Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.schon! Hab' die kleine Kläre wiedergesehen, endlich, Dein Eugen. ſchon! Hab' die kleine Kläre wiedergeſehen, endlich, Dein Eugen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0250" n="234"/> ſchon! Hab' die kleine Kläre wiedergeſehen, endlich,<lb/> und wo? — am „Grabe der Julia!“ Da bleib ein<lb/> Anderer vernünftig. Weiß wohl, was die Gelehrten<lb/> über den „Sarkophag“ für eine Anſicht haben, aber<lb/> für ſie war dieſer antike Schweinetrog ſo echt, ſo be¬<lb/> wundernswerth, ſo unantaſtbare Wirklichkeit! Und<lb/> ich frage Dich übrigens, warum könnt's nicht wahr<lb/> ſein? Wie ich da in die kleine Kapelle trat, durch<lb/> das Spitzbogenfenſter die Sonne ſchien auf den alten<lb/> Moſaikboden und den alten Steintrog, und die Rank¬<lb/> roſen draußen ihre zitternden Schatten warfen auf<lb/> das ſchlanke Ritterfräulein mit der tiefen Andacht in<lb/> den kindlichen Zügen, da erſchien mir alle Romantik<lb/> glaubwürdig und als das Wirkliche, Echte im Leben,<lb/> für das nur unſere Augen ſtumpf geworden ſind!<lb/> Und als ich gar bemerkte, daß ſie ſich freute — kurz<lb/> und gut, ich benahm mich unverantwortlich, und nun<lb/> ſitz' ich da und hab' noch immer keine Nachricht von<lb/> Dir! Aber, was iſt das auch für eine Wirthſchaft,<lb/> daß in unſerem verderbten neunzehnten Jahrhundert<lb/> ſo reizende Geſchöpfe unbewacht umherlaufen, um<lb/> Einem das bischen Verſtand vollends zu verwirren!<lb/> So etwas ſollte verboten werden. Freilich, ſolche<lb/> Muſtermenſchen, wie dieſes Elternpaar, urtheilt nach<lb/> ſich, und das Mädchen iſt ja auch von einer himm¬<lb/> liſchen Einfalt! Lebewohl, ſchilt mich, wie ich's<lb/> verdiene.</p> <closer> <salute>Dein Eugen.</salute> </closer><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [234/0250]
ſchon! Hab' die kleine Kläre wiedergeſehen, endlich,
und wo? — am „Grabe der Julia!“ Da bleib ein
Anderer vernünftig. Weiß wohl, was die Gelehrten
über den „Sarkophag“ für eine Anſicht haben, aber
für ſie war dieſer antike Schweinetrog ſo echt, ſo be¬
wundernswerth, ſo unantaſtbare Wirklichkeit! Und
ich frage Dich übrigens, warum könnt's nicht wahr
ſein? Wie ich da in die kleine Kapelle trat, durch
das Spitzbogenfenſter die Sonne ſchien auf den alten
Moſaikboden und den alten Steintrog, und die Rank¬
roſen draußen ihre zitternden Schatten warfen auf
das ſchlanke Ritterfräulein mit der tiefen Andacht in
den kindlichen Zügen, da erſchien mir alle Romantik
glaubwürdig und als das Wirkliche, Echte im Leben,
für das nur unſere Augen ſtumpf geworden ſind!
Und als ich gar bemerkte, daß ſie ſich freute — kurz
und gut, ich benahm mich unverantwortlich, und nun
ſitz' ich da und hab' noch immer keine Nachricht von
Dir! Aber, was iſt das auch für eine Wirthſchaft,
daß in unſerem verderbten neunzehnten Jahrhundert
ſo reizende Geſchöpfe unbewacht umherlaufen, um
Einem das bischen Verſtand vollends zu verwirren!
So etwas ſollte verboten werden. Freilich, ſolche
Muſtermenſchen, wie dieſes Elternpaar, urtheilt nach
ſich, und das Mädchen iſt ja auch von einer himm¬
liſchen Einfalt! Lebewohl, ſchilt mich, wie ich's
verdiene.
Dein Eugen.
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