Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

gegen "Receptenschmierer" und "gelehrte Industrieritter" gedonnert, so gab es nun nichts Höheres und Verehrungswürdigeres als die Aerzte, die "Retter der Zukunft des Menschengeschlechts", denen es zu verdanken ist, wenn wir eine wahrhaft hohe Stufe erreichen und die Thierheit immer mehr und mehr von uns abstreifen werden. Die Worte strömten nur so von seinen zornig geschürzten Lippen, über das blonde Anneli, das mit gesenktem Kopf hinduckte und verlegen mit den Bernsteinperlen an dem dünnen Halse spielte. Als er es aber völlig zerquetscht zu haben glaubte, erhob sich's mit kalt beleidigter Miene, wischte ein bißchen an den Augen herum, die übrigens nichts von Feuchtigkeit zeigten, und sagte schnippisch: wenn er es denn doch für so arg einfältig halte und sich für so arg gescheit, so wolle es ihn in seinem "Größenwahn" nicht weiter stören und bedauere nur, daß sie beide so sehr an den Unrechten gekommen seien. Der Dumme, der für sie passe, sei freilich schon gefunden, er werde es begreiflich schwerer haben, indes "so eine von d'Siebengescheite, mit abgeschnittene Haar, wo in d'Universität laufet," könne er vielleicht doch bekommen. Und fort und aus. Das Anneli war gewesen. Seine Betroffenheit über die Verwandlung vor seinen Augen, wo ein leichtherziges unbedachtes Kind sich in ein boshaft freches Weib verkehrte, hielt noch tagelang an. Jetzt erfuhr er's einmal selbst, was das heißt: die

gegen „Receptenschmierer“ und „gelehrte Industrieritter“ gedonnert, so gab es nun nichts Höheres und Verehrungswürdigeres als die Aerzte, die „Retter der Zukunft des Menschengeschlechts“, denen es zu verdanken ist, wenn wir eine wahrhaft hohe Stufe erreichen und die Thierheit immer mehr und mehr von uns abstreifen werden. Die Worte strömten nur so von seinen zornig geschürzten Lippen, über das blonde Anneli, das mit gesenktem Kopf hinduckte und verlegen mit den Bernsteinperlen an dem dünnen Halse spielte. Als er es aber völlig zerquetscht zu haben glaubte, erhob sich’s mit kalt beleidigter Miene, wischte ein bißchen an den Augen herum, die übrigens nichts von Feuchtigkeit zeigten, und sagte schnippisch: wenn er es denn doch für so arg einfältig halte und sich für so arg gescheit, so wolle es ihn in seinem „Größenwahn“ nicht weiter stören und bedauere nur, daß sie beide so sehr an den Unrechten gekommen seien. Der Dumme, der für sie passe, sei freilich schon gefunden, er werde es begreiflich schwerer haben, indes „so eine von d’Siebengescheite, mit abgeschnittene Haar, wo in d’Universität laufet,“ könne er vielleicht doch bekommen. Und fort und aus. Das Anneli war gewesen. Seine Betroffenheit über die Verwandlung vor seinen Augen, wo ein leichtherziges unbedachtes Kind sich in ein boshaft freches Weib verkehrte, hielt noch tagelang an. Jetzt erfuhr er’s einmal selbst, was das heißt: die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="9"/>
gegen &#x201E;Receptenschmierer&#x201C; und &#x201E;gelehrte Industrieritter&#x201C; gedonnert, so gab es nun nichts Höheres und Verehrungswürdigeres als die Aerzte, die &#x201E;Retter der Zukunft des Menschengeschlechts&#x201C;, denen es zu verdanken ist, wenn wir eine wahrhaft hohe Stufe erreichen und die Thierheit immer mehr und mehr von uns abstreifen werden. Die Worte strömten nur so von seinen zornig geschürzten Lippen, über das blonde Anneli, das mit gesenktem Kopf hinduckte und verlegen mit den Bernsteinperlen an dem dünnen Halse spielte. Als er es aber völlig zerquetscht zu haben glaubte, erhob sich&#x2019;s mit kalt beleidigter Miene, wischte ein bißchen an den Augen herum, die übrigens nichts von Feuchtigkeit zeigten, und sagte schnippisch: wenn er es denn doch für so arg einfältig halte und sich für so arg gescheit, so wolle es ihn in seinem &#x201E;Größenwahn&#x201C; nicht weiter stören und bedauere nur, daß sie beide so sehr an den Unrechten gekommen seien. Der Dumme, der für sie passe, sei freilich schon gefunden, er werde es begreiflich schwerer haben, indes &#x201E;so eine von d&#x2019;Siebengescheite, mit abgeschnittene Haar, wo in d&#x2019;Universität laufet,&#x201C; könne er vielleicht doch bekommen. Und fort und aus. Das Anneli war gewesen. Seine Betroffenheit über die Verwandlung vor seinen Augen, wo ein leichtherziges unbedachtes Kind sich in ein boshaft freches Weib verkehrte, hielt noch tagelang an. Jetzt erfuhr er&#x2019;s einmal selbst, was das heißt: die
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0017] gegen „Receptenschmierer“ und „gelehrte Industrieritter“ gedonnert, so gab es nun nichts Höheres und Verehrungswürdigeres als die Aerzte, die „Retter der Zukunft des Menschengeschlechts“, denen es zu verdanken ist, wenn wir eine wahrhaft hohe Stufe erreichen und die Thierheit immer mehr und mehr von uns abstreifen werden. Die Worte strömten nur so von seinen zornig geschürzten Lippen, über das blonde Anneli, das mit gesenktem Kopf hinduckte und verlegen mit den Bernsteinperlen an dem dünnen Halse spielte. Als er es aber völlig zerquetscht zu haben glaubte, erhob sich’s mit kalt beleidigter Miene, wischte ein bißchen an den Augen herum, die übrigens nichts von Feuchtigkeit zeigten, und sagte schnippisch: wenn er es denn doch für so arg einfältig halte und sich für so arg gescheit, so wolle es ihn in seinem „Größenwahn“ nicht weiter stören und bedauere nur, daß sie beide so sehr an den Unrechten gekommen seien. Der Dumme, der für sie passe, sei freilich schon gefunden, er werde es begreiflich schwerer haben, indes „so eine von d’Siebengescheite, mit abgeschnittene Haar, wo in d’Universität laufet,“ könne er vielleicht doch bekommen. Und fort und aus. Das Anneli war gewesen. Seine Betroffenheit über die Verwandlung vor seinen Augen, wo ein leichtherziges unbedachtes Kind sich in ein boshaft freches Weib verkehrte, hielt noch tagelang an. Jetzt erfuhr er’s einmal selbst, was das heißt: die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/17
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/17>, abgerufen am 28.04.2024.