Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

täglich an meinem Haus vorbei, wenn sie stadtein
geht -- ich, der arme Netzumstellte, bin verurtheilt,
Klärchen zu verleugnen und die Hechingen zu cha¬
peronniren, sobald es der einfällt! Das Frauen¬
zimmer wird mich noch zu einer Verzweiflungsthat
treiben. Du sollst es erleben. Könntest Du ihr nicht
eine Depesche schicken, die sie sofort nach München
zurückberuft? Anonym natürlich! Schreib ihr, ihr
Haus sei abgebrannt, ihr Sohn sei im Duell gefallen,
ihre verheirathete Tochter sei mit einem Anderen
durchgegangen, etwas Drastisches muß es schon sein,
sonst wirkt es bei ihr nicht. Ach, ich fürchte, Deine
angeborene Weichherzigkeit läßt Dich vor jedem Ge¬
waltmittel zurückbeben. Du hast keinen Muth, Toni!
Ihr Tyroler seid einmal zu gemüthvoll! Aber frei¬
lich, Du hast den Jammer nicht auszustehen! Die
Briefe von -- Selma hast Du mir auch noch nicht
geschickt, überhaupt keinen Brief! Den Studienkasten
auch nicht! Na, Du bist ein netter Kerl! Und ich
erst!

Dein Eugen.

Derselbe an Denselben.

Gottlob, daß ich arbeiten kann! Hast Alles
brav gemacht, alter Junge! So werd' ich die Ge¬

täglich an meinem Haus vorbei, wenn ſie ſtadtein
geht — ich, der arme Netzumſtellte, bin verurtheilt,
Klärchen zu verleugnen und die Hechingen zu cha¬
peronniren, ſobald es der einfällt! Das Frauen¬
zimmer wird mich noch zu einer Verzweiflungsthat
treiben. Du ſollſt es erleben. Könnteſt Du ihr nicht
eine Depeſche ſchicken, die ſie ſofort nach München
zurückberuft? Anonym natürlich! Schreib ihr, ihr
Haus ſei abgebrannt, ihr Sohn ſei im Duell gefallen,
ihre verheirathete Tochter ſei mit einem Anderen
durchgegangen, etwas Draſtiſches muß es ſchon ſein,
ſonſt wirkt es bei ihr nicht. Ach, ich fürchte, Deine
angeborene Weichherzigkeit läßt Dich vor jedem Ge¬
waltmittel zurückbeben. Du haſt keinen Muth, Toni!
Ihr Tyroler ſeid einmal zu gemüthvoll! Aber frei¬
lich, Du haſt den Jammer nicht auszuſtehen! Die
Briefe von — Selma haſt Du mir auch noch nicht
geſchickt, überhaupt keinen Brief! Den Studienkaſten
auch nicht! Na, Du biſt ein netter Kerl! Und ich
erſt!

Dein Eugen.

Derſelbe an Denſelben.

Gottlob, daß ich arbeiten kann! Haſt Alles
brav gemacht, alter Junge! So werd' ich die Ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0254" n="238"/>
täglich an meinem Haus vorbei, wenn &#x017F;ie &#x017F;tadtein<lb/>
geht &#x2014; ich, der arme Netzum&#x017F;tellte, bin verurtheilt,<lb/>
Klärchen zu verleugnen und die Hechingen zu cha¬<lb/>
peronniren, &#x017F;obald es der einfällt! Das Frauen¬<lb/>
zimmer wird mich noch zu einer Verzweiflungsthat<lb/>
treiben. Du &#x017F;oll&#x017F;t es erleben. Könnte&#x017F;t Du ihr nicht<lb/>
eine Depe&#x017F;che &#x017F;chicken, die &#x017F;ie &#x017F;ofort nach München<lb/>
zurückberuft? Anonym natürlich! Schreib ihr, ihr<lb/>
Haus &#x017F;ei abgebrannt, ihr Sohn &#x017F;ei im Duell gefallen,<lb/>
ihre verheirathete Tochter &#x017F;ei mit einem Anderen<lb/>
durchgegangen, etwas Dra&#x017F;ti&#x017F;ches muß es &#x017F;chon &#x017F;ein,<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t wirkt es bei ihr nicht. Ach, ich fürchte, Deine<lb/>
angeborene Weichherzigkeit läßt Dich vor jedem Ge¬<lb/>
waltmittel zurückbeben. Du ha&#x017F;t keinen Muth, Toni!<lb/>
Ihr Tyroler &#x017F;eid einmal zu gemüthvoll! Aber frei¬<lb/>
lich, Du ha&#x017F;t den Jammer nicht auszu&#x017F;tehen! Die<lb/>
Briefe von &#x2014; Selma ha&#x017F;t Du mir auch noch nicht<lb/>
ge&#x017F;chickt, überhaupt keinen Brief! Den Studienka&#x017F;ten<lb/>
auch nicht! Na, Du bi&#x017F;t ein netter Kerl! Und ich<lb/>
er&#x017F;t!</p>
          <closer>
            <salute>Dein Eugen.</salute>
          </closer><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div type="letter" n="2">
          <head><hi rendition="#g">Der&#x017F;elbe an Den&#x017F;elben</hi>.<lb/></head>
          <opener>
            <dateline rendition="#right">Venedig, 13. April. </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Gottlob, daß ich arbeiten kann! Ha&#x017F;t Alles<lb/>
brav gemacht, alter Junge! So werd' ich die Ge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0254] täglich an meinem Haus vorbei, wenn ſie ſtadtein geht — ich, der arme Netzumſtellte, bin verurtheilt, Klärchen zu verleugnen und die Hechingen zu cha¬ peronniren, ſobald es der einfällt! Das Frauen¬ zimmer wird mich noch zu einer Verzweiflungsthat treiben. Du ſollſt es erleben. Könnteſt Du ihr nicht eine Depeſche ſchicken, die ſie ſofort nach München zurückberuft? Anonym natürlich! Schreib ihr, ihr Haus ſei abgebrannt, ihr Sohn ſei im Duell gefallen, ihre verheirathete Tochter ſei mit einem Anderen durchgegangen, etwas Draſtiſches muß es ſchon ſein, ſonſt wirkt es bei ihr nicht. Ach, ich fürchte, Deine angeborene Weichherzigkeit läßt Dich vor jedem Ge¬ waltmittel zurückbeben. Du haſt keinen Muth, Toni! Ihr Tyroler ſeid einmal zu gemüthvoll! Aber frei¬ lich, Du haſt den Jammer nicht auszuſtehen! Die Briefe von — Selma haſt Du mir auch noch nicht geſchickt, überhaupt keinen Brief! Den Studienkaſten auch nicht! Na, Du biſt ein netter Kerl! Und ich erſt! Dein Eugen. Derſelbe an Denſelben. Venedig, 13. April. Gottlob, daß ich arbeiten kann! Haſt Alles brav gemacht, alter Junge! So werd' ich die Ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/254
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/254>, abgerufen am 22.11.2024.