Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Weiber! Größenwahn! Und das hatte auf dem Grund ihrer doch so seicht scheinenden Seele geschlummert, diese schöne Meinung von ihm, während sie mit einander scherzten und kos'ten. Er hatte gemeint, sie liebe ihn, er hatte zum mindesten geglaubt, sie seien gut Freund. Aber nun auch nie wieder. Nicht Anneli und keine andere. Und wenn es doch einmal sein sollte in fernen Tagen und das Schicksal es so mit sich brächte, dann jedenfalls kein solch Apfelblüthengesicht, dem man nichts als süße blonde Gedanken zutraut. Mochte sie eher häßlich sein, die Enttäuschung ist dann nicht so groß. Das war die Überlegung der ersten Stunde. Aber wie er nun an diesem Frühlingsabend, ohne andere Beleuchtung als den vollen Mondschein, Chopinsche Nokturnos spielte, hatte er doch lauter Visionen von Schönheit und in Mädchengestalten verkörpertem Liebreiz, und er empfand Sehnsucht sogar nach dem Anneli, das er, wäre es gerade zur Thür hereingetreten, ohne alle weitere Rederei gewiß ans Herz gezogen hätte. Er war auch rauh und ungut gewesen, hatte nicht verstanden, sie zu halten, hatte immer nur seinen Willen, sein Vergnügen berücksichtigt, obschon er wußte, daß sie ein armes, verkehrt geleitetes, haltloses Gänschen war. Vielleicht war es seine Pflicht, einmal nachzusehen, was aus ihr geworden; die Geschichte mit dem Kunstreiter war doch eigentlich kein Grund zur Weiber! Größenwahn! Und das hatte auf dem Grund ihrer doch so seicht scheinenden Seele geschlummert, diese schöne Meinung von ihm, während sie mit einander scherzten und kos’ten. Er hatte gemeint, sie liebe ihn, er hatte zum mindesten geglaubt, sie seien gut Freund. Aber nun auch nie wieder. Nicht Anneli und keine andere. Und wenn es doch einmal sein sollte in fernen Tagen und das Schicksal es so mit sich brächte, dann jedenfalls kein solch Apfelblüthengesicht, dem man nichts als süße blonde Gedanken zutraut. Mochte sie eher häßlich sein, die Enttäuschung ist dann nicht so groß. Das war die Überlegung der ersten Stunde. Aber wie er nun an diesem Frühlingsabend, ohne andere Beleuchtung als den vollen Mondschein, Chopinsche Nokturnos spielte, hatte er doch lauter Visionen von Schönheit und in Mädchengestalten verkörpertem Liebreiz, und er empfand Sehnsucht sogar nach dem Anneli, das er, wäre es gerade zur Thür hereingetreten, ohne alle weitere Rederei gewiß ans Herz gezogen hätte. Er war auch rauh und ungut gewesen, hatte nicht verstanden, sie zu halten, hatte immer nur seinen Willen, sein Vergnügen berücksichtigt, obschon er wußte, daß sie ein armes, verkehrt geleitetes, haltloses Gänschen war. Vielleicht war es seine Pflicht, einmal nachzusehen, was aus ihr geworden; die Geschichte mit dem Kunstreiter war doch eigentlich kein Grund zur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="10"/> Weiber! Größenwahn! Und das hatte auf dem Grund ihrer doch so seicht scheinenden Seele geschlummert, diese schöne Meinung von ihm, während sie mit einander scherzten und kos’ten. Er hatte gemeint, sie liebe ihn, er hatte zum mindesten geglaubt, sie seien gut Freund. Aber nun auch nie wieder. Nicht Anneli und keine andere. Und wenn es doch einmal sein sollte in fernen Tagen und das Schicksal es so mit sich brächte, dann jedenfalls kein solch Apfelblüthengesicht, dem man nichts als süße blonde Gedanken zutraut. Mochte sie eher häßlich sein, die Enttäuschung ist dann nicht so groß. Das war die Überlegung der ersten Stunde.</p> <p>Aber wie er nun an diesem Frühlingsabend, ohne andere Beleuchtung als den vollen Mondschein, Chopinsche Nokturnos spielte, hatte er doch lauter Visionen von Schönheit und in Mädchengestalten verkörpertem Liebreiz, und er empfand Sehnsucht sogar nach dem Anneli, das er, wäre es gerade zur Thür hereingetreten, ohne alle weitere Rederei gewiß ans Herz gezogen hätte. Er war auch rauh und ungut gewesen, hatte nicht verstanden, sie zu halten, hatte immer nur seinen Willen, sein Vergnügen berücksichtigt, obschon er wußte, daß sie ein armes, verkehrt geleitetes, haltloses Gänschen war. Vielleicht war es seine Pflicht, einmal nachzusehen, was aus ihr geworden; die Geschichte mit dem Kunstreiter war doch eigentlich kein Grund zur </p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0018]
Weiber! Größenwahn! Und das hatte auf dem Grund ihrer doch so seicht scheinenden Seele geschlummert, diese schöne Meinung von ihm, während sie mit einander scherzten und kos’ten. Er hatte gemeint, sie liebe ihn, er hatte zum mindesten geglaubt, sie seien gut Freund. Aber nun auch nie wieder. Nicht Anneli und keine andere. Und wenn es doch einmal sein sollte in fernen Tagen und das Schicksal es so mit sich brächte, dann jedenfalls kein solch Apfelblüthengesicht, dem man nichts als süße blonde Gedanken zutraut. Mochte sie eher häßlich sein, die Enttäuschung ist dann nicht so groß. Das war die Überlegung der ersten Stunde.
Aber wie er nun an diesem Frühlingsabend, ohne andere Beleuchtung als den vollen Mondschein, Chopinsche Nokturnos spielte, hatte er doch lauter Visionen von Schönheit und in Mädchengestalten verkörpertem Liebreiz, und er empfand Sehnsucht sogar nach dem Anneli, das er, wäre es gerade zur Thür hereingetreten, ohne alle weitere Rederei gewiß ans Herz gezogen hätte. Er war auch rauh und ungut gewesen, hatte nicht verstanden, sie zu halten, hatte immer nur seinen Willen, sein Vergnügen berücksichtigt, obschon er wußte, daß sie ein armes, verkehrt geleitetes, haltloses Gänschen war. Vielleicht war es seine Pflicht, einmal nachzusehen, was aus ihr geworden; die Geschichte mit dem Kunstreiter war doch eigentlich kein Grund zur
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