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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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weiche dunkle Gelock, sein Herz schlug ängstlich
und hart.

Da ging ein Mann an der Gartenpforte vor¬
über, nah' bei ihnen; Alfred sah nicht viel mehr, als
den grauen Schlapphut, aber es fuhr ihm wie ein
Stich durch die Brust. Trug nicht Wolff solch einen
Hut? Wolff und er -- o!

"Gute Nacht!" stammelte er mit einem hastigen
kurzen Händedruck und war, ohne sich umzusehen, mit
einem Sprung aus dem Garten.

Er ging nicht der Richtung nach, die jener Spa¬
ziergänger genommen, der den Schlafwandler auf¬
geweckt. O nein! Er eilte nach der entgegengesetzten
Seite, obgleich sie ihn weiter hinausführte. Wenn
der Mann wirklich sein Freund gewesen wäre, er
hätte nicht erschrockener vor ihm fliehen können. Und
doch lief er eigentlich vor sich selbst und zwar mit
dem erdrückenden Bewußtsein, daß das nutzlos sei
und daß er sich nicht entlaufen könne. Was hatte er
gethan! Weh, was hatte er gethan! Für sich ge¬
nommen, was er dem Freund bewahren sollte! Es
verdiente die schwärzesten Namen. Wie er sich an¬
klagte, wie er sich haßte. Solch ein Mensch, solch
ein Freund! Solch ein Vertrauen! Und dazwischen
erboste er sich wieder für seine bisherige Unschuld,
kämpfte mit sich selbst für sie. -- "Für mich genom¬
men?" sagte er sich, "nicht doch -- in den Schoß

weiche dunkle Gelock, ſein Herz ſchlug ängſtlich
und hart.

Da ging ein Mann an der Gartenpforte vor¬
über, nah' bei ihnen; Alfred ſah nicht viel mehr, als
den grauen Schlapphut, aber es fuhr ihm wie ein
Stich durch die Bruſt. Trug nicht Wolff ſolch einen
Hut? Wolff und er — o!

„Gute Nacht!“ ſtammelte er mit einem haſtigen
kurzen Händedruck und war, ohne ſich umzuſehen, mit
einem Sprung aus dem Garten.

Er ging nicht der Richtung nach, die jener Spa¬
ziergänger genommen, der den Schlafwandler auf¬
geweckt. O nein! Er eilte nach der entgegengeſetzten
Seite, obgleich ſie ihn weiter hinausführte. Wenn
der Mann wirklich ſein Freund geweſen wäre, er
hätte nicht erſchrockener vor ihm fliehen können. Und
doch lief er eigentlich vor ſich ſelbſt und zwar mit
dem erdrückenden Bewußtſein, daß das nutzlos ſei
und daß er ſich nicht entlaufen könne. Was hatte er
gethan! Weh, was hatte er gethan! Für ſich ge¬
nommen, was er dem Freund bewahren ſollte! Es
verdiente die ſchwärzeſten Namen. Wie er ſich an¬
klagte, wie er ſich haßte. Solch ein Menſch, ſolch
ein Freund! Solch ein Vertrauen! Und dazwiſchen
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[68/0084] weiche dunkle Gelock, ſein Herz ſchlug ängſtlich und hart. Da ging ein Mann an der Gartenpforte vor¬ über, nah' bei ihnen; Alfred ſah nicht viel mehr, als den grauen Schlapphut, aber es fuhr ihm wie ein Stich durch die Bruſt. Trug nicht Wolff ſolch einen Hut? Wolff und er — o! „Gute Nacht!“ ſtammelte er mit einem haſtigen kurzen Händedruck und war, ohne ſich umzuſehen, mit einem Sprung aus dem Garten. Er ging nicht der Richtung nach, die jener Spa¬ ziergänger genommen, der den Schlafwandler auf¬ geweckt. O nein! Er eilte nach der entgegengeſetzten Seite, obgleich ſie ihn weiter hinausführte. Wenn der Mann wirklich ſein Freund geweſen wäre, er hätte nicht erſchrockener vor ihm fliehen können. Und doch lief er eigentlich vor ſich ſelbſt und zwar mit dem erdrückenden Bewußtſein, daß das nutzlos ſei und daß er ſich nicht entlaufen könne. Was hatte er gethan! Weh, was hatte er gethan! Für ſich ge¬ nommen, was er dem Freund bewahren ſollte! Es verdiente die ſchwärzeſten Namen. Wie er ſich an¬ klagte, wie er ſich haßte. Solch ein Menſch, ſolch ein Freund! Solch ein Vertrauen! Und dazwiſchen erboſte er ſich wieder für ſeine bisherige Unſchuld, kämpfte mit ſich ſelbſt für ſie. — „Für mich genom¬ men?“ ſagte er ſich, „nicht doch — in den Schoß

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/84>, abgerufen am 24.11.2024.