Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

mir nur erlauben, zu fragen, was hier los ist? Ob
die Herrschaften noch nicht bald zu Bett gehen? wol¬
len doch nicht die Nacht durch Theater spielen?
Kranker Zimmernachbar hat Anspruch auf Rücksicht!"
Bums, Thür zu! Wir sahen uns ganz versteinert
an. "Kinder, es ist wirklich über elf," sagte Papa,
"lest den Rest für Euch, es thut mir leid, daß dieser
Rüpel mir eine Lection in der Lebensart hat geben
müssen." Mama wollte Einspruch erheben, aber Papa
sagte kopfschüttelnd: "Hotel bleibt Hotel, da soll man
nicht thun, als ob man zu Hause wäre; man vergißt
das nur, wenn man lang' nicht gereist ist!" Aber
daß der Landrath auch hier wohnt!

Heut Nachmittag geht es weiter nach Trient!
Leider regnet es ein bischen, aber ganz lau, nicht
kalt wie in München oder gar in unserer geliebten
Kinderheimath Eisenach. Die Pfarrkirche mit dem
grünen Ziegeldach bimmelt fortwährend, sogar Nachts.
Schreibt uns nach Riva.

Eure Kläre.

P. S. Der Maler steht nicht hier im Fremden¬
buch, ich habe nachgesehen; der Landrath Nietzsche ja,
-- ich athme auf, sie sind gewiß nicht verwandt.


mir nur erlauben, zu fragen, was hier los iſt? Ob
die Herrſchaften noch nicht bald zu Bett gehen? wol¬
len doch nicht die Nacht durch Theater ſpielen?
Kranker Zimmernachbar hat Anſpruch auf Rückſicht!“
Bums, Thür zu! Wir ſahen uns ganz verſteinert
an. „Kinder, es iſt wirklich über elf,“ ſagte Papa,
„leſt den Reſt für Euch, es thut mir leid, daß dieſer
Rüpel mir eine Lection in der Lebensart hat geben
müſſen.“ Mama wollte Einſpruch erheben, aber Papa
ſagte kopfſchüttelnd: „Hôtel bleibt Hôtel, da ſoll man
nicht thun, als ob man zu Hauſe wäre; man vergißt
das nur, wenn man lang' nicht gereiſt iſt!“ Aber
daß der Landrath auch hier wohnt!

Heut Nachmittag geht es weiter nach Trient!
Leider regnet es ein bischen, aber ganz lau, nicht
kalt wie in München oder gar in unſerer geliebten
Kinderheimath Eiſenach. Die Pfarrkirche mit dem
grünen Ziegeldach bimmelt fortwährend, ſogar Nachts.
Schreibt uns nach Riva.

Eure Kläre.

P. S. Der Maler ſteht nicht hier im Fremden¬
buch, ich habe nachgeſehen; der Landrath Nietzſche ja,
— ich athme auf, ſie ſind gewiß nicht verwandt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0222" n="206"/>
mir nur erlauben, zu fragen, was hier los i&#x017F;t? Ob<lb/>
die Herr&#x017F;chaften noch nicht bald zu Bett gehen? wol¬<lb/>
len doch nicht die Nacht durch Theater &#x017F;pielen?<lb/>
Kranker Zimmernachbar hat An&#x017F;pruch auf Rück&#x017F;icht!&#x201C;<lb/>
Bums, Thür zu! Wir &#x017F;ahen uns ganz ver&#x017F;teinert<lb/>
an. &#x201E;Kinder, es i&#x017F;t wirklich über elf,&#x201C; &#x017F;agte Papa,<lb/>
&#x201E;le&#x017F;t den Re&#x017F;t für Euch, es thut mir leid, daß die&#x017F;er<lb/>
Rüpel mir eine Lection in der Lebensart hat geben<lb/>&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; Mama wollte Ein&#x017F;pruch erheben, aber Papa<lb/>
&#x017F;agte kopf&#x017F;chüttelnd: &#x201E;H<hi rendition="#aq">ô</hi>tel bleibt H<hi rendition="#aq">ô</hi>tel, da &#x017F;oll man<lb/>
nicht thun, als ob man zu Hau&#x017F;e wäre; man vergißt<lb/>
das nur, wenn man lang' nicht gerei&#x017F;t i&#x017F;t!&#x201C; Aber<lb/>
daß der Landrath auch hier wohnt!</p><lb/>
          <p>Heut Nachmittag geht es weiter nach Trient!<lb/>
Leider regnet es ein bischen, aber ganz lau, nicht<lb/>
kalt wie in München oder gar in un&#x017F;erer geliebten<lb/>
Kinderheimath Ei&#x017F;enach. Die Pfarrkirche mit dem<lb/>
grünen Ziegeldach bimmelt fortwährend, &#x017F;ogar Nachts.<lb/>
Schreibt uns nach Riva.</p>
          <closer>
            <salute>Eure Kläre.</salute>
          </closer><lb/>
          <postscript>
            <p><hi rendition="#aq">P</hi>. <hi rendition="#aq">S</hi>. Der Maler &#x017F;teht nicht hier im Fremden¬<lb/>
buch, ich habe nachge&#x017F;ehen; der Landrath Nietz&#x017F;che ja,<lb/>
&#x2014; ich athme auf, &#x017F;ie &#x017F;ind gewiß nicht verwandt.</p>
          </postscript><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0222] mir nur erlauben, zu fragen, was hier los iſt? Ob die Herrſchaften noch nicht bald zu Bett gehen? wol¬ len doch nicht die Nacht durch Theater ſpielen? Kranker Zimmernachbar hat Anſpruch auf Rückſicht!“ Bums, Thür zu! Wir ſahen uns ganz verſteinert an. „Kinder, es iſt wirklich über elf,“ ſagte Papa, „leſt den Reſt für Euch, es thut mir leid, daß dieſer Rüpel mir eine Lection in der Lebensart hat geben müſſen.“ Mama wollte Einſpruch erheben, aber Papa ſagte kopfſchüttelnd: „Hôtel bleibt Hôtel, da ſoll man nicht thun, als ob man zu Hauſe wäre; man vergißt das nur, wenn man lang' nicht gereiſt iſt!“ Aber daß der Landrath auch hier wohnt! Heut Nachmittag geht es weiter nach Trient! Leider regnet es ein bischen, aber ganz lau, nicht kalt wie in München oder gar in unſerer geliebten Kinderheimath Eiſenach. Die Pfarrkirche mit dem grünen Ziegeldach bimmelt fortwährend, ſogar Nachts. Schreibt uns nach Riva. Eure Kläre. P. S. Der Maler ſteht nicht hier im Fremden¬ buch, ich habe nachgeſehen; der Landrath Nietzſche ja, — ich athme auf, ſie ſind gewiß nicht verwandt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/222
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/222>, abgerufen am 24.11.2024.