Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Was sollte ich machen? Papa erklärte Mama eben
die Gebirge, er war ganz bei den Formationen, und
ich mochte ihn nicht stören. Also nehm' ich den
Putzi auf und will mit ihm den Abhang hinabklet¬
tern. Plötzlich sagt eine Stimme neben mir: "Ihr
Hunderl hat Durst, gelt, gnädiges Fräulein? Blei¬
ben Sie nur, ich hab' meinen Trinkbecher da." Und
denkt Euch, er klettert hinunter und schöpft Wasser
-- es sah so gefährlich aus, fast hätt' ich geschrieen.
Putzi war ganz verdurstet, der Herr hielt ihm den
Becher hin, strich ihm übern Kopf und sagte zwei¬
mal: "Ein netter Kerl!" Ich bedankte mich, aber
weil ich an die "Mitbewohner" denken mußte, wurde
ich sehr verlegen und ging schnell den Eltern nach.
Und in Gries war es wundervoll, lauter schmale
Wege zwischen hohen Mauern! Wie warm es da
war, und wie die Aprikosenbäume darüber guckten
mit ihren röthlichen Blüthen! Wir sahen auch noch
einige Mandelbäume in Blüthe, und hie und da fin¬
gen schon die Glycinen an, ihre reizenden helllila
Trauben zu entfalten. In Gries ließen wir uns
einen Tisch mit einer roth und blau gewürfelten
Decke vor die Thür des Wirthshauses tragen und
tranken Kaffee im warmen Sonnenschein. Die Kellner
im "Cafe Vogelweide" sind sehr freundlich gegen
Putzi; einer, ein Italiener, bringt ihm immer ein
Stückchen Zucker und trägt ihm seine Tasse Milch

Was ſollte ich machen? Papa erklärte Mama eben
die Gebirge, er war ganz bei den Formationen, und
ich mochte ihn nicht ſtören. Alſo nehm' ich den
Putzi auf und will mit ihm den Abhang hinabklet¬
tern. Plötzlich ſagt eine Stimme neben mir: „Ihr
Hunderl hat Durſt, gelt, gnädiges Fräulein? Blei¬
ben Sie nur, ich hab' meinen Trinkbecher da.“ Und
denkt Euch, er klettert hinunter und ſchöpft Waſſer
— es ſah ſo gefährlich aus, faſt hätt' ich geſchrieen.
Putzi war ganz verdurſtet, der Herr hielt ihm den
Becher hin, ſtrich ihm übern Kopf und ſagte zwei¬
mal: „Ein netter Kerl!“ Ich bedankte mich, aber
weil ich an die „Mitbewohner“ denken mußte, wurde
ich ſehr verlegen und ging ſchnell den Eltern nach.
Und in Gries war es wundervoll, lauter ſchmale
Wege zwiſchen hohen Mauern! Wie warm es da
war, und wie die Aprikoſenbäume darüber guckten
mit ihren röthlichen Blüthen! Wir ſahen auch noch
einige Mandelbäume in Blüthe, und hie und da fin¬
gen ſchon die Glycinen an, ihre reizenden helllila
Trauben zu entfalten. In Gries ließen wir uns
einen Tiſch mit einer roth und blau gewürfelten
Decke vor die Thür des Wirthshauſes tragen und
tranken Kaffee im warmen Sonnenſchein. Die Kellner
im „Café Vogelweide“ ſind ſehr freundlich gegen
Putzi; einer, ein Italiener, bringt ihm immer ein
Stückchen Zucker und trägt ihm ſeine Taſſe Milch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0215" n="199"/>
Was &#x017F;ollte ich machen? Papa erklärte Mama eben<lb/>
die Gebirge, er war ganz bei den Formationen, und<lb/>
ich mochte ihn nicht &#x017F;tören. Al&#x017F;o nehm' ich den<lb/>
Putzi auf und will mit ihm den Abhang hinabklet¬<lb/>
