Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

bitte Dich, das versteht sich für sie doch ganz von
selbst! Nein, ich habe sie verloren, jetzt weiß ich's
sicher. Sie wird roth und blaß, wenn wir in Ga¬
lerien und Kirchen zusammentreffen, was doch hie und
da geschieht. Und immer sind die Eltern dicht bei
ihr und sehen mich fremd und kühl an, als wollten
sie mich mit den Blicken in angemessener Entfernung
halten, und ich kann's kaum glauben, daß dies die¬
selben Menschen sind, die so unbefangen und freund¬
lich waren und mich in ihr Haus einluden. Ich bin
in den Bann gethan! Frag' doch mal beiläufig
Selma, wenn Du sie siehst, ob sie mich verflucht hat.
Ich möchte wissen, ob ihre Flüche wirken. Was sie
übrigens dazu veranlaßt haben könnte, wüßt ich auch
gern. Daß ich Klarheit verlangte, ihr ein Entweder
-- Oder stellte, wer kann mir's verdenken? Daß sie
trotz ihrer Liebe zu mir, ihrer sogenannten großen
Leidenschaft, es auch mit dem -- Gatten nicht ganz
verderben wollte, daß sie ihr stattliches Haus, den
Luxus, der sie umgab, nicht aufzugeben gedachte, um
einem jungen Liebhaber zu folgen, der nicht viel
mehr hat als sein Talent, -- ist das ihre Schuld
oder die meine? --

Ich füttere meine hungrige Seele, um sie über
die dürre Gegenwart zu täuschen, mit süßen Brocken
aus der Vergangenheit. Auf dem Dampfer von
Riva nach Gargnano hab' ich eigentlich am ungestör¬

bitte Dich, das verſteht ſich für ſie doch ganz von
ſelbſt! Nein, ich habe ſie verloren, jetzt weiß ich's
ſicher. Sie wird roth und blaß, wenn wir in Ga¬
lerien und Kirchen zuſammentreffen, was doch hie und
da geſchieht. Und immer ſind die Eltern dicht bei
ihr und ſehen mich fremd und kühl an, als wollten
ſie mich mit den Blicken in angemeſſener Entfernung
halten, und ich kann's kaum glauben, daß dies die¬
ſelben Menſchen ſind, die ſo unbefangen und freund¬
lich waren und mich in ihr Haus einluden. Ich bin
in den Bann gethan! Frag' doch mal beiläufig
Selma, wenn Du ſie ſiehſt, ob ſie mich verflucht hat.
Ich möchte wiſſen, ob ihre Flüche wirken. Was ſie
übrigens dazu veranlaßt haben könnte, wüßt ich auch
gern. Daß ich Klarheit verlangte, ihr ein Entweder
— Oder ſtellte, wer kann mir's verdenken? Daß ſie
trotz ihrer Liebe zu mir, ihrer ſogenannten großen
Leidenſchaft, es auch mit dem — Gatten nicht ganz
verderben wollte, daß ſie ihr ſtattliches Haus, den
Luxus, der ſie umgab, nicht aufzugeben gedachte, um
einem jungen Liebhaber zu folgen, der nicht viel
mehr hat als ſein Talent, — iſt das ihre Schuld
oder die meine? —

