Milch herein¬<lb/> zuholen, die dort abgeliefert wurde, ſah ſie von wei¬<lb/> tem ſchon, daß die Straßenarbeiter in einem dichten<lb/> Haufen beiſammen und um die kleine Bretterhütte<lb/> her ſtanden. Sie ſtieg auf einen der Quaderſteine,<lb/> hielt ſich am Gitter feſt und ſchaute neugierig hinab.<lb/> Da ſtarrte ſie von der Hüttenwand ein todtenblaſſes<lb/> Antlitz an; dort angelehnt ſtand ein Todter, die ge¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [184/0200]
etwas länger auf mit der Köchin, die ſchlaftrunken
neben einem Glaſe Moſt ihren dicken Kopf auf den
Küchentiſch gelegt hatte.
Als ſie dann wieder in den ganz in Mondſchein
getauchten Garten hinaustrat, ſchlugen vorn die
Hunde an, aber mit dem eigenthümlich jauchzenden
Laut, daß ſie erkannte: die Familie kommt ſchon nach
Haus. Mit leiſen, ſchnellen Schritten durchmaß ſie
nun den Hintergarten, um Michel zu ſagen, daß er
gehen müſſe. Aber ſie fand ihn nicht mehr. Die
Thür war verſchloſſen und der Schlüſſel an der In¬
nenſeite ins Schloß geſteckt, daran hatt' er alſo ge¬
dacht, ans Abſchiednehmen nicht. „Der wartet mir
wohl, wenn er's nächſte Mal daherkommt,“ brummte
ſie ärgerlich, aber es war ihr dennoch beklommen zu
Muth, und die Köchin, die mit ihr das Zimmer
theilte, hörte, wie ſie ſich im Schlaf ſtöhnend herum¬
warf.
Als Monika früh um ſechs Uhr andern Mor¬
gens an die Hinterpforte ging, um die Milch herein¬
zuholen, die dort abgeliefert wurde, ſah ſie von wei¬
tem ſchon, daß die Straßenarbeiter in einem dichten
Haufen beiſammen und um die kleine Bretterhütte
her ſtanden. Sie ſtieg auf einen der Quaderſteine,
hielt ſich am Gitter feſt und ſchaute neugierig hinab.
Da ſtarrte ſie von der Hüttenwand ein todtenblaſſes
Antlitz an; dort angelehnt ſtand ein Todter, die ge¬
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