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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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ganz roth und sprang herunter und sagte: "Putzi
scheint zu glauben, daß dies hier meine gewöhnliche
Beschäftigung ist, und Sie am Ende auch, mein Fräu¬
lein?" Denkt Euch! Ich lachte natürlich und sagte,
ich wisse wohl, daß er Maler sei, aber ich wurde doch
ganz verlegen mit und vergaß, auf Putzi zu achten,
und plötzlich läuft der Maler hin und reißt ihn von
dem steilen Absturz der Straße zurück! Das war ein
Schrecken! Putzi, der sich doch sonst von keinem
Fremden anrühren läßt, hatte nicht gemuckt, saß ganz
ruhig einen Augenblick auf seinem Arm und ließ sich
streicheln. Die alte Italienerin hat mir dann eine
Prise angeboten, und ich nahm sie ganz ahnungslos
und mußte fürchterlich nießen, worüber sie und ihr
Junge, der eine Harmonika hatte, jauchzten und in
die Hände klatschten. Hätte ich gewußt, wie es krib¬
belt, ich hätte nicht so viel genommen. Dann fuhr
der Wagen weiter, aber der Maler stieg nicht wieder
auf, und das freute mich, der arme Esel hatte so
schon genug zu ziehen. Ich ging weiter, immer höher
hinauf; links unten ist der See, blauer fast, als der
Himmel, rechts die Felswand, voller Blumen. O,
wie Einem die Augen hier groß und weit werden!
Nachher geht es immer um Zacken und durch ein
paar halbdunkle Tunnels, wenige Leute begegneten
mir; zuletzt steht da an der Bergwand, in einem
prachtvollen Tunnel, der ein Fenster hat, eine In¬

ganz roth und ſprang herunter und ſagte: „Putzi
ſcheint zu glauben, daß dies hier meine gewöhnliche
Beſchäftigung iſt, und Sie am Ende auch, mein Fräu¬
lein?“ Denkt Euch! Ich lachte natürlich und ſagte,
ich wiſſe wohl, daß er Maler ſei, aber ich wurde doch
ganz verlegen mit und vergaß, auf Putzi zu achten,
und plötzlich läuft der Maler hin und reißt ihn von
dem ſteilen Abſturz der Straße zurück! Das war ein
Schrecken! Putzi, der ſich doch ſonſt von keinem
Fremden anrühren läßt, hatte nicht gemuckt, ſaß ganz
ruhig einen Augenblick auf ſeinem Arm und ließ ſich
ſtreicheln. Die alte Italienerin hat mir dann eine
Priſe angeboten, und ich nahm ſie ganz ahnungslos
und mußte fürchterlich nießen, worüber ſie und ihr
Junge, der eine Harmonika hatte, jauchzten und in
die Hände klatſchten. Hätte ich gewußt, wie es krib¬
belt, ich hätte nicht ſo viel genommen. Dann fuhr
der Wagen weiter, aber der Maler ſtieg nicht wieder
auf, und das freute mich, der arme Eſel hatte ſo
ſchon genug zu ziehen. Ich ging weiter, immer höher
hinauf; links unten iſt der See, blauer faſt, als der
Himmel, rechts die Felswand, voller Blumen. O,
wie Einem die Augen hier groß und weit werden!
Nachher geht es immer um Zacken und durch ein
paar halbdunkle Tunnels, wenige Leute begegneten
mir; zuletzt ſteht da an der Bergwand, in einem
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[218/0234] ganz roth und ſprang herunter und ſagte: „Putzi ſcheint zu glauben, daß dies hier meine gewöhnliche Beſchäftigung iſt, und Sie am Ende auch, mein Fräu¬ lein?“ Denkt Euch! Ich lachte natürlich und ſagte, ich wiſſe wohl, daß er Maler ſei, aber ich wurde doch ganz verlegen mit und vergaß, auf Putzi zu achten, und plötzlich läuft der Maler hin und reißt ihn von dem ſteilen Abſturz der Straße zurück! Das war ein Schrecken! Putzi, der ſich doch ſonſt von keinem Fremden anrühren läßt, hatte nicht gemuckt, ſaß ganz ruhig einen Augenblick auf ſeinem Arm und ließ ſich ſtreicheln. Die alte Italienerin hat mir dann eine Priſe angeboten, und ich nahm ſie ganz ahnungslos und mußte fürchterlich nießen, worüber ſie und ihr Junge, der eine Harmonika hatte, jauchzten und in die Hände klatſchten. Hätte ich gewußt, wie es krib¬ belt, ich hätte nicht ſo viel genommen. Dann fuhr der Wagen weiter, aber der Maler ſtieg nicht wieder auf, und das freute mich, der arme Eſel hatte ſo ſchon genug zu ziehen. Ich ging weiter, immer höher hinauf; links unten iſt der See, blauer faſt, als der Himmel, rechts die Felswand, voller Blumen. O, wie Einem die Augen hier groß und weit werden! Nachher geht es immer um Zacken und durch ein paar halbdunkle Tunnels, wenige Leute begegneten mir; zuletzt ſteht da an der Bergwand, in einem prachtvollen Tunnel, der ein Fenſter hat, eine In¬

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/234>, abgerufen am 21.11.2024.