Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.das ist egal. Unterscheidungsvermögen haben sie wohl gar nicht; na, das ist ja eine nette Entdeckung. Sie würde sich sogar schämen, die Geschichte Adelheid zu erzählen, die gerade einen Besuch machte. Bei Angela Rothermund, selbstverständlich! geradezu zärtlich wurde von der hier im Hause gesprochen. O die Menschen! die Menschen! Annita fühlte sich plötzlich so allein, so ausgestoßen, daß sie ihren Kopf über das Hackbrett bog und ihren Thränen freien Lauf ließ. "Kind Gottes, Du hackst ja lauter Haare mit in Deine Petersilie", sagte Frau Severin und hob ihr den Kopf in die Höhe. Da lachte Annita unwillkürlich. "Nee, was bist Du für 'n kürige Deern! wirst doch nich weinen, weil ich das gesagt hab'?" staunte Mama. Adolf stöhnte ihr entgegen, als sie nach Stunden wiederkam. "Ihr lauft alle weg! wenn ich das gewollt hätte, wär' ich schon längst zu Haus - so allein - komm! komm her, setz Dich wenigstens auf Deinen alten Platz, Annita - ich bin doch so schlecht dran - bedenke mal, wenn Du so liegen müßtest!" Annita versuchte, streng auszusehen. "Du bist schon ganz verzogen;" sie setzte sich neben ihn, aber steif zurück gegen die Stuhllehne. "Das ist ja noch das einzige, was ich davon habe, dafür bin ich ja auch Euer Cousin, Deiner doch auch, Annita, oder so gut wie, nicht?" das ist egal. Unterscheidungsvermögen haben sie wohl gar nicht; na, das ist ja eine nette Entdeckung. Sie würde sich sogar schämen, die Geschichte Adelheid zu erzählen, die gerade einen Besuch machte. Bei Angela Rothermund, selbstverständlich! geradezu zärtlich wurde von der hier im Hause gesprochen. O die Menschen! die Menschen! Annita fühlte sich plötzlich so allein, so ausgestoßen, daß sie ihren Kopf über das Hackbrett bog und ihren Thränen freien Lauf ließ. „Kind Gottes, Du hackst ja lauter Haare mit in Deine Petersilie“, sagte Frau Severin und hob ihr den Kopf in die Höhe. Da lachte Annita unwillkürlich. „Nee, was bist Du für ’n kürige Deern! wirst doch nich weinen, weil ich das gesagt hab’?“ staunte Mama. Adolf stöhnte ihr entgegen, als sie nach Stunden wiederkam. „Ihr lauft alle weg! wenn ich das gewollt hätte, wär’ ich schon längst zu Haus – so allein – komm! komm her, setz Dich wenigstens auf Deinen alten Platz, Annita – ich bin doch so schlecht dran – bedenke mal, wenn Du so liegen müßtest!“ Annita versuchte, streng auszusehen. „Du bist schon ganz verzogen;“ sie setzte sich neben ihn, aber steif zurück gegen die Stuhllehne. „Das ist ja noch das einzige, was ich davon habe, dafür bin ich ja auch Euer Cousin, Deiner doch auch, Annita, oder so gut wie, nicht?“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0261" n="253"/> das ist egal. Unterscheidungsvermögen haben sie wohl gar nicht; na, das ist ja eine nette Entdeckung. Sie würde sich sogar schämen, die Geschichte Adelheid zu erzählen, die gerade einen Besuch machte. Bei Angela Rothermund, selbstverständlich! geradezu zärtlich wurde von der hier im Hause gesprochen. O die Menschen! die Menschen! Annita fühlte sich plötzlich so allein, so ausgestoßen, daß sie ihren Kopf über das Hackbrett bog und ihren Thränen freien Lauf ließ.</p> <p>„Kind Gottes, Du hackst ja lauter Haare mit in Deine Petersilie“, sagte Frau Severin und hob ihr den Kopf in die Höhe. Da lachte Annita unwillkürlich. „Nee, was bist Du für ’n kürige Deern! wirst doch nich weinen, weil ich das gesagt hab’?“ staunte Mama.</p> <p>Adolf stöhnte ihr entgegen, als sie nach Stunden wiederkam.</p> <p>„Ihr lauft alle weg! wenn ich das gewollt hätte, wär’ ich schon längst zu Haus – so allein – komm! komm her, setz Dich wenigstens auf Deinen alten Platz, Annita – ich bin doch so schlecht dran – bedenke mal, wenn Du so liegen müßtest!“</p> <p>Annita versuchte, streng auszusehen. „Du bist schon ganz verzogen;“ sie setzte sich neben ihn, aber steif zurück gegen die Stuhllehne.</p> <p>„Das ist ja noch das einzige, was ich davon habe, dafür bin ich ja auch Euer Cousin, Deiner doch auch, Annita, oder so gut wie, nicht?“</p> </div> </body> </text> </TEI> [253/0261]
das ist egal. Unterscheidungsvermögen haben sie wohl gar nicht; na, das ist ja eine nette Entdeckung. Sie würde sich sogar schämen, die Geschichte Adelheid zu erzählen, die gerade einen Besuch machte. Bei Angela Rothermund, selbstverständlich! geradezu zärtlich wurde von der hier im Hause gesprochen. O die Menschen! die Menschen! Annita fühlte sich plötzlich so allein, so ausgestoßen, daß sie ihren Kopf über das Hackbrett bog und ihren Thränen freien Lauf ließ.
„Kind Gottes, Du hackst ja lauter Haare mit in Deine Petersilie“, sagte Frau Severin und hob ihr den Kopf in die Höhe. Da lachte Annita unwillkürlich. „Nee, was bist Du für ’n kürige Deern! wirst doch nich weinen, weil ich das gesagt hab’?“ staunte Mama.
Adolf stöhnte ihr entgegen, als sie nach Stunden wiederkam.
„Ihr lauft alle weg! wenn ich das gewollt hätte, wär’ ich schon längst zu Haus – so allein – komm! komm her, setz Dich wenigstens auf Deinen alten Platz, Annita – ich bin doch so schlecht dran – bedenke mal, wenn Du so liegen müßtest!“
Annita versuchte, streng auszusehen. „Du bist schon ganz verzogen;“ sie setzte sich neben ihn, aber steif zurück gegen die Stuhllehne.
„Das ist ja noch das einzige, was ich davon habe, dafür bin ich ja auch Euer Cousin, Deiner doch auch, Annita, oder so gut wie, nicht?“
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