tern. Plötzlich &#x017F;agt eine Stimme neben mir: &#x201E;Ihr<lb/>
Hunderl hat Dur&#x017F;t, gelt, gnädiges Fräulein? Blei¬<lb/>
ben Sie nur, ich hab' meinen Trinkbecher da.&#x201C; Und<lb/>
denkt Euch, er klettert hinunter und &#x017F;chöpft Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x2014; es &#x017F;ah &#x017F;o gefährlich aus, fa&#x017F;t hätt' ich ge&#x017F;chrieen.<lb/>
Putzi war ganz verdur&#x017F;tet, der Herr hielt ihm den<lb/>
Becher hin, &#x017F;trich ihm übern Kopf und &#x017F;agte zwei¬<lb/>
mal: &#x201E;Ein netter Kerl!&#x201C; Ich bedankte mich, aber<lb/>
weil ich an die &#x201E;Mitbewohner&#x201C; denken mußte, wurde<lb/>
ich &#x017F;ehr verlegen und ging &#x017F;chnell den Eltern nach.<lb/>
Und in Gries war es wundervoll, lauter &#x017F;chmale<lb/>
Wege zwi&#x017F;chen hohen Mauern! Wie warm es da<lb/>
war, und wie die Apriko&#x017F;enbäume darüber guckten<lb/>
mit ihren röthlichen Blüthen! Wir &#x017F;ahen auch noch<lb/>
einige Mandelbäume in Blüthe, und hie und da fin¬<lb/>
gen &#x017F;chon die Glycinen an, ihre reizenden helllila<lb/>
Trauben zu entfalten. In Gries ließen wir uns<lb/>
einen Ti&#x017F;ch mit einer roth und blau gewürfelten<lb/>
Decke vor die Thür des Wirthshau&#x017F;es tragen und<lb/>
tranken Kaffee im warmen Sonnen&#x017F;chein. Die Kellner<lb/>
im &#x201E;Caf<hi rendition="#aq">é</hi> Vogelweide&#x201C; &#x017F;ind &#x017F;ehr freundlich gegen<lb/>
Putzi; einer, ein Italiener, bringt ihm immer ein<lb/>
Stückchen Zucker und trägt ihm &#x017F;eine Ta&#x017F;&#x017F;e Milch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0215] Was ſollte ich machen? Papa erklärte Mama eben die Gebirge, er war ganz bei den Formationen, und ich mochte ihn nicht ſtören. Alſo nehm' ich den Putzi auf und will mit ihm den Abhang hinabklet¬ tern. Plötzlich ſagt eine Stimme neben mir: „Ihr Hunderl hat Durſt, gelt, gnädiges Fräulein? Blei¬ ben Sie nur, ich hab' meinen Trinkbecher da.“ Und denkt Euch, er klettert hinunter und ſchöpft Waſſer — es ſah ſo gefährlich aus, faſt hätt' ich geſchrieen. Putzi war ganz verdurſtet, der Herr hielt ihm den Becher hin, ſtrich ihm übern Kopf und ſagte zwei¬ mal: „Ein netter Kerl!“ Ich bedankte mich, aber weil ich an die „Mitbewohner“ denken mußte, wurde ich ſehr verlegen und ging ſchnell den Eltern nach. Und in Gries war es wundervoll, lauter ſchmale Wege zwiſchen hohen Mauern! Wie warm es da war, und wie die Aprikoſenbäume darüber guckten mit ihren röthlichen Blüthen! Wir ſahen auch noch einige Mandelbäume in Blüthe, und hie und da fin¬ gen ſchon die Glycinen an, ihre reizenden helllila Trauben zu entfalten. In Gries ließen wir uns einen Tiſch mit einer roth und blau gewürfelten Decke vor die Thür des Wirthshauſes tragen und tranken Kaffee im warmen Sonnenſchein. Die Kellner im „Café Vogelweide“ ſind ſehr freundlich gegen Putzi; einer, ein Italiener, bringt ihm immer ein Stückchen Zucker und trägt ihm ſeine Taſſe Milch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/215
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/215>, abgerufen am 21.11.2024.