Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.die Freiheit bekommen! Da wirst Du Dich recken und strecken und merken, daß Du gesunde Glieder hast. Aber muß es denn gerade Zürich sein? Warum nicht vielleicht Kopenhagen, wo Du mich hast? Liebe Lisbeth, ich kann Dir nur rathen, Du sprichst mit dem Alten und kommst hierher, sobald wie möglich; das Semester beginnt erst in drei Wochen. Sag, liebe Kleine, wäre das nicht famos? Willst Du Dich unter meine väterliche Obhut begeben? Ich werde mal sofort nach einer netten Bude für Dich herumhorchen, sieh nur zu, daß Du die Sache rasch in Ordnung bringst. Verdammen? Weil Du studiren willst? Ach, Du, was geht das uns an, laß sie doch da in Deinem Pfahldorf zetern, soviel sie Luft haben. Diemal schick ich keine Bücher, Du kommst ja doch her. Nur ein Vorlesungsverzeichniß leg ich bei und streiche Dir gleich einiges blau an. Adieu, liebe Kleine, mach es richtig und komm baldmöglichst. Dein Spiel- und bald auch Lernbruder Axel. Lisbeth Markwort an Axel Lorenzen. Wedel, 12. Oktober 1892. Ach, lieber Axel, wie traurig mich dein Brief gemacht hat! Du schreibst, als könne ich frei über mich verfügen, als hätte ich die Entscheidung über mein Leben selbst in der Hand, und es bedürfte nur so Anstands die Freiheit bekommen! Da wirst Du Dich recken und strecken und merken, daß Du gesunde Glieder hast. Aber muß es denn gerade Zürich sein? Warum nicht vielleicht Kopenhagen, wo Du mich hast? Liebe Lisbeth, ich kann Dir nur rathen, Du sprichst mit dem Alten und kommst hierher, sobald wie möglich; das Semester beginnt erst in drei Wochen. Sag, liebe Kleine, wäre das nicht famos? Willst Du Dich unter meine väterliche Obhut begeben? Ich werde mal sofort nach einer netten Bude für Dich herumhorchen, sieh nur zu, daß Du die Sache rasch in Ordnung bringst. Verdammen? Weil Du studiren willst? Ach, Du, was geht das uns an, laß sie doch da in Deinem Pfahldorf zetern, soviel sie Luft haben. Diemal schick ich keine Bücher, Du kommst ja doch her. Nur ein Vorlesungsverzeichniß leg ich bei und streiche Dir gleich einiges blau an. Adieu, liebe Kleine, mach es richtig und komm baldmöglichst. Dein Spiel- und bald auch Lernbruder Axel. Lisbeth Markwort an Axel Lorenzen. Wedel, 12. Oktober 1892. Ach, lieber Axel, wie traurig mich dein Brief gemacht hat! Du schreibst, als könne ich frei über mich verfügen, als hätte ich die Entscheidung über mein Leben selbst in der Hand, und es bedürfte nur so Anstands <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0332" n="324"/> die Freiheit bekommen! Da wirst Du Dich recken und strecken und merken, daß Du gesunde Glieder hast. Aber muß es denn gerade Zürich sein? Warum nicht vielleicht Kopenhagen, wo Du mich hast? Liebe Lisbeth, ich kann Dir nur rathen, Du sprichst mit dem Alten und kommst hierher, sobald wie möglich; das Semester beginnt erst in drei Wochen. Sag, liebe Kleine, wäre das nicht famos? Willst Du Dich unter meine väterliche Obhut begeben? Ich werde mal sofort nach einer netten Bude für Dich herumhorchen, sieh nur zu, daß Du die Sache rasch in Ordnung bringst. Verdammen? Weil Du studiren willst? Ach, Du, was geht das uns an, laß sie doch da in Deinem Pfahldorf zetern, soviel sie Luft haben.</p> <p>Diemal schick ich keine Bücher, Du kommst ja doch her. Nur ein Vorlesungsverzeichniß leg ich bei und streiche Dir gleich einiges blau an. Adieu, liebe Kleine, mach es richtig und komm baldmöglichst.</p> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Dein Spiel- und bald auch Lernbruder<lb/> Axel.</hi> </salute> </closer> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="letter" n="2"> <head>Lisbeth Markwort an Axel Lorenzen.</head> <opener> <dateline> <hi rendition="#right">Wedel, 12. Oktober 1892.</hi> </dateline> </opener> <p>Ach, lieber Axel, wie traurig mich dein Brief gemacht hat! Du schreibst, als könne ich frei über mich verfügen, als hätte ich die Entscheidung über mein Leben selbst in der Hand, und es bedürfte nur so Anstands </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [324/0332]
die Freiheit bekommen! Da wirst Du Dich recken und strecken und merken, daß Du gesunde Glieder hast. Aber muß es denn gerade Zürich sein? Warum nicht vielleicht Kopenhagen, wo Du mich hast? Liebe Lisbeth, ich kann Dir nur rathen, Du sprichst mit dem Alten und kommst hierher, sobald wie möglich; das Semester beginnt erst in drei Wochen. Sag, liebe Kleine, wäre das nicht famos? Willst Du Dich unter meine väterliche Obhut begeben? Ich werde mal sofort nach einer netten Bude für Dich herumhorchen, sieh nur zu, daß Du die Sache rasch in Ordnung bringst. Verdammen? Weil Du studiren willst? Ach, Du, was geht das uns an, laß sie doch da in Deinem Pfahldorf zetern, soviel sie Luft haben.
Diemal schick ich keine Bücher, Du kommst ja doch her. Nur ein Vorlesungsverzeichniß leg ich bei und streiche Dir gleich einiges blau an. Adieu, liebe Kleine, mach es richtig und komm baldmöglichst.
Dein Spiel- und bald auch Lernbruder
Axel.
Lisbeth Markwort an Axel Lorenzen. Wedel, 12. Oktober 1892. Ach, lieber Axel, wie traurig mich dein Brief gemacht hat! Du schreibst, als könne ich frei über mich verfügen, als hätte ich die Entscheidung über mein Leben selbst in der Hand, und es bedürfte nur so Anstands
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