Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Wagen sehr rüttelte. Dann suchte sie wieder ihre Pakete in Ordnung zu bringen und paßte verstohlen, unter dem Seidenpapier, die Stücke der zerbrochenen Puppe zusammen. Das beobachtete der Gegenübersitzende mit amüsirtem Lächeln; einmal trafen sich so ihre Blicke, ein rother Schein fuhr dem Mädchen über die Backen, schnell wickelte sie Alles zusammen und drückte die Pakete in die Kissenecke neben sich. Der Schaffner nahm die Fahrkarten ab; höflich streckte der Herr die Hand nach ihrer Karte aus, um ihr das Hinüberlangen zu ersparen. Er warf dabei einen Blick auf das Billet und sah dann plötzlich, im Zurückgeben, das Fräulein lebhaft an. "Sie fahren auch nach Wedel, Fräulein?" "Ja, nach Wedel, hinter Blankenese." "Ich weiß, ich weiß! Sind noch so viele bunte Enten auf dem großen Dorfteich?" "Ja, wir haben auch Schwäne!" Sie lächelte, und nun sah es aus, als sei doch das ihr gewohnter Ausdruck. "Und die gelben Wasserrosen?" fuhr er fort, sich ein wenig vornüber zu ihr beugend. "O, jetzt - es ist ja Winter." Ein Schatten ging über ihr bewegliches Gesicht. "Aber die grünen Bänke unter den Linden vor den Hausthüren?" "Ja, vor unserer Hausthür ist auch eine," nickte sie. Wagen sehr rüttelte. Dann suchte sie wieder ihre Pakete in Ordnung zu bringen und paßte verstohlen, unter dem Seidenpapier, die Stücke der zerbrochenen Puppe zusammen. Das beobachtete der Gegenübersitzende mit amüsirtem Lächeln; einmal trafen sich so ihre Blicke, ein rother Schein fuhr dem Mädchen über die Backen, schnell wickelte sie Alles zusammen und drückte die Pakete in die Kissenecke neben sich. Der Schaffner nahm die Fahrkarten ab; höflich streckte der Herr die Hand nach ihrer Karte aus, um ihr das Hinüberlangen zu ersparen. Er warf dabei einen Blick auf das Billet und sah dann plötzlich, im Zurückgeben, das Fräulein lebhaft an. „Sie fahren auch nach Wedel, Fräulein?“ „Ja, nach Wedel, hinter Blankenese.“ „Ich weiß, ich weiß! Sind noch so viele bunte Enten auf dem großen Dorfteich?“ „Ja, wir haben auch Schwäne!“ Sie lächelte, und nun sah es aus, als sei doch das ihr gewohnter Ausdruck. „Und die gelben Wasserrosen?“ fuhr er fort, sich ein wenig vornüber zu ihr beugend. „O, jetzt – es ist ja Winter.“ Ein Schatten ging über ihr bewegliches Gesicht. „Aber die grünen Bänke unter den Linden vor den Hausthüren?“ „Ja, vor unserer Hausthür ist auch eine,“ nickte sie. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0357" n="349"/> Wagen sehr rüttelte. Dann suchte sie wieder ihre Pakete in Ordnung zu bringen und paßte verstohlen, unter dem Seidenpapier, die Stücke der zerbrochenen Puppe zusammen. Das beobachtete der Gegenübersitzende mit amüsirtem Lächeln; einmal trafen sich so ihre Blicke, ein rother Schein fuhr dem Mädchen über die Backen, schnell wickelte sie Alles zusammen und drückte die Pakete in die Kissenecke neben sich. Der Schaffner nahm die Fahrkarten ab; höflich streckte der Herr die Hand nach ihrer Karte aus, um ihr das Hinüberlangen zu ersparen. Er warf dabei einen Blick auf das Billet und sah dann plötzlich, im Zurückgeben, das Fräulein lebhaft an. „Sie fahren auch nach Wedel, Fräulein?“</p> <p>„Ja, nach Wedel, hinter Blankenese.“</p> <p>„Ich weiß, ich weiß! Sind noch so viele bunte Enten auf dem großen Dorfteich?“</p> <p>„Ja, wir haben auch Schwäne!“ Sie lächelte, und nun sah es aus, als sei doch das ihr gewohnter Ausdruck.</p> <p>„Und die gelben Wasserrosen?“ fuhr er fort, sich ein wenig vornüber zu ihr beugend.</p> <p>„O, jetzt – es ist ja Winter.“ Ein Schatten ging über ihr bewegliches Gesicht.</p> <p>„Aber die grünen Bänke unter den Linden vor den Hausthüren?“</p> <p>„Ja, vor unserer Hausthür ist auch eine,“ nickte sie.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [349/0357]
Wagen sehr rüttelte. Dann suchte sie wieder ihre Pakete in Ordnung zu bringen und paßte verstohlen, unter dem Seidenpapier, die Stücke der zerbrochenen Puppe zusammen. Das beobachtete der Gegenübersitzende mit amüsirtem Lächeln; einmal trafen sich so ihre Blicke, ein rother Schein fuhr dem Mädchen über die Backen, schnell wickelte sie Alles zusammen und drückte die Pakete in die Kissenecke neben sich. Der Schaffner nahm die Fahrkarten ab; höflich streckte der Herr die Hand nach ihrer Karte aus, um ihr das Hinüberlangen zu ersparen. Er warf dabei einen Blick auf das Billet und sah dann plötzlich, im Zurückgeben, das Fräulein lebhaft an. „Sie fahren auch nach Wedel, Fräulein?“
„Ja, nach Wedel, hinter Blankenese.“
„Ich weiß, ich weiß! Sind noch so viele bunte Enten auf dem großen Dorfteich?“
„Ja, wir haben auch Schwäne!“ Sie lächelte, und nun sah es aus, als sei doch das ihr gewohnter Ausdruck.
„Und die gelben Wasserrosen?“ fuhr er fort, sich ein wenig vornüber zu ihr beugend.
„O, jetzt – es ist ja Winter.“ Ein Schatten ging über ihr bewegliches Gesicht.
„Aber die grünen Bänke unter den Linden vor den Hausthüren?“
„Ja, vor unserer Hausthür ist auch eine,“ nickte sie.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |