ganz roth und sprang herunter und sagte: "Putzi scheint zu glauben, daß dies hier meine gewöhnliche Beschäftigung ist, und Sie am Ende auch, mein Fräu¬ lein?" Denkt Euch! Ich lachte natürlich und sagte, ich wisse wohl, daß er Maler sei, aber ich wurde doch ganz verlegen mit und vergaß, auf Putzi zu achten, und plötzlich läuft der Maler hin und reißt ihn von dem steilen Absturz der Straße zurück! Das war ein Schrecken! Putzi, der sich doch sonst von keinem Fremden anrühren läßt, hatte nicht gemuckt, saß ganz ruhig einen Augenblick auf seinem Arm und ließ sich streicheln. Die alte Italienerin hat mir dann eine Prise angeboten, und ich nahm sie ganz ahnungslos und mußte fürchterlich nießen, worüber sie und ihr Junge, der eine Harmonika hatte, jauchzten und in die Hände klatschten. Hätte ich gewußt, wie es krib¬ belt, ich hätte nicht so viel genommen. Dann fuhr der Wagen weiter, aber der Maler stieg nicht wieder auf, und das freute mich, der arme Esel hatte so schon genug zu ziehen. Ich ging weiter, immer höher hinauf; links unten ist der See, blauer fast, als der Himmel, rechts die Felswand, voller Blumen. O, wie Einem die Augen hier groß und weit werden! Nachher geht es immer um Zacken und durch ein paar halbdunkle Tunnels, wenige Leute begegneten mir; zuletzt steht da an der Bergwand, in einem prachtvollen Tunnel, der ein Fenster hat, eine In¬
ganz roth und ſprang herunter und ſagte: „Putzi ſcheint zu glauben, daß dies hier meine gewöhnliche Beſchäftigung iſt, und Sie am Ende auch, mein Fräu¬ lein?“ Denkt Euch! Ich lachte natürlich und ſagte, ich wiſſe wohl, daß er Maler ſei, aber ich wurde doch ganz verlegen mit und vergaß, auf Putzi zu achten, und plötzlich läuft der Maler hin und reißt ihn von dem ſteilen Abſturz der Straße zurück! Das war ein Schrecken! Putzi, der ſich doch ſonſt von keinem Fremden anrühren läßt, hatte nicht gemuckt, ſaß ganz ruhig einen Augenblick auf ſeinem Arm und ließ ſich ſtreicheln. Die alte Italienerin hat mir dann eine Priſe angeboten, und ich nahm ſie ganz ahnungslos und mußte fürchterlich nießen, worüber ſie und ihr Junge, der eine Harmonika hatte, jauchzten und in die Hände klatſchten. Hätte ich gewußt, wie es krib¬ belt, ich hätte nicht ſo viel genommen. Dann fuhr der Wagen weiter, aber der Maler ſtieg nicht wieder auf, und das freute mich, der arme Eſel hatte ſo ſchon genug zu ziehen. Ich ging weiter, immer höher hinauf; links unten iſt der See, blauer faſt, als der Himmel, rechts die Felswand, voller Blumen. O, wie Einem die Augen hier groß und weit werden! Nachher geht es immer um Zacken und durch ein paar halbdunkle Tunnels, wenige Leute begegneten mir; zuletzt ſteht da an der Bergwand, in einem prachtvollen Tunnel, der ein Fenſter hat, eine In¬
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="letter"n="2"><p><pbfacs="#f0234"n="218"/>
ganz roth und ſprang herunter und ſagte: „Putzi<lb/>ſcheint zu glauben, daß dies hier meine gewöhnliche<lb/>
Beſchäftigung iſt, und Sie am Ende auch, mein Fräu¬<lb/>
lein?“ Denkt Euch! Ich lachte natürlich und ſagte,<lb/>
ich wiſſe wohl, daß er Maler ſei, aber ich wurde doch<lb/>
ganz verlegen mit und vergaß, auf Putzi zu achten,<lb/>
und plötzlich läuft der Maler hin und reißt ihn von<lb/>
dem ſteilen Abſturz der Straße zurück! Das war ein<lb/>
Schrecken! Putzi, der ſich doch ſonſt von keinem<lb/>
Fremden anrühren läßt, hatte nicht gemuckt, ſaß ganz<lb/>
ruhig einen Augenblick auf ſeinem Arm und ließ ſich<lb/>ſtreicheln. Die alte Italienerin hat mir dann eine<lb/>
Priſe angeboten, und ich nahm ſie ganz ahnungslos<lb/>
und mußte fürchterlich nießen, worüber ſie und ihr<lb/>
Junge, der eine Harmonika hatte, jauchzten und in<lb/>
die Hände klatſchten. Hätte ich gewußt, wie es krib¬<lb/>
belt, ich hätte nicht ſo viel genommen. Dann fuhr<lb/>
der Wagen weiter, aber der Maler ſtieg nicht wieder<lb/>
auf, und das freute mich, der arme Eſel hatte ſo<lb/>ſchon genug zu ziehen. Ich ging weiter, immer höher<lb/>
hinauf; links unten iſt der See, blauer faſt, als der<lb/>
Himmel, rechts die Felswand, voller Blumen. O,<lb/>
wie Einem die Augen hier groß und weit werden!<lb/>
Nachher geht es immer um Zacken und durch ein<lb/>
paar halbdunkle Tunnels, wenige Leute begegneten<lb/>
mir; zuletzt ſteht da an der Bergwand, in einem<lb/>
prachtvollen Tunnel, der ein Fenſter hat, eine In¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[218/0234]
ganz roth und ſprang herunter und ſagte: „Putzi
ſcheint zu glauben, daß dies hier meine gewöhnliche
Beſchäftigung iſt, und Sie am Ende auch, mein Fräu¬
lein?“ Denkt Euch! Ich lachte natürlich und ſagte,
ich wiſſe wohl, daß er Maler ſei, aber ich wurde doch
ganz verlegen mit und vergaß, auf Putzi zu achten,
und plötzlich läuft der Maler hin und reißt ihn von
dem ſteilen Abſturz der Straße zurück! Das war ein
Schrecken! Putzi, der ſich doch ſonſt von keinem
Fremden anrühren läßt, hatte nicht gemuckt, ſaß ganz
ruhig einen Augenblick auf ſeinem Arm und ließ ſich
ſtreicheln. Die alte Italienerin hat mir dann eine
Priſe angeboten, und ich nahm ſie ganz ahnungslos
und mußte fürchterlich nießen, worüber ſie und ihr
Junge, der eine Harmonika hatte, jauchzten und in
die Hände klatſchten. Hätte ich gewußt, wie es krib¬
belt, ich hätte nicht ſo viel genommen. Dann fuhr
der Wagen weiter, aber der Maler ſtieg nicht wieder
auf, und das freute mich, der arme Eſel hatte ſo
ſchon genug zu ziehen. Ich ging weiter, immer höher
hinauf; links unten iſt der See, blauer faſt, als der
Himmel, rechts die Felswand, voller Blumen. O,
wie Einem die Augen hier groß und weit werden!
Nachher geht es immer um Zacken und durch ein
paar halbdunkle Tunnels, wenige Leute begegneten
mir; zuletzt ſteht da an der Bergwand, in einem
prachtvollen Tunnel, der ein Fenſter hat, eine In¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/234>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.