Ich füttere meine hungrige Seele, um ſie über
die dürre Gegenwart zu täuſchen, mit ſüßen Brocken
aus der Vergangenheit. Auf dem Dampfer von
Riva nach Gargnano hab' ich eigentlich am ungeſtör¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0267" n="251"/>
bitte Dich, das ver&#x017F;teht &#x017F;ich für &#x017F;ie doch ganz von<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t! Nein, ich habe &#x017F;ie verloren, jetzt weiß ich's<lb/>
&#x017F;icher. Sie wird roth und blaß, wenn wir in Ga¬<lb/>
lerien und Kirchen zu&#x017F;ammentreffen, was doch hie und<lb/>
da ge&#x017F;chieht. Und immer &#x017F;ind die Eltern dicht bei<lb/>
ihr und &#x017F;ehen mich fremd und kühl an, als wollten<lb/>
&#x017F;ie mich mit den Blicken in angeme&#x017F;&#x017F;ener Entfernung<lb/>
halten, und ich kann's kaum glauben, daß dies die¬<lb/>
&#x017F;elben Men&#x017F;chen &#x017F;ind, die &#x017F;o unbefangen und freund¬<lb/>
lich waren und mich in ihr Haus einluden. Ich bin<lb/>
in den Bann gethan! Frag' doch mal beiläufig<lb/>
Selma, wenn Du &#x017F;ie &#x017F;ieh&#x017F;t, ob &#x017F;ie mich verflucht hat.<lb/>
Ich möchte wi&#x017F;&#x017F;en, ob ihre Flüche wirken. Was &#x017F;ie<lb/>
übrigens dazu veranlaßt haben könnte, wüßt ich auch<lb/>
gern. Daß ich Klarheit verlangte, ihr ein Entweder<lb/>
&#x2014; Oder &#x017F;tellte, wer kann mir's verdenken? Daß &#x017F;ie<lb/>
trotz ihrer Liebe zu mir, ihrer &#x017F;ogenannten großen<lb/>
Leiden&#x017F;chaft, es auch mit dem &#x2014; Gatten nicht ganz<lb/>
verderben wollte, daß &#x017F;ie ihr &#x017F;tattliches Haus, den<lb/>
Luxus, der &#x017F;ie umgab, nicht aufzugeben gedachte, um<lb/>
einem jungen Liebhaber zu folgen, der nicht viel<lb/>
mehr hat als &#x017F;ein Talent, &#x2014; i&#x017F;t das ihre Schuld<lb/>
oder die meine? &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich füttere meine hungrige Seele, um &#x017F;ie über<lb/>
die dürre Gegenwart zu täu&#x017F;chen, mit &#x017F;üßen Brocken<lb/>
aus der Vergangenheit. Auf dem Dampfer von<lb/>
Riva nach Gargnano hab' ich eigentlich am unge&#x017F;tör¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0267] bitte Dich, das verſteht ſich für ſie doch ganz von ſelbſt! Nein, ich habe ſie verloren, jetzt weiß ich's ſicher. Sie wird roth und blaß, wenn wir in Ga¬ lerien und Kirchen zuſammentreffen, was doch hie und da geſchieht. Und immer ſind die Eltern dicht bei ihr und ſehen mich fremd und kühl an, als wollten ſie mich mit den Blicken in angemeſſener Entfernung halten, und ich kann's kaum glauben, daß dies die¬ ſelben Menſchen ſind, die ſo unbefangen und freund¬ lich waren und mich in ihr Haus einluden. Ich bin in den Bann gethan! Frag' doch mal beiläufig Selma, wenn Du ſie ſiehſt, ob ſie mich verflucht hat. Ich möchte wiſſen, ob ihre Flüche wirken. Was ſie übrigens dazu veranlaßt haben könnte, wüßt ich auch gern. Daß ich Klarheit verlangte, ihr ein Entweder — Oder ſtellte, wer kann mir's verdenken? Daß ſie trotz ihrer Liebe zu mir, ihrer ſogenannten großen Leidenſchaft, es auch mit dem — Gatten nicht ganz verderben wollte, daß ſie ihr ſtattliches Haus, den Luxus, der ſie umgab, nicht aufzugeben gedachte, um einem jungen Liebhaber zu folgen, der nicht viel mehr hat als ſein Talent, — iſt das ihre Schuld oder die meine? — Ich füttere meine hungrige Seele, um ſie über die dürre Gegenwart zu täuſchen, mit ſüßen Brocken aus der Vergangenheit. Auf dem Dampfer von Riva nach Gargnano hab' ich eigentlich am ungeſtör¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/267
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/267>, abgerufen am 27.11.2024.