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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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sich Tristan und Isolde liebten! Es muß sehr schön
gewesen sein, nur das mag ich nicht, daß sie den
alten König Marke betrogen! Warum hätten sie ihm
nicht offen die Wahrheit sagen können? er hätte
ihnen gewiß verziehen, denn es war ja ein Liebes¬
trank, und sie konnten nichts dafür. Denke Dir,
Irene, wenn Du nun in solch eine schreckliche Lage
kämest, würdest Du nicht sofort Deinem Albert Alles
erzählen? Wenn ich einmal mit solch einem bösen
Gewissen herumlaufen müßte, wie die Isolde, ich hätte
an nichts mehr Freude. Aber das wird wohl auch
nur im Alterthum und allenfalls noch im Mittelalter
vorgekommen sein. Und denkt Euch, als wir nach¬
her um das Schloß herumgingen, wer da unten saß
an einem sehr malerischen Thorbogen, überhangen
von einem blühenden Apfelbaum? Der junge Herr,
unser Retter, und er hatte ein Skizzenbuch auf den
Knieen und zeichnete so eifrig, daß er gar nicht auf¬
blickte. Sein Gesicht ist sehr hübsch, braun und et¬
was mager, mit einem lockigen Vollbart, und neulich
habe ich auch schon bemerkt, daß er reizende Augen
hat, ähnlich wie Putzi's, groß und dunkelbraun.
Aber sehr ernsthaft sieht er aus, ja traurig, mit einer
tiefen Falte zwischen den Augenbrauen. Ob der
greuliche Landrath mit ihm verwandt ist und ihm die
Reise verdirbt? Mama glaubt, daß er Maler ist,
und ich denke mir, daß er sehr schöne, aber traurige

ſich Triſtan und Iſolde liebten! Es muß ſehr ſchön
geweſen ſein, nur das mag ich nicht, daß ſie den
alten König Marke betrogen! Warum hätten ſie ihm
nicht offen die Wahrheit ſagen können? er hätte
ihnen gewiß verziehen, denn es war ja ein Liebes¬
trank, und ſie konnten nichts dafür. Denke Dir,
Irene, wenn Du nun in ſolch eine ſchreckliche Lage
kämeſt, würdeſt Du nicht ſofort Deinem Albert Alles
erzählen? Wenn ich einmal mit ſolch einem böſen
Gewiſſen herumlaufen müßte, wie die Iſolde, ich hätte
an nichts mehr Freude. Aber das wird wohl auch
nur im Alterthum und allenfalls noch im Mittelalter
vorgekommen ſein. Und denkt Euch, als wir nach¬
her um das Schloß herumgingen, wer da unten ſaß
an einem ſehr maleriſchen Thorbogen, überhangen
von einem blühenden Apfelbaum? Der junge Herr,
unſer Retter, und er hatte ein Skizzenbuch auf den
Knieen und zeichnete ſo eifrig, daß er gar nicht auf¬
blickte. Sein Geſicht iſt ſehr hübſch, braun und et¬
was mager, mit einem lockigen Vollbart, und neulich
habe ich auch ſchon bemerkt, daß er reizende Augen
hat, ähnlich wie Putzi's, groß und dunkelbraun.
Aber ſehr ernſthaft ſieht er aus, ja traurig, mit einer
tiefen Falte zwiſchen den Augenbrauen. Ob der
greuliche Landrath mit ihm verwandt iſt und ihm die
Reiſe verdirbt? Mama glaubt, daß er Maler iſt,
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[203/0219] ſich Triſtan und Iſolde liebten! Es muß ſehr ſchön geweſen ſein, nur das mag ich nicht, daß ſie den alten König Marke betrogen! Warum hätten ſie ihm nicht offen die Wahrheit ſagen können? er hätte ihnen gewiß verziehen, denn es war ja ein Liebes¬ trank, und ſie konnten nichts dafür. Denke Dir, Irene, wenn Du nun in ſolch eine ſchreckliche Lage kämeſt, würdeſt Du nicht ſofort Deinem Albert Alles erzählen? Wenn ich einmal mit ſolch einem böſen Gewiſſen herumlaufen müßte, wie die Iſolde, ich hätte an nichts mehr Freude. Aber das wird wohl auch nur im Alterthum und allenfalls noch im Mittelalter vorgekommen ſein. Und denkt Euch, als wir nach¬ her um das Schloß herumgingen, wer da unten ſaß an einem ſehr maleriſchen Thorbogen, überhangen von einem blühenden Apfelbaum? Der junge Herr, unſer Retter, und er hatte ein Skizzenbuch auf den Knieen und zeichnete ſo eifrig, daß er gar nicht auf¬ blickte. Sein Geſicht iſt ſehr hübſch, braun und et¬ was mager, mit einem lockigen Vollbart, und neulich habe ich auch ſchon bemerkt, daß er reizende Augen hat, ähnlich wie Putzi's, groß und dunkelbraun. Aber ſehr ernſthaft ſieht er aus, ja traurig, mit einer tiefen Falte zwiſchen den Augenbrauen. Ob der greuliche Landrath mit ihm verwandt iſt und ihm die Reiſe verdirbt? Mama glaubt, daß er Maler iſt, und ich denke mir, daß er ſehr ſchöne, aber traurige

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/219>, abgerufen am 21.11.2024.