Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Annita reckte ihre kleine Figur so hoch sie konnte und küßte die freundliche Frau auf die heißen Backen. "Ich hab' Deine Mama schrecklich lieb, Adelheid", rief sie begeistert, als die Thür sich hinter ihr geschlossen, "sie opfert sich ganz für ihre Kinder!" Noch einmal guckte Mamas Kopf mit dem reichen, glatt frisirten blonden Haar herein: "Und seid 'n bißchen nett, wenn Adolf kommt, hörst Du, Annita, Du auch! Ihr thut gar nicht, als wenn was gewesen wäre! Schließlich - du lieber Gott - wir haben ja alle unsere Fehler. Ihr seid hoffentlich bald fertig, daß doch jemand da ist, der die Gäste empfangen kann?" "Wenn ich an Adolf denke, wird mir doch 'n bißchen ängstlich", seufzte Annita, als die Mädchen allein waren, "wenn er nur nicht in dem halben Jahr noch mehr verwildert ist." Aber Adelheid nahm es fast übel: "Mein Cousin hat doch nicht unter Hottentotten gelebt; stell Dich nicht so an, Ita, - nein, weißt Du, grade "Blüthen und Perlen" - all meine Bekannten haben es - das ist ein sehr netter Zug von Adolf. Du magst es glauben oder nicht, aber er ist im Grunde sehr poetisch, - ich hab' ihn eigentlich immer gern leiden mögen." Annita blickte die Freundin überrascht an: Adelheid hatte sich selten so für jemand erwärmt, - es Annita reckte ihre kleine Figur so hoch sie konnte und küßte die freundliche Frau auf die heißen Backen. „Ich hab’ Deine Mama schrecklich lieb, Adelheid“, rief sie begeistert, als die Thür sich hinter ihr geschlossen, „sie opfert sich ganz für ihre Kinder!“ Noch einmal guckte Mamas Kopf mit dem reichen, glatt frisirten blonden Haar herein: „Und seid ’n bißchen nett, wenn Adolf kommt, hörst Du, Annita, Du auch! Ihr thut gar nicht, als wenn was gewesen wäre! Schließlich – du lieber Gott – wir haben ja alle unsere Fehler. Ihr seid hoffentlich bald fertig, daß doch jemand da ist, der die Gäste empfangen kann?“ „Wenn ich an Adolf denke, wird mir doch ’n bißchen ängstlich“, seufzte Annita, als die Mädchen allein waren, „wenn er nur nicht in dem halben Jahr noch mehr verwildert ist.“ Aber Adelheid nahm es fast übel: „Mein Cousin hat doch nicht unter Hottentotten gelebt; stell Dich nicht so an, Ita, – nein, weißt Du, grade „Blüthen und Perlen“ – all meine Bekannten haben es – das ist ein sehr netter Zug von Adolf. Du magst es glauben oder nicht, aber er ist im Grunde sehr poetisch, – ich hab’ ihn eigentlich immer gern leiden mögen.“ Annita blickte die Freundin überrascht an: Adelheid hatte sich selten so für jemand erwärmt, – es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0233" n="225"/> <p>Annita reckte ihre kleine Figur so hoch sie konnte und küßte die freundliche Frau auf die heißen Backen.</p> <p>„Ich hab’ Deine Mama schrecklich lieb, Adelheid“, rief sie begeistert, als die Thür sich hinter ihr geschlossen, „sie opfert sich ganz für ihre Kinder!“</p> <p>Noch einmal guckte Mamas Kopf mit dem reichen, glatt frisirten blonden Haar herein: „Und seid ’n bißchen nett, wenn Adolf kommt, hörst Du, Annita, Du auch! Ihr thut gar nicht, als wenn was gewesen wäre! Schließlich – du lieber Gott – wir haben ja alle unsere Fehler. Ihr seid hoffentlich bald fertig, daß doch jemand da ist, der die Gäste empfangen kann?“</p> <p>„Wenn ich an Adolf denke, wird mir doch ’n bißchen ängstlich“, seufzte Annita, als die Mädchen allein waren, „wenn er nur nicht in dem halben Jahr noch mehr verwildert ist.“</p> <p>Aber Adelheid nahm es fast übel: „Mein Cousin hat doch nicht unter Hottentotten gelebt; stell Dich nicht so an, Ita, – nein, weißt Du, grade „Blüthen und Perlen“ – all meine Bekannten haben es – das ist ein sehr netter Zug von Adolf. Du magst es glauben oder nicht, aber er ist im Grunde sehr poetisch, – ich hab’ ihn eigentlich immer gern leiden mögen.“</p> <p>Annita blickte die Freundin überrascht an: Adelheid hatte sich selten so für jemand erwärmt, – es </p> </div> </body> </text> </TEI> [225/0233]
Annita reckte ihre kleine Figur so hoch sie konnte und küßte die freundliche Frau auf die heißen Backen.
„Ich hab’ Deine Mama schrecklich lieb, Adelheid“, rief sie begeistert, als die Thür sich hinter ihr geschlossen, „sie opfert sich ganz für ihre Kinder!“
Noch einmal guckte Mamas Kopf mit dem reichen, glatt frisirten blonden Haar herein: „Und seid ’n bißchen nett, wenn Adolf kommt, hörst Du, Annita, Du auch! Ihr thut gar nicht, als wenn was gewesen wäre! Schließlich – du lieber Gott – wir haben ja alle unsere Fehler. Ihr seid hoffentlich bald fertig, daß doch jemand da ist, der die Gäste empfangen kann?“
„Wenn ich an Adolf denke, wird mir doch ’n bißchen ängstlich“, seufzte Annita, als die Mädchen allein waren, „wenn er nur nicht in dem halben Jahr noch mehr verwildert ist.“
Aber Adelheid nahm es fast übel: „Mein Cousin hat doch nicht unter Hottentotten gelebt; stell Dich nicht so an, Ita, – nein, weißt Du, grade „Blüthen und Perlen“ – all meine Bekannten haben es – das ist ein sehr netter Zug von Adolf. Du magst es glauben oder nicht, aber er ist im Grunde sehr poetisch, – ich hab’ ihn eigentlich immer gern leiden mögen.“
Annita blickte die Freundin überrascht an: Adelheid hatte sich selten so für jemand erwärmt, – es
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