Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.tiefrothem Mündchen, wie Jeder sehen konnte. Sie "Nicht, nicht!" bat er die kleine Zerstörerin, die Das Mädchen sah ihn erstaunt an: "Morgen gibt's wieder neue, die machen noch An den Stachelbeerhecken schimmerten die grünen tiefrothem Mündchen, wie Jeder ſehen konnte. Sie „Nicht, nicht!“ bat er die kleine Zerſtörerin, die Das Mädchen ſah ihn erſtaunt an: „Morgen gibt's wieder neue, die machen noch An den Stachelbeerhecken ſchimmerten die grünen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0045" n="29"/> tiefrothem Mündchen, wie Jeder ſehen konnte. Sie<lb/> begrüßte den jungen Hamburger ſo unbefangen, als<lb/> kenne ſie ihn ſeit Jahren, ließ ſich aber nicht ſtören<lb/> in ihrer Beſchäftigung, eine Hand voll blauer und<lb/> gelber Krokus, die ſie eben gepflückt hatte, zu einem<lb/> Sträußchen zuſammenzubinden und an ihr rothes At¬<lb/> lasmieder zu ſtecken. Kaum aber ſaß es dort, ſo<lb/> nahm ſie es wieder herunter und ſagte kopfſchüttelnd:<lb/> „Es paßt nicht, ich werf's fort, oder wollen Sie es<lb/> haben?“ Dabei legte ſie ihm die kaum aufgeblühten,<lb/> aber ſchon halbwelken Krokus in die offene Hand.<lb/> Alfred hatte Blumen ſehr gern, die zarten Frühlings¬<lb/> kinder am liebſten.</p><lb/> <p>„Nicht, nicht!“ bat er die kleine Zerſtörerin, die<lb/> ſich ſchon wieder zu dem Beet gebückt hatte, „ſehen<lb/> Sie, wie ſie ſich an der Sonne freuen, wie ſie alle<lb/> Kelche weit geöffnet haben.“</p><lb/> <p>Das Mädchen ſah ihn erſtaunt an:</p><lb/> <p>„Morgen gibt's wieder neue, die machen noch<lb/> lang' fort; ich nehm' jetzt nur die gelben, weil's<lb/> Violett nicht zu dem Roth da geht.“</p><lb/> <p>An den Stachelbeerhecken ſchimmerten die grünen<lb/> jungen Blättchen, hin und wieder war ſchon eine der<lb/> beſcheidenen bräunlichen Blüthen ausgeſchlüpft. Vor<lb/> Alfreds Seele ſtand plötzlich der kleine Garten ſeiner<lb/> Kindheit, der Fliederbuſch, der wilde Wein an der<lb/> Laube und ſein Kinderentzücken über die erſten grünen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0045]
tiefrothem Mündchen, wie Jeder ſehen konnte. Sie
begrüßte den jungen Hamburger ſo unbefangen, als
kenne ſie ihn ſeit Jahren, ließ ſich aber nicht ſtören
in ihrer Beſchäftigung, eine Hand voll blauer und
gelber Krokus, die ſie eben gepflückt hatte, zu einem
Sträußchen zuſammenzubinden und an ihr rothes At¬
lasmieder zu ſtecken. Kaum aber ſaß es dort, ſo
nahm ſie es wieder herunter und ſagte kopfſchüttelnd:
„Es paßt nicht, ich werf's fort, oder wollen Sie es
haben?“ Dabei legte ſie ihm die kaum aufgeblühten,
aber ſchon halbwelken Krokus in die offene Hand.
Alfred hatte Blumen ſehr gern, die zarten Frühlings¬
kinder am liebſten.
„Nicht, nicht!“ bat er die kleine Zerſtörerin, die
ſich ſchon wieder zu dem Beet gebückt hatte, „ſehen
Sie, wie ſie ſich an der Sonne freuen, wie ſie alle
Kelche weit geöffnet haben.“
Das Mädchen ſah ihn erſtaunt an:
„Morgen gibt's wieder neue, die machen noch
lang' fort; ich nehm' jetzt nur die gelben, weil's
Violett nicht zu dem Roth da geht.“
An den Stachelbeerhecken ſchimmerten die grünen
jungen Blättchen, hin und wieder war ſchon eine der
beſcheidenen bräunlichen Blüthen ausgeſchlüpft. Vor
Alfreds Seele ſtand plötzlich der kleine Garten ſeiner
Kindheit, der Fliederbuſch, der wilde Wein an der
Laube und ſein Kinderentzücken über die erſten grünen
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