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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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gen früh; ich hab' eine schwindsüchtige Schwester da¬
heim, die wird wohl in dem Frühjahr draufgehen, schreibt
mir die Mutter. Man weiß nicht, wie lang es an¬
stehen kann, -- ich möcht sie noch sehen. Vielleicht
mal' ich sie für die Mutter, sie hat immer danach
verlangt, ihr zartes Gesicht zu haben."

Er schwieg; der Leidenszug trat heute deutlich
hervor, sein gelassener Ton kontrastirte seltsam damit.

"Ach, wie das traurig ist," sagte Alfred herzlich.

"Ja, aber es hilft nicht, es ist nun schon so;
wir haben's seit drei Jahren kommen sehen, daß es
so geht, aber hin will ich noch." Er sah den Bild¬
hauer mit zuckendem Munde an, als wolle er noch
etwas sagen.

"Kann ich irgend etwas thun?" -- rief der, seine
warmen kindlichen Augen halbschließend, damit der
Andre nicht sehe, daß eine Thräne darin stand,

"Gehen Sie manchmal zum Spitzer, und geben
Sie Acht auf die Loni," erwiderte Wolff, "nicht
wahr, Sie sind nicht angebrannt?"

"Seien Sie meiner ganz sicher," sagte Alfred
ehrlich betheuernd.

"Nun also; sehen Sie dort nach dem Rechten,
Sie wissen ja, wie's hergeht, haben's ja selbst ge¬
seh'n. Ich möcht's nicht erleben, daß sie sich etwa
mit dem "Buben" oder dem "Storch" in eine Liebes¬

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gen früh; ich hab' eine ſchwindſüchtige Schweſter da¬
heim, die wird wohl in dem Frühjahr draufgehen, ſchreibt
mir die Mutter. Man weiß nicht, wie lang es an¬
ſtehen kann, — ich möcht ſie noch ſehen. Vielleicht
mal' ich ſie für die Mutter, ſie hat immer danach
verlangt, ihr zartes Geſicht zu haben.“

Er ſchwieg; der Leidenszug trat heute deutlich
hervor, ſein gelaſſener Ton kontraſtirte ſeltſam damit.

„Ach, wie das traurig iſt,“ ſagte Alfred herzlich.

„Ja, aber es hilft nicht, es iſt nun ſchon ſo;
wir haben's ſeit drei Jahren kommen ſehen, daß es
ſo geht, aber hin will ich noch.“ Er ſah den Bild¬
hauer mit zuckendem Munde an, als wolle er noch
etwas ſagen.

„Kann ich irgend etwas thun?“ — rief der, ſeine
warmen kindlichen Augen halbſchließend, damit der
Andre nicht ſehe, daß eine Thräne darin ſtand,

„Gehen Sie manchmal zum Spitzer, und geben
Sie Acht auf die Loni,“ erwiderte Wolff, „nicht
wahr, Sie ſind nicht angebrannt?“

„Seien Sie meiner ganz ſicher,“ ſagte Alfred
ehrlich betheuernd.

„Nun alſo; ſehen Sie dort nach dem Rechten,
Sie wiſſen ja, wie's hergeht, haben's ja ſelbſt ge¬
ſeh'n. Ich möcht's nicht erleben, daß ſie ſich etwa
mit dem „Buben“ oder dem „Storch“ in eine Liebes¬

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[51/0067] gen früh; ich hab' eine ſchwindſüchtige Schweſter da¬ heim, die wird wohl in dem Frühjahr draufgehen, ſchreibt mir die Mutter. Man weiß nicht, wie lang es an¬ ſtehen kann, — ich möcht ſie noch ſehen. Vielleicht mal' ich ſie für die Mutter, ſie hat immer danach verlangt, ihr zartes Geſicht zu haben.“ Er ſchwieg; der Leidenszug trat heute deutlich hervor, ſein gelaſſener Ton kontraſtirte ſeltſam damit. „Ach, wie das traurig iſt,“ ſagte Alfred herzlich. „Ja, aber es hilft nicht, es iſt nun ſchon ſo; wir haben's ſeit drei Jahren kommen ſehen, daß es ſo geht, aber hin will ich noch.“ Er ſah den Bild¬ hauer mit zuckendem Munde an, als wolle er noch etwas ſagen. „Kann ich irgend etwas thun?“ — rief der, ſeine warmen kindlichen Augen halbſchließend, damit der Andre nicht ſehe, daß eine Thräne darin ſtand, „Gehen Sie manchmal zum Spitzer, und geben Sie Acht auf die Loni,“ erwiderte Wolff, „nicht wahr, Sie ſind nicht angebrannt?“ „Seien Sie meiner ganz ſicher,“ ſagte Alfred ehrlich betheuernd. „Nun alſo; ſehen Sie dort nach dem Rechten, Sie wiſſen ja, wie's hergeht, haben's ja ſelbſt ge¬ ſeh'n. Ich möcht's nicht erleben, daß ſie ſich etwa mit dem „Buben“ oder dem „Storch“ in eine Liebes¬ 4 *

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/67>, abgerufen am 24.11.2024.