Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Titularräthin, das große Nebenzimmer mit der Preisermäßigung inne. Aber in all der Zeit war es nicht geschehen, daß Frau von Götzendorff Athem und Stimme wieder bekam unter einer halben Stunde, und heute war es kaum zehn Minuten über halb vier, und schon tönte ihr wohlverständlicher, wenn auch gurgelnder Ruf durch die Thürspalte: "Ach, meine liebe Frau Titularrath, sehen Sie doch geschwind aus dem Fenster, vers le chalet, savez-vous! ah! ah! ah!" "O! o! o! ich sterbe!" echo'te es aus dem Nebenzimmer, die Titularräthin hatte gesehen. "Ein Mann!" "Un jeune homme!" "Es kann doch nicht der Bäcker gewesen sein?" "Aber ich muß sehr bitten, der kommt ja mit Korb und weißer Schürze" "Vielleicht der Doktor? la bonne est malade." "Ein junger Herr ohne Krückstock, schlank wie ein Adonis." "Ach, meine liebe Frau von Götzendorff, da fällt mir etwas ein, - die Gretel ist gestern abend fortgeschickt worden!" Ein Schrei beantwortete diese Notiz. Halbbekleidet näherten sie sich von beiden Seiten der Thür zwischen ihren Zimmern, erweiterten den Spalt, drückten sich die Hände und verdrehten die Augen. "Vielleicht ein Dieb, ein Mörder, Frau von Titularräthin, das große Nebenzimmer mit der Preisermäßigung inne. Aber in all der Zeit war es nicht geschehen, daß Frau von Götzendorff Athem und Stimme wieder bekam unter einer halben Stunde, und heute war es kaum zehn Minuten über halb vier, und schon tönte ihr wohlverständlicher, wenn auch gurgelnder Ruf durch die Thürspalte: „Ach, meine liebe Frau Titularrath, sehen Sie doch geschwind aus dem Fenster, vers le chalet, savez-vous! ah! ah! ah!“ „O! o! o! ich sterbe!“ echo’te es aus dem Nebenzimmer, die Titularräthin hatte gesehen. „Ein Mann!“ „Un jeune homme!“ „Es kann doch nicht der Bäcker gewesen sein?“ „Aber ich muß sehr bitten, der kommt ja mit Korb und weißer Schürze“ „Vielleicht der Doktor? la bonne est malade.“ „Ein junger Herr ohne Krückstock, schlank wie ein Adonis.“ „Ach, meine liebe Frau von Götzendorff, da fällt mir etwas ein, – die Gretel ist gestern abend fortgeschickt worden!“ Ein Schrei beantwortete diese Notiz. Halbbekleidet näherten sie sich von beiden Seiten der Thür zwischen ihren Zimmern, erweiterten den Spalt, drückten sich die Hände und verdrehten die Augen. „Vielleicht ein Dieb, ein Mörder, Frau von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0130" n="122"/> Titularräthin, das große Nebenzimmer mit der Preisermäßigung inne. Aber in all der Zeit war es nicht geschehen, daß Frau von Götzendorff Athem und Stimme wieder bekam unter einer halben Stunde, und heute war es kaum zehn Minuten über halb vier, und schon tönte ihr wohlverständlicher, wenn auch gurgelnder Ruf durch die Thürspalte: „Ach, meine liebe Frau Titularrath, sehen Sie doch geschwind aus dem Fenster, <hi rendition="#aq">vers le chalet, savez-vous</hi>! ah! ah! ah!“</p> <p>„O! o! o! ich sterbe!“ echo’te es aus dem Nebenzimmer, die Titularräthin hatte gesehen. „Ein Mann!“</p> <p> <hi rendition="#aq">„Un jeune homme!“</hi> </p> <p>„Es kann doch nicht der Bäcker gewesen sein?“</p> <p>„Aber ich muß sehr bitten, der kommt ja mit Korb und weißer Schürze“</p> <p>„Vielleicht der Doktor? <hi rendition="#aq">la bonne est malade</hi>.“</p> <p>„Ein junger Herr ohne Krückstock, schlank wie ein Adonis.“</p> <p>„Ach, meine liebe Frau von Götzendorff, da fällt mir etwas ein, – die Gretel ist gestern abend fortgeschickt worden!“</p> <p>Ein Schrei beantwortete diese Notiz. Halbbekleidet näherten sie sich von beiden Seiten der Thür zwischen ihren Zimmern, erweiterten den Spalt, drückten sich die Hände und verdrehten die Augen.</p> <p>„Vielleicht ein Dieb, ein Mörder, Frau von </p> </div> </body> </text> </TEI> [122/0130]
Titularräthin, das große Nebenzimmer mit der Preisermäßigung inne. Aber in all der Zeit war es nicht geschehen, daß Frau von Götzendorff Athem und Stimme wieder bekam unter einer halben Stunde, und heute war es kaum zehn Minuten über halb vier, und schon tönte ihr wohlverständlicher, wenn auch gurgelnder Ruf durch die Thürspalte: „Ach, meine liebe Frau Titularrath, sehen Sie doch geschwind aus dem Fenster, vers le chalet, savez-vous! ah! ah! ah!“
„O! o! o! ich sterbe!“ echo’te es aus dem Nebenzimmer, die Titularräthin hatte gesehen. „Ein Mann!“
„Un jeune homme!“
„Es kann doch nicht der Bäcker gewesen sein?“
„Aber ich muß sehr bitten, der kommt ja mit Korb und weißer Schürze“
„Vielleicht der Doktor? la bonne est malade.“
„Ein junger Herr ohne Krückstock, schlank wie ein Adonis.“
„Ach, meine liebe Frau von Götzendorff, da fällt mir etwas ein, – die Gretel ist gestern abend fortgeschickt worden!“
Ein Schrei beantwortete diese Notiz. Halbbekleidet näherten sie sich von beiden Seiten der Thür zwischen ihren Zimmern, erweiterten den Spalt, drückten sich die Hände und verdrehten die Augen.
„Vielleicht ein Dieb, ein Mörder, Frau von
